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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die italienische Resistenza (1943-1945) gegen das faschistische Deutschland gilt als ein zentraler Staatsgründungsmythos Italiens und wird seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu einem entscheidenden Merkmal des Landes stilisiert. Deutschland dient in diesem Diskurs als nationalsozialistisches Feindbild. Der böse Deutsche wird bis heute als ein Negativbeispiel genutzt, um die nationale Identität Italiens zu stärken. Konsequenterweise hängt in Italien das Bild des Deutschen untrennbar mit der Interpretation des Faschismus zusammen. In dieser Studie analysiert die Autorin die Darstellung des Deutschenbildes in italienischen Spielfilmen nach 1945 und die damit verbundene Mythisierung der Resistenza. Auch beleuchtet das Buch, wie Film und Politik das deutsche Feindbild als wiederkehrendes Motiv zur eigenen Abgrenzung vom Faschismus nutzen und die Vergangenheit (um)deuten.

Leseprobe

Kapitel 1.2., Italiens Umgang mit seiner faschistischen Vergangenheit: Resistenza-Mythos und Revisionismus: An welchen Krieg erinnert sich die italienische Öffentlichkeit, wenn vom Zweiten Weltkrieg die Rede ist? Die Antwort ist leicht: Es handelt sich fast ausschließlich um den nationalsozialistischen Krieg innerhalb Europas und um die Zeit der deutschen Besetzung Italiens vom September 1943 bis Kriegsende. So die synthetische Feststellung von Lutz Klinkhammer, dessen Beiträge zum Thema der italienischen Geschichtspolitik neben denen Filippo Focardis. besonders hervorzuheben sind. Die Konstruktion jener partiellen Erinnerung setzte bereits während des Krieges ein und folgte drei pragmatischen Zielen, wie Focardi in einem Aufsatz von 1996 herausgearbeitet hat: Die Kräfte des nationalen Befreiungskomitees (CLN -Comitato di liberazione nazionale) und die Badoglio-Regierung mussten einerseits die Propaganda des neu installierten Salo-Regimes und sein Narrativ vom italienischen Verrat kontrastieren sowie die italienische Bevölkerung zum Massenaufbegehren gegen die deutschen Besatzer und den faschistischen Marionettenstaat mobilisieren. Andererseits sollte die Hervorhebung der nationalsozialistischen Verbrechen unter gleichzeitiger Betonung der nunmehrigen Mitkriegsführung (cobelligeranza) auf Seiten der Alliierten dem italienischen Bemühen um günstige Bedingungen in den folgenden Friedensverhandlungen in die Hände spielen. Das durchaus politisch legitime <antifaschistische Narrativ> propagierte die Vorstellung von der alleinigen Kriegsschuld Mussolinis, der das italienische Volk gegen seinen Willen zuerst in das Bündnis mit dem verhassten Erzfeind Deutschland und dann in den Krieg gezwungen habe. Die wenn überhaupt minimale Mitschuld der Italiener sei durch den massenhaften Charakter der Resistenza, des Volksaufstands gegen die Nazifaschisten, bereits ausgelöst worden. Klinkhammer erkennt dabei drei Phasen im Prozess der Ausformung des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf die Erinnerung an den Krieg an der Seite der Deutschen durch die Erinnerung an Besetzung und Widerstand ausgeblendet wurde: Im Anschluss an die Kodifizierung eines homogenen Narrativs, die 1948, nach dem Ausschluss der Kommunisten aus der Regierung, als abgeschlossen gelten konnte, folgte bis 1963 eine Phase, in der die politische Führungsriege sich allgemein auf patriotische Ideale und die Aussöhnung unter den Italienern berief. Die Resistenza wurde nicht thematisiert, da die von den Christdemokraten geführte Regierung den Kommunisten mit dieser Karte nicht zuspielen wollte. Mit dem ersten Mitte-Links Bündnis ab 1963 aber begann eine Transformation, an deren Ende die Etablierung des Resistenza-Mythos als gesamtgesellschaftlich-antifaschistische Deutung [...], geradezu als Zivilreligion , stand. Teil dieses Diskurses war von Beginn an auch das Stereotyp vom bösen Deutschen, denn der deutsche Sündenbock erleichterte es ungemein, die Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und die Verbrechen in den gemeinsam besetzten Gebieten auf die schrecklichen Nachbarn [...] abzuwälzen, zumal der Topos von den bösen Deutschen noch durch den Topos von den guten Italienern ergänzt wurde [...]. Das Bild des Deutschen ist demnach untrennbar mit der italienischen Interpretation des Faschismus verbunden mehr noch, es ist dessen begründendes Element und wie sich in der Folge zeigen wird auch das einzig konsensfähige, welches die Geschichtsdeutungen aller politischen Lager verbindet. Dies erklärt auch seine Persistenz im öffentlichen Gedächtnis. Wie Focardi anknüpfend an Missiroli schreibt, fungiere der riflesso antitedesco in Italien als politisches Instrument, welches in Krisensituationen, die die offizielle Geschichtsdeutung vom Resistenza-Mythos gefährden, beliebig aktivierbar werde. In solch einer Krisensituation befindet sich Italien seit den 90ern. Nach dem Umbruch in Osteuropa und dem Zerfall des italienischen Parteiensystems, welches die offizielle Deutung von Faschismus und Zweitem Weltkrieg getragen hatte, geriet auch das antifaschistische Paradigma unter Druck von rechts. Mit den zwei Wahlsiegen von 1994 und 2001 der AN (Alleanza Nazionale-Nachfolgepartei des neofaschistischen MSI-Movimento sodale italiano), der Lega Nord und von Forza Italia, der Partei Berlusconis, setzte eine Geschichtspolitik ein, die eine Umdeutung der jüngsten Vergangenheit verfolgt, orientiert an den Kernpunkten der nationalen Versöhnung und der Aufwertung des Faschismus durch die Anerkennung seiner politischen Ziele: Heute sind Faschismusapologie und Duce-Bewunderung in der Mitte der Gesellschaft angekommen.[...] Historiker, Publizisten und Filmemacher stellen die antifaschistische Vulgata immer mehr in Frage. , kommentiert Aram Mattioli. Unverändert bleibt in diesem revisionistischen Prozess jedoch das Deutschen-Stereotyp. Im Gegenteil, man kann sogar von einer viel stärker gewordenen Bezugnahme auf die Verbrechen des Nationalsozialismus sprechen. Klinkhammer schreibt, dass seitens der Linken das ehemals positiv definierte antifaschistische Paradigma abgelöst [wird] durch die Erinnerung an die NS-Verbrechen, womit auf indirekte Weise eine <Rettung> der Resistenza verbunden ist. Aber auch die Rechtsparteien profitieren von der Propagierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, da dies die gleichzeitige Aufwertung des Faschismus flankiert und eine öffentliche Aufarbeitung seiner Verbrechen verhindert. Erst in jüngster Zeit haben Historiker wie Giorgio Rochat, Angelo DeI Boca oder Brunello Mantelli begonnen sich bisher von der Geschichtswissenschaft übergangenen Themen wie den italienischen Kriegsverbrechen in Afrika und auf dem Balkan sowie der Zustimmung zum faschistischen Regime zuzuwenden -aber: Die neuen Forschungen brechen mit dem Bild vom <braven Italiener>,[...] [haben] die breite Öffentlichkeit jedoch noch nicht erreicht [... ]. Der besagte Zusammenhang zwischen der Kanonisierung des Resistenza-Mythos, bei fortschreitender Verdrängung der italienischen Verantwortlichkeiten im Ventennio, und der Stereotypisierung des Bildes vom allein schuldig gewordenen bösen Deutschen wurde bisher an sehr zahlreichen Quellenkorpora untersucht. So hat Eva Sabine Kuntz in ihrer Arbeit zum Deutschenbild