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Gesellschaft / Kultur

Manfred J. Foerster

Hitler und Speer. "Gesichter totalitärer Herrschaft"

ISBN: 978-3-95935-276-5

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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In den Psychogrammen von Hitler und Speer repräsentiert sich die gesamte Bandbreite der nationalsozialistischen Herrschaftsideologie, ihres Vernichtungs- und Rassenwahns sowie ihrer technokratischen und bürokratischen Rationalität wieder, die erst den Massenmord möglich gemacht hat. Metaphysisch betrachtet war Hitler die Inkarnation des absolut Bösen in der Politik, welches nicht als eine exterritoriale Macht über die Menschheit gekommen ist, sondern die totale Negation der Zivilisation, begründet durch eine verbrecherische Ideologie. Hitler war der Rückfall einer bislang aufgeklärten Gesellschaft in die archaische Barbarei, in der das Gesetz des Stärkeren herrscht und ein gnadenloser Auslesekampf die politischen Leitlinien bestimmt. Er wollte die Welt von einer historischen Vergangenheit der Aufklärung und Humanität befreien und das Gesetz der humanistischen Evolution aufheben, weil dieses stets den Schwachen schützt. E.T.A. Hoffmann hat in seiner Erzählung Der Magnetiseur in der Figur des Alban jene dämonische Kraft literarisch vorweggenommen, die in grenzenloser Macht in der Ödnis einer sinn- und moralentleerten Welt herrscht und in der es keinerlei ethische oder soziale Hemmungen mehr gibt. Die phantastischen Bilder der Morbidität und des Unterganges die E.T.A. Hoffmann entwarf und die noch in literarischer Ästhetik verblieben, wurden durch Hitler indes in alleräußerster Konsequenz verwirklicht und bildeten somit die Grundlagen seiner Politik. Hitler war mit seiner grenzenlosen Machtentfaltung auf der politischen Bühne der Figur des Alban erschreckend ähnlich, der den absoluten Willen zur Macht und Destruktivität verkörperte. So wie Alban vollkommen enthemmt ist, war auch Hitler vollkommen enthemmt und deshalb in der Lage, sich nicht nur über jede Form des menschlichen Zusammenlebens zu erheben, sondern es abgrundtief zu verachten. Seine Vorstellung von der Vollendung der menschlichen Gemeinschaft bestand darin, dass erst dann die Welt zur Ruhe kommt, wenn der letzte Mensch den vorletzten Menschen umgebracht haben wird. Dann hat der ewige sozialdarwinistische Auslesekampf seine Aufgabe erfüllt. Politik war für ihn im Sinne dieser nihilistischen Philosophie nicht das Mittel zur Befriedung eines Gemeinwesens, sondern diente lediglich dem Zweck zur totalen Zerstörung. Hitlers Rassenwahn hat die Schwelle zu einer Biopolitik überschritten, deren Schatten ihre Vergangenheit überdauern und die technokratischen Bedrohungen der Zukunft bilden. Somit ist Hitler auch ein Produkt des modernen Zeitalters, in der alles machbar zu sein scheint, ohne jede Hemmungen und wo die Machbarkeit von Politik und Technologie der Moral übergeordnet ist. Hitler und Speer verkörpern daher, jeder auf seine destruktive Weise, die Doppelseitigkeit totalitärer Herrschaft in ihren Auswüchsen grenzenloser Vernichtungsabsichten und technokratischer und bürokratischer Perfektion. Speer war in diesem Sinne der Prototyp einer künstlerischen und technokratischen Elite, derer sich - Hannah Arendt zufolge - nicht nur totalitäre Herrschaftsformen bedienen, sondern die in jedem politischen System ihre tragende Rolle finden und sich immer wieder auf ihre bloße Funktion als Fachleute, Juristen, Künstler etc. zurückziehen um sich jeder politischer Verantwortung zu entziehen. Im rechtlichen Sinne befanden sich Speer und vergleichbare Funktionseliten frei von Schuld und Verantwortung im eigentlichen Sinne, da sie keine Gesetze erließen, keinerlei Willkürakte durchführten oder andere Menschen eigenhändig umbrachten. Sie zogen sich vielmehr auf angeblich unpolitische Positionen zurück, um sich eine vorwurfsfreie Existenz zu sichern, die sie wie Speer, bis an ihr Lebensende hartnäckig verteidigten. Gleichwohl wäre ohne die Speers die Herrschaft des Nationalsozialismus als totalitäre Herrschaftsform kaum möglich gewesen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel: Die Unzulänglichkeit psychologischer Deutungen: Eine derartige Person der Zeitgeschichte und eine so gespenstische zudem, gibt Anlaß zu psychologischen Deutungen, um das Unfaßbare, vor der die Vernunft zu kapitulieren scheint, verständlich zu machen und den Dingen auf den Grund zu gehen. In ihrer Gesamtheit kranken jedoch alle psychologischen Deutungsversuche an unzureichenden Belegen und unterliegen der Versuchung, eine bereits feststehende und lange vertretene Theorie an einem spektakulären und mit der morbiden Faszination des Bösen umwitterten Fall nachzuweisen. Hitler hat wie kaum eine andere zeitgeschichtliche Person, Anlaß für alle möglichen kühnen psychologischen Deutungen geliefert, die teils phantasiereiche Spekulationen waren und mitunter sich durch eine souveräne Freiheit gegenüber historischem Quellenmaterial auszeichneten. Sich psychologisch mit Hitler zu befassen, bedeutet in jedem Fall, gewiß zu sein, dass nur wenige Anteile seiner Persönlichkeit zum Vorschein gelangen. Der überwiegende Teil seines Charakters bleibt dem Betrachter verborgen und über diesen lassen sich nur Vermutungen und Deutungen anstellen. Hinzu kommt, dass er niemals über seine Biographie in der Weise befragt worden ist oder sich hätte befragen lassen, durch das sein Wesen eindeutiger hervorgetreten wäre. Außerdem hat er nichts unversucht gelassen, die Spuren seiner Linzer und Wiener Jugendjahre zu verwischen. Als Reichskanzler verbot er alle Veröffentlichungen über seine Jugend und seine Familie und ließ alle schriftlichen Zeugnisse aus dieser Zeit beschlagnahmen. Darüberhinaus vermied er jeglichen Kontakt mit seiner weitverzweigten Familie, mit Ausnahme seiner Schwester Paula, die er zeitweise finanziell unterstützte. Er wollte gewissermaßen als familienloser Messias und nur in der rastlosen Aufopferung seiner politischen Mission verstanden werden. Die einzige Quelle seiner Biographie sollte sein Machwerk Mein Kampf sein, also seine im Nachhinein konstruierte Lebensgeschichte und politische Missionsschrift. Die weitverbreiteten Hitler-Anekdoten erweisen sich bei näherer Betrachtung vielfach als Legenden, da sie zumeist aus seinem unmittelbaren Nahfeld kamen. Auch die zahlreichen Augenzeugenberichte entsprechen keineswegs dem wahren Bild Hitlers und erweisen sich in historiographischer Hinsicht als äußerst problematisch. Auch dasjenige was Albert Speer, der sich stets in unmittelbarer Nähe zu Hitler bewegte, über ihn in seinen Erinnerungen niederschrieb, erweist sich als wenig authentisch, sondern trägt apologetische Züge, obgleich Speer darum bemüht war, eine distanzierte Haltung einzunehmen. Auf der Grundlage seiner psychoanalytischen Theorie der Nekrophilie hat Erich Fromm Hitlers Todeswillen und Vernichtungsdrang in den Mittelpunkt seiner Interpretationen gerückt. Den Ursprung sah er in einer narzißtisch gefärbten inzestuösen Mutterbeziehung, die der junge Adolf unterdrücken mußte und die er später, getreu dem Übertragungsschema auf Deutschland als Mutterimago verschoben hat. So wie er die Haßgefühle auf seine Mutter verdrängen mußte und durch eine narzißtische Beziehung kompensierte, übertrug er diese als Politiker auf Deutschland, dass er schließlich am Ende genau so zerstören mußte, wie seine Mutter. Sein eigentliches Haßobjekt sei Deutschland gewesen und nicht so sehr diejenigen Kräfte, denen sein Vernichtungsfeldzug galt. Seine Beziehung zu Deutschland stellt sich unter diesen Prämissen ebenso ambivalent- narzißtisch überkompensierend und destruktiv zerstörerisch- dar, wie die Beziehung zu seiner Mutter. Ob er tatsächlich Haßgefühle auf seine Mutter entwickelte und die er in pathologischer Weise abreagieren mußte, wie Erich Fromm annimmt, erscheint ebenso zweifelhaft, wie sicher zu sein scheint, dass er eine tiefe Bindung an seine Mutter hatte, wie umgekehrt, Clara ihren Adolf abgöttisch liebte. Nachdem sie drei ihrer Kinder verloren hatte, war Adolf als viertes Kind das erste Überlebende, an dem die Mutter verständlicherweise sehr hing. Fromm stützt seine psychoanalytische Deutung auf die Aussagen des Hitler-Biographen Jetzinger. Dieser hatte behauptet, Hitler habe seine Mutter auf dem Sterbebett alleine gelassen. Fromm sieht darin den Beweis für seine These von der bösartigen inzestuösen Mutterbeziehung Hitlers, die einerseits dazu führt, die Mutter abgöttisch zu lieben, andererseits aus der Verdrängung tiefer Autonomiebestrebungen, die aus irgendwelchen psychischen Gründen nicht erfüllt werden können, die Mutter zu zerstören. Über Umwege gelangte diese Theorie als historischer Wanderfehler zu dem amerikanischen Historiker Bradley F. Smith und fand Eingang in die amerikanische und deutsche Hitler-Literatur, bis hin zu Joachim