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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Zwischen 1967 und 1969 entwickelte sich ein fast die ganzen Studentenbewegung umfassender Anti-Israel-Konsens, der erkennbare antisemitische Züge trug und sich nicht auf den Staat Israel und die dort lebenden Juden beschränkte, sondern sich häufig gegen die gesamte Judenheit richtete. Diese Entwicklung zum Antizionismus soll anhand der Zeitschifft konkret untersucht werden. Sie war ein linksgerichtetes Blatt, die als wichtiges Organ der Studentenbewegung fungierte und außerdem die journalistische Heimat der Ulrike Meinhof war. Die Untersuchung behandelt den Einstellungswandel zum Staat Israel und zu den Juden in der Berichterstattung der Zeitschrift innerhalb des untersuchten Zeitraums (vom Eichmann-Prozess bis zum Olympia-Attentat) und versucht die Frage zu beantworten, inwiefern bei den in der Zeitschrift abgedruckten antizionistischen Ausführungen antijüdische Vorurteile und sekundärantisemitische Komponenten zu erkennen sind. Die Studie wirft außerdem interessante Fragen auf zur Unterwanderung der 1968er Bewegung durch die DDR und zum Zusammenhang zwischen die durch die SED initiierte Antispringer-Kampagne und der Einzug des Antizionismus in der Studentenbewegung.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.1. Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung: Im Folgenden soll die Auseinandersetzung der Zeitschrift konkret mit dem Antisemitismus während der NS-Zeit und seine Folgen in chronologischer Form analysiert werden. Der Eichmannprozess 1961 führte in konkret zu keiner ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus während der NS-Zeit und seinen Folgen. Der Prozess wurde in erster Linie dazu instrumentalisiert die NS-Kontinuitäten in der BRD aufzuzeigen vor allem im Rahmen der Kampagne gegen Hans Glöbke. Nur in dem Artikel Zeuge in Jerusalem von 1961 wird im Rahmen des Eichmannsprozesses nur ganz am Rande über Aspekte der nationalsozialistischen Judenverfolgung berichtet. Der Probst Heinrich Grüber, Zeuge im Eichmannsprozess, berichtet kurz über Eichmanns Persönlichkeit und über die SS Männer, die ihm verdeckt geholfen hatten Protestanten jüdischer Herkunft zu retten. In den Jahren 1962 und 1963 gab es keine Auseinandersetzung mit den antisemitischen Verfolgungen während des Nationalsozialismus. Diese geschah erst im Rahmen des Auschwitzprozesses. In der ersten Ausgabe der Zeitschrift von 1964 behandelte der bekannte deutsche Schriftsteller und Journalist Erich Kuby in seinem Artikel Auschwitz und die Bundesdeutsche Gegenwart diesen Sachverhalt. Er schrieb, dass es die Hauptaufgabe des Auschwitzprozesses sein sollte die Bevölkerung über Auschwitz zu informieren und ihr nahezubringen, dass Auschwitz keinen Betriebsunfall war, sondern eine legitime Einrichtung des NS-Staates. Ein Staat der laut Kuby 1940 die Unterstützung von bis zu 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung genossen hat. Er stellt Auschwitz als einen zentralen Bestandteil der NS-Herrschaft dar und behauptet: Keine Herrenrasse ohne Auschwitz . In der zweiten Ausgabe des Jahres 1964 erscheint der Artikel Zeit der Feigheit, Zeit der Gewalt , der der Frage nachgehen soll, inwiefern die deutsche Bevölkerung während der NS-Zeit von der Systematische Ermordung der Juden wusste. Der Artikel besteht aus Auszügen des Tagebuches von Ursula Kardorff, das sie zwischen 1933 und 1945 geführt hatte. Kardoff stellt sich selber die Frage, wie viel sie darüber wusste und stellt fest, dass sie die Antwort verdrängt hatte. Sie erzählt, dass sie und die ganze in Deutschland verbliebene Bevölkerung während des Krieges, zwischen Kriegsdienst und Luftschutzbunker sehr beschäftig gewesen waren und [w]enig Zeit für Mitleid hatten. Sie schreibt, sie glaubt viel geahnt zu haben, aber von der nationalsozialistischen Tötung der Juden an sich nichts Konkretes gewusst zu haben bis sie eine Stelle ihres Tagebuches findet, wo über die Verhaftung und Ausrottung aller Juden zu lesen ist, und sie dann erkennt wie viel sie eigentlich schon wusste. In der gleichen Ausgabe findet sich auch ein Artikel von Fritz Karl Kaul, der Staranwalt der DDR, der gleichzeitig auch für westdeutsche Gerichte zugelassen war. Kaul war während des Auschwitzprozesses Nebenkläger für eine unbekannte Zahl an Bürgern der DDR, die ihre Angehörige in Auschwitz verloren hatten. In seinen Artikel erzählt Kaul, dass die 22 Angeklagten des Auschwitzprozesses problemlos in das bürgerliche Leben der BRD zurückgefunden hätten. Den gesamten Entnazifizierungsprozess bezeichnet er als Farce. Daraufhin behauptet, er in der BRD würden die NS-Mörder frei herum laufen und als Ärzte, Richter oder Polizisten agieren. Die Aufgabe des Auschwitzprozesses soll es laut Kaul sein diesen Zustand zu beenden. Eine Bestrafung der NS-Mörder ist laut Kaul die erste Voraussetzung, die die DDR brauchen würde, um die Aufnahme von normalen Beziehungen mit der BRD überhaupt in Betracht zu ziehen. Damit impliziert Kaul, in der DDR würden keine NS-Mörder frei herum laufen und ähnliche Berufe ausüben, was jedoch auch dort der Fall war. Kauls Behauptung fußt hauptsächlich auf der Selbstdarstellung der DDR als das bessere antifaschistische Deutschland, gegenüber der angeblich noch faschistischen BRD. Um diese Selbstdarstellung zu stärken, nennt Kaul die große Rolle, die die IG-Farben für das Geschehen in Auschwitz gespielt hat und behauptet die IG-Farben hätte 1964 noch einen erheblichen Einfluss auf das politische Leben Westdeutschlands. Da nach der marxistisch-leninistischen Theorie der Faschismus als gewaltsame Diktatur des Finanzkapitals verstanden wird, kann man diese Aussage als Anklage eines angeblich faschistoiden Charakters der BRD deuten. In diesem Artikel findet also keine Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus und der Judenverfolgung während des Nationalsozialismus statt, sondern eher eine Instrumentalisierung des Auschwitzprozesses um die BRD zu delegitimieren. In der dritten Ausgabe des Jahres erklärt der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, was seiner Meinung nach Sinn und Zweck des Auschwitzprozesses war. Fritz Bauer war hessischer Generalstaatsanwalt und auch der Initiator des Auschwitzprozesses, der ohne sein Wirken nicht hätte stattfinden können. Bauer berichtet in seinem Artikel, dass Anne Frank 1942 in ihrem Tagebuch schon über die Gaskammer schrieb. Daraufhin geht er der Frage nach, wie viel man zu dieser Zeit in Deutschland darüber schon wusste. Bauer fragt ironisch: Hat die SS nur den Feindsender, sonst niemand unterrichtet? Der Auschwitzprozess sollte nach Fritz Bauer die historische Wahrheit über diese und andere Fragen ans Licht bringen. Für Bauer sind die Lehren, die aus dem Prozess gezogen werden können von höchstem Wert. Was für Bauer als die Hauptlehre des Prozesses gilt, kann als die […] Tugend des Ungehorsams zusammengefasst werden. Er schreibt, dass es eine Grenze für die Staatsmacht geben muss, die weder ein Beamter, ein Soldat oder sonst jemand unbestraft überschreiten darf. Die Prozesse waren laut Fritz Bauer […] als Bekenntnis […] zu [...] Wert und Würde eines jeden Menschen gedacht . In der vierten Ausgabe des gleichen Jahres erschien der Artikel Pandämonium des Grauens. 1. Bericht über den Auschwitzprozess in Frankfurt/Main . In diesem Artikel versucht der Autor, ähnlich wie es in F.K. Kauls Artikel der Fall war, die Rolle der IG-Farben hervorzuheben, die sie in Ausschwitz gespielt hatte, was höchstwahrscheinlich auf Anweisung der KPD geschah. In der DDR war es seit Ende der fünfziger Jahre Tradition die IG-Farben als Hauptverantwortliche für das Geschehene in Auschwitz darzustellen. Der Autor beschreibt die Auschwitz-Verstrickungen von drei deutlich belasteten Vorstandsmitgliedern der IG-Farben. Er schreibt auch, dass sie noch auf freien Fuß sind und dazu noch wichtige Vorstandspositionen in der deutschen Industrie inne halten. Also geht es in diesen Teil des Artikels darum die NS-Kontinuitäten der führenden Schichten in Westdeutschland aufzuzeigen. In der sechsten Ausgabe desselben Jahres kommt Henry Ormond zu Wort. Er war ein deutscher Jude und vor der Machtübernahme Hitlers ehemaliger Richter. Während des Auschwitz Prozesses vertrat er 15 Nebenkläger, die Angehörige in Auschwitz verloren hatten. Für Ormond ist die Hauptaufgabe des Prozesses in erster Linie die Bevölkerung darüber aufzuklären was Auschwitz an sich eigentlich war. In seinem Artikel beschreibt er die Schätzungen, wie viele Menschen in Auschwitz getötet wurden und die Rolle der Waffen-SS im KZ. Außerdem berichtet er auch über die Korruption innerhalb der Waffen-SS, was ihren zum Teil in der Öffentlichkeit noch bestehenden Bild als besonders disziplinierte Elite der Nation zu verändern zielte. Alle außer einem der Angeklagten haben bedenkenlos ihre Aufgaben in Auschwitz vorgeführt. Für sie waren die Juden keine Menschen mehr. Ormond betont, dass Auschwitz nicht zu der Mordmaschine hätte werden können, die es wurde, wenn nicht tausenden von SS Leuten daran beteiligt gewesen wären. Er erklärt auch, dass die in Auschwitz begangenen Verbrechen keine Kriegsverbrechen waren, wie es von vielen Bundesdeutschen noch behauptet wurde, sondern Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ormond fand es unbedingt notwendig den Auschwitzprozess durchzuführen, solange es noch lebendige Zeugen gab. Denn als Hauptaufgabe des Prozesses sah er […] dieser und kommende Generationen eine historisch Bedeutsame lebendige Dokumentation vorzulegen. Dieser war der letzte Artikel über den Auschwitzprozess. In der Auflage Nr. 10 des Jahres 1965 erscheint der Artikel Hölle für Kinder . Der Artikel besteht aus Auszügen des Buches Denn ihr Leben war die Hölle: Kinder in Gettos und Lagern. Köln 1965 von der deutsch-jüdische Journalistin Inge Deutschkron. Der Artikel beschreibt das Grauen, dem Kinder in den KZs und Gettos ausgesetzt waren. Es wird berichtet anhand der Aussagen von Zeugen aus dem Auschwitz- und Eichmannprozess. Der Artikel erzählt über SS-Männer, die die Köpfe kleiner Kinder an Wänden zerschmettern, über ein jüdisches Baby, das lebendig in kochendes Leichenfett geworfen wurde, über Mengele und seine Experimente mit Zwillingen und weiteres. Dieser ist der letzte Artikel des untersuchten Zeitraums, wo die nationalsozialistische Judenverfolgung im Mittelpunkt der Berichterstattung steht.

Über den Autor

Katya Salomon M.A. wurde 1983 in Guayaquil-Ecuador geboren. Als Enkelin von verfolgten deutschen Juden interessierte sie sich sehr für deutsch-jüdische Kultur in Deutschland vor dem Holocaust und deutsch-jüdische Beziehungen nach 1945. Diesen Themen konnte sie sich während ihres Studiums der Angewandten Kulturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Sozial- und Kulturgeschichte ausgiebig widmen. Aus diesem Interesse heraus ist auch die vorliegende Untersuchung entstanden. Die Autorin schloss ihr Studium 2014 an der Leuphana Universität Lüneburg mit dem akademischen Grad Magistra Atrium erfolgreich ab.

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