in der italienischen Presse nach 1945 gezeigt, wie die unterschiedlichen Intensitäten deutsch-italienischer diplomatischer Beziehungen auch Auswirkungen auf die italienische Deutschlandberichterstattung hatten, aber vor allem, dass in Krisensituationen, wie beispielsweise der Kappler-Flucht 1977, trotz ausgewogener politischer Beziehungen das deutsche Schreckgespenst umgehend reaktiviert wurde. Filippo Focardi hingegen hat die oben genannten Phasen der Ausformung der Kriegserinnerung in seiner gut dokumentierten Publikation anhand politischer Reden, sowie in einem Aufsatz unter Auswertung der Zelebrierung von Gedenktagen nachgewiesen, wobei allerdings die Bedeutung des Deutschenbildes kaum Beachtung fand. Dessen konstituierende Relevanz hat er lediglich für den Zeitraum der frühen Nachkriegszeit, mit wohl aber mehr als erschöpfender Quellengrundlage, - untersucht zum Fazit gelangend, dass die Dämonisierung des Deutschen, trotz divergierender Nuancen, ein Bindeglied zwischen allen politischen Lagern darstellte, wobei der Deutsche zum Alibi für die italienische Unschuld avancierte. Eine Gesamtdarstellung, die den Zeitraum von 1945 bis heute umfasst, lieferte ebenfalls Focardi, allerdings in dem bereits erwähnten, nur etwa fünfzehnseitigen Aufsatz, dessen Quintessenz in den Deutschen den negativen Bezugspunkt identifiziert, der In italienischen nationalstaatlichen Krisen als Blitzableiter und Projektionsfläche für die die eigene Vergangenheit betreffende Ressentiments fungiert. Keiner der besagten Autoren, die sich eingehend mit der italienischen Vergangenheitsbewältigung beschäftigt haben, hat bisher den Film als eigenständige Quelle in seinem Anteil an der Ausformung der Kriegserinnerung untersucht. Freilich lassen sich gelegentlich Hinweise auf dessen dann doch anerkannte Relevanz finden. So behandelt Joachim Staron in einem eigenen Kapitel den diplomatischen Streit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien infolge des Erscheinens von Die 4 Tage von Neapel von Nanni Loy, der die Wehrmacht als eine Brigade von Kriminellen darstellte. Desgleichen unterstützt er seine These, dass Kappier in den 60ern zu einer negativen Symbolfigur der Resistenza geworden war, durch das Anführen zweier Filme, in denen der ehemalige SD-Chefin Rom als Ausgeburt des Bösen stilisiert wird. Auch Lutz Klinkhammer stellt in seinem Aufsatz zur Kriegserinnerung im Wandel der Generationen fest, dass der Film ein wichtiges Medium zur Verbreitung einer kanonisierten Resistenzadeutung [darstellte] . Eine eingehende Beschreibung und Analyse dieses Zusammenhangs fehlt aber bisher -wenn man von der zeitlich begrenzten Untersuchung der Deutschenbilder in den Filmen Roberto Rossellinis von Ulrich Döge absieht. Die Arbeit hat daher zum Ziel, einen Beitrag zur Aufarbeitung dieses weißen Flecks in der Forschung zu leisten und, auch unter Bezugnahme auf andere Quellengattungen, das Verhältnis zwischen dem Film als Erinnerungsträger und der Ausgestaltung des Resistenza-Mythos, sowie zwischen dem Film und dem Deutschenbild und dem Resistenza-Mythos und dem Deutschenbild aufzuzeigen. Denn wie bereits erwähnt, steht die Resistenza als Staatsgründungsmythos in Korrelation zum Bild von den Deutschen. Dessen Evolution müsste demnach eng mit jener des Widerstandsnarrativs verbunden sein und die von Klinkhammer herausgearbeiteten Phasen sich auch für die Interpretation der Resistenza und der Deutschen im Film belegen lassen. Dabei würde eine chronologische Kongruenz die Bedeutung des Films als Transmissionsriemen der Vergangenheitsdeutung eindeutig nachweisen.

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