Fests Hitler- Biographie. Tatsächlich aber hat die neuere Forschung nachgewiesen, dass Hitler während der letzten Lebenswochen seiner Mutter ständig bei ihr war und sie bis zu ihrem Tode versorgt hat. Der jüdische Arzt Dr. Bloch hat diesen Sachverhalt bei Vernehmungen in den Vereinigten Staaten bestätigt und angegeben, dass ihm in seiner Tätigkeit als Arzt noch niemals ein junger Mensch begegnet wäre, der sich so rührend und aufopferungsvoll um seine Mutter gekümmert habe, wie der junge Adolf. Wenn dies auf den ersten Blick ein Widerspruch zu Hitler antisozialen Persönlichkeitszügen zu sein scheint, so ist aus Sicht der Psychoanalyse ein derartiger widersprüchliches Verhalten im Sinne einer Reaktionsbildung denkbar, vor allem dann, wenn es sich um eine unbewußte Kompensation seiner ambivalenten mütterlichen Beziehung handelt, die eben auch aggressive Tendenzen beinhaltet. Hitlers immenser Judenhaß resultiert, Fromm zufolge, aus der umstrittenen und schmerzhaften Jodbehandlung, den der jüdische Arzt Dr. Bloch der krebskranken Clara Hitler angedeihen ließ. So wie die Mutter am Krebsgeschwür zugrunde ging, das der jüdische Arzt angeblich durch seine Behandlungsmethode forciert haben soll, würde Deutschland am jüdischen Krebsgeschwür zugrunde gehen, wenn dem nicht Einhalt geboten wird. Historiker haben indes nachgewiesen, dass der junge Adolf auf diese Behandlung, entgegen den ursprünglichen Bedenken Blochs, bestanden haben soll. Diese Jodbehandlung war zur damaligen Zeit zu Recht unter Medizinern nicht unbestritten. Als besonderes Zeichen der Dankbarkeit schenkte er Bloch ein von ihm gemaltes Bild mit Widmung. Nach dem Anschluß Österreichs veranlaßte Hitler sogar die Ausreise Blochs und es fällt schwer, anhand dieser Fakten, den Anlaß für seinen Judenhaß zu erkennen. Außerdem liquidierte Bloch verhältnismäßig geringe Honorare für die monatelange aufwendige Krebsbehandlung, die insgesamt 300 Kronen für 46 Hausbesuche betrug. Daher entbehren Spekulationen, dass Hitlers Judenhaß durch die falsche und unnötig teure Behandlung durch den jüdischen Arzt Dr. Bloch ausgelöst worden sei, jeder historischen Grundlage. Weitaus eher ist davon auszugehen, dass sein Haß gegen die Juden und letztlich gegen Deutschland, in seiner haltlosen und unsteten Existenz begründet lag, die sich ständig am Abgrund des Scheiterns und eines sozialen Abstieges bewegte und der ins Bodenlose zu führen schien. Und hierin war er sich mit vielen Zeitgenossen einig, die wie er, Neid und Mißgunst gegen das Establishment entwickelten und die Juden für die unzulänglichen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse verantwortlich machten. Vor dem Hintergrund der sogenannten Schwarzen Pädagogik hat die Schweizer Psychoanalytikerin Alice Miller Anfang der 80er Jahre das exzeßhafte Wesen Hitlers auf die angeblich ständigen körperlichen Mißhandlungen und Züchtigungsorgien durch seinen Vater zurückgeführt. Dessen häusliche Tyrannei, auch seiner Frau Clara gegenüber, habe bei Hitler Vergeltungssucht herbeigeführt und ein Haß auf das väterliche Prinzip. Nachdem Miller in verschiedenen Publikationen von den väterlichen Prügelorgien gelesen hatte, denen der kleine Adolf angeblich ausgesetzt war und sie dieses Erziehungsklima mit ihrer Theorie der Schwarzen Pädagogik in Verbindung brachte, vermeinte sie die Ursache der psychischen Deformationen Hitlers erklären zu können. Hierbei folgte sie ihrem Gefühl, sich vorzustellen, was sich in der Familie Hitler abgespielt hat und wie sehr der kleine Adolf unter diesen Züchtigungen der Schwarzen Pädagogik gelitten haben muß. Hierbei unterstellt sie, dass selbst dann, wenn von Liebe und Zuneigung die Rede ist, es sich in Wirklichkeit um die verschleiernden rigiden Erziehungsmethoden der Schwarzen Pädagogik handelt, die von den Eltern Hitlers an dem jungen Adolf praktiziert wurden. In Hitler muß dann irgendwann der Wunsch erwacht sein, sich für diese Demütigungen zu rächen. Da er außerstande war, diese Rache gegen seinen Vater zu wenden, übertrug er als Politiker diesen oedipalen Haß auf alle väterlichen Instanzen, die sich vor allem in den alten Autoritäten des untergegangenen Kaiserreiches widerspiegelten. Vor dem Hintergrund eines derartigen Übertragungsschemas erscheint es psychologisch folgerichtig, Hitlers Bestreben, gegen den ursprünglichen Willen Hindenburgs Kanzler zu werden, was letztlich zum Erfolg führte, als späteren symbolischen Vatermord auszudeuten.

