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Kunst & Kultur

Davit Drambyan

Toneurythmie im Lichte der Musikwissenschaft

Eine musiksemiotische Analyse sowie Anregungen zum praktischen Musizieren und Eurythmisieren

ISBN: 978-3-8366-6491-2

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Abb.: 67
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Buch Toneurythmie im Lichte der Musikwissenschaft beschäftigt sich mit dem Phänomen der Toneurythmie aus musiksemiotischer Sicht. In der Einleitung wird auf das Verhältnis der Wissenschaft zur Kunst der Eurythmie eingegangen mit der Feststellung, dass es bislang kaum wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dieser Körperbewegungskunst gab. Um diese Forschungslücke zu schließen, wird im Hinblick auf die Toneurythmie als Teilbereich der eurythmischen Kunst das Ziel der Abhandlung formuliert, nämlich einen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn anzustreben sowie das Entwicklungspotential toneurythmischer und musikalischer Ausdrucksmittel aufzuzeigen. Eine praktische Anwendbarkeit der erlangten Erkenntnisse ist ein wesentlicher Bestandteil der Abhandlung. Als wissenschaftliches Mittel werden die Methoden der Musiksemiotik angewendet, welche ein interdisziplinärer Wissenschaftszweig ist. Die Musiksemiotik vereint musikwissenschaftliche Systematik mit den Grundkonzepten der Zeichenwissenschaft (Semiotik). Nach dem Quellen- und Literaturüberblick werden allgemeine Fragen formuliert: Was ist Eurythmie? Wie lässt sich Toneurythmie musiksemiotisch beschreiben? Als Antworten folgen die Kapitel 99 Jahre Eurythmie: von 1908 bis 2007 mit einer Entstehungschronik dieser Kunst sowie Methodenentwicklung zu einer musiksemiotischen Analyse der Toneurythmie in welchem das triadische Zeichen-Modell von Charles Sanders Peirce als Methode zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung gewählt wird. Des Weiteren wird das Zeichensystem (Gestik) der Toneurythmie aus musiksemiotischer Sicht analysiert. Folgende Grundelemente werden einzeln betrachtet: die Dur-Skala, die Moll-Skala, die Chromatik, Intervalle, Dur und Moll, Akkorde (konsonierende Dreiklänge und deren Umkehrungen, Dissonanzen und Septakkorde). Auf Basis der Analyse werden einige Entwicklungsmöglichkeiten der toneurythmischen Gestik vorgeschlagen, z. B. ein Zeichensystem für die Kirchentonarten und Möglichkeiten der Anwendung von zwölf ‚absoluten’ Tongesten zur Darstellung von Zwölftonmusik. Für das praktische Musizieren lassen sich folgende Entwicklungen ableiten: das Komponieren von Musik in Hinblick auf das Verhältnis der Anzahl der Stufen einer Tonleiter und ihrer metrischen Organisation, ein neuartiges komplexes System der achtstufigen Skalen (hier ‚Yin-Yang-Skalen’ genannt) sowie die Argumentation für die Natürlichkeit der a1 = 432 Hz Stimmung. Im Fazit werden einige weitere Möglichkeiten der kreativen Anwendung von Zeichenwissenschaft in Bezug auf Toneurythmie und Musik angesprochen und somit weitere Perspektiven eröffnet. Die Abhandlung ist umfangreich illustriert - sie enthält 19 Notenbeispiele, 25 Tabellen und 23 Abbildungen darunter auch seltene Photos von einzelnen toneurythmischen Gebärden.