Über den Autor

Manfred J. Foerster studierte Psychologie, Erziehungswissenschaft, Soziologie und Philosophie in Aachen und Mainz und promovierte in Heidelberg über die Analytische Psychologie Carl Gustav Jungs. Der Autor leitete über 20 Jahre die Beratungs- und Fortbildungsstelle für ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter/innen im hessischen Strafvollzug. Für diese Tätigkeit ist er mit dem Förderpreis der Fritz-Bauer Stiftung und mit dem Wilhelm Fay Gedächtnispreis der Stadt Frankfurt/Main ausgezeichnet worden. Er ist als Lehrbeauftragter im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz tätig. Seine Schwerpunkte sind: Frühkindliche Bindungserfahrungen und Sozialisation, Ursachen und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen, sowie Persönlichkeitsprofile von Gewalt- und Sexualdeliktern. Darüberhinaus ist er seit über 10 Jahren als Supervisor im Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe- Landesverband Rheinland Pfalz e.V. tätig. Die in diesem Buch behandelten Themen sind im Rahmen einer Vorlesungsreihe des Autors an der Johannes Gutenberg- Universität Mainz gehalten worden. Wichtigste Veröffentlichungen: Individuation und Objektbeziehung Eine Auseinandersetzung mit der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs (Aachen 2000) Bindungstheorie und Persönlichkeitsstörungen bei Klienten der Straffälligenhilfe, in: DVJJ 2002/ Heft 3 Lasten der Vergangenheit Traditionslinien zum Nationalsozialismus (London 2006) Zur Psychopathologie des Rassismus und Antisemitismus (Aachen 2009) Übertragung-Persönlichkeitsstörungen und das Dilemma des Helfers, in: Bewährungshilfe Soziales- Strafrecht- Kriminalpolitik 2003/ Heft 1) Zum Umgang mit Sexual- und Gewaltdelinquenten in der Straffälligenhilfe aus Sicht der Objektbeziehungs- und Bindungstheorie, in: Bewährungshilfe Soziales- Strafrecht- Kriminalpolitik/ 2003/ Heft 3 Frühe Traumatisierungen und Delinquenz- der Täter als Opfer seiner Biographie. Zur Wirklichkeit früher Traumatisierungen im Kontext der Straffälligenhilfe (Ursachen- Auswirkungen- Perspektiven) in: Neue Praxis, 2005/Heft 4 Die antisoziale Persönlichkeit im Strafvollzug dargestellt an der Person des Hannibal Lecter aus dem Film Das Schweigen der Lämmer, in: Forum Strafvollzug, 2013/ Heft 3 Bildungsbürger Nationaler Mythos und Untertan Betrachtungen zur Kultur des Bürgertums (Aachen 2009)

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