Leseprobe

Kapitel 5.2.1, Intervallerlebnisse: Die Besonderheit der eurythmischen Darstellung von Intervallen besteht darin, dass diese auf dreifache Weise geschehen kann: als Gebärde, als Schrittfolge und als festgelegte kleine Eurythmieform. Was all diese Darstellungsmethoden vereint ist das innere Erlebnis, welches für jedes einzelne diatonische Intervall von Steiner beschrieben wurde. In den Vorträgen des Kurses Eurythmie als sichtbarer Gesang findet man diese Beschreibungen hauptsächlich im zweiten Vortrag und zwar als Vergleich von Prim und Oktav, von Quint und Septim sowie von Terz und Quart. Zu Beginn des dritten Vortrages geht Steiner kurz auf den Vergleich der Sext und Septim ein, während die Sekund kaum erwähnt wird. Das Sekundenerlebnis kann jedoch teilweise von der Aussage Steiners, welche er im Zusammenhang mit der Erklärung der physiologischen Grundlage der Toneurythmie traf, abgeleitet werden. Zusammenfassend und aus einer musiktheoretischen Perspektive heraus systematisierend möchte ich die Intervallerlebnisse nun auflisten und kurz kommentieren. Die Prim (Grundton) – trägt eine gewisse Unruhe in sich, sie ist ein Begehren nach außen bei äußerer Statik. Diese Beschreibung mag einem Musiktheoretiker fremd vorkommen, da man gewohnt ist, die Prim als vollkommene Konsonanz und statischen Endpunkt der harmonischen Auflösung anzusehen. Steiner erwähnt jedoch einen interessanten Gesichtspunkt, welcher den Charakter der Prim deutlich macht: Der Mensch ist da in einer nicht fertigen Stimmung, es kann ja nicht so bleiben, sonst müsste der Mensch fortwährend den Grundton singen… . Aus dieser Ansicht heraus ist die Prim gerade das Intervall mit der allerhöchsten ‘potentiellen Energie’, welche dann durch die übrigen Tonverhältnisse von innen nach außen zur Entfaltung kommt. Daher bezeichnet Steiner das Schreiten und nicht das Stehen als angemessene eurythmische Darstellungsmöglichkeit für die Prim. Die Sekund – ist der erste noch kaum sichtbare Ausdruck der Bewegung im Bereich des tiefen Inneren. Wenn man bedenkt, dass es für Steiner üblich war, zu besonders ‘tief verborgenen’ Sachen gegebenenfalls zunächst gar keine Aussage zu treffen, so kann man die Sekund aufgrund dieser Umschreibung womöglich als das ‘esoterischste’ Intervall bezeichnen. Die Terz – gibt dem Menschen ein immer noch sehr innerliches und intimes Erlebnis, welches jedoch wesentlich deutlicher in Bewegung kommt. Steiner gibt der Terz eine zentrale Rolle im musikalischen Erleben ‘unserer Epoche’. Ausschlaggebend dafür ist die Tatsache, dass die große Terz das Dur-Tongeschlecht und die kleine Terz das Moll-Tongeschlecht bestimmt. Mit der Unterscheidung von Dur und Moll treten Stimmungsassoziationen in Kraft, welche auf dem differenzierten Erleben der großen und kleinen Terz beruhen. Steiner verwendet sogar den Begriff ‘Mollton’, welcher auch den Begriff ‘Durton’ nahe legt. Im Zusammenhang mit der Terzbeschreibung nennt er Schmerz, Klage und Leid für Moll bzw. Lust für Dur als entsprechende Stimmungsnuancen. Das Terz-Erlebnis wird metaphysisch im Herz lokalisiert. Der Mensch bleibt vollständig im Bereich des Seelischen. Auf die Bewegung bezogen bedeutet dies, dass man zwar eine Regsamkeit zeigt – herausgehen in Dur sowie auf-sich-zurückgehen in Moll, doch dass man trotzdem mit dem Bewusstsein in sich selbst bleiben muss. Die Quart – lässt den Menschen sich unter seiner Oberfläche gestalten. Das Erlebnis ist immer noch innerlich, aber nicht so intim wie bei der Terz. Der Mensch sondert sich von der Umwelt ab und schafft in sich eine innere Gestalt nach seinen eigenen seelischen Bedürfnissen. Er geht aber noch nicht bis zu seiner Hautoberfläche – das Quart-Erlebnis bleibt ein Stück darunter, so dass der Mensch sich aus sich selbst heraus gestaltet. Der Mensch fühlt sich durch seine eigene innere Macht als Mensch, nicht durch die Außenwelt. Dadurch sondert er sich zwar von der Außenwelt ab, kommt mit ihr jedoch noch nicht in unmittelbare Berührung, und bleibt ‘klein aber bedeutend’ für sich. Man macht in der Quart einen angenehmen Zwerg aus sich selber. Und so ergibt sich ein starkes Sich-auf-sich-Beziehen . Als angemessener Ausdruck werden die Finger scharf zusammengenommen, die Hand wird in sich verstärkt. Die Quint – wird an der Hautoberfläche erlebt, so dass sich der Mensch dabei am stärksten als ‘fertiger’ Mensch in Tönen fühlt. Die Quinte ist der Mensch bzw. die den Menschen begrenzende Haut – diese Aussagen Steiners hängen mit der Beschreibung des Quinterlebnisses zusammen, durch welches der Mensch innerlich bis an seine Haut heran geht, seine Haut erfasst und sich dort abschließt. Dadurch kommt der Mensch mit der Außenwelt in unmittelbare Berührung. Bei der eurythmischen Gestaltung der Quint besteht folglich die Notwendigkeit gebärdenhaft abzuschließen, also eine Geste des Umschließens zu machen. Die Sext – führt den Menschen bereits in seinem Erlebnis in das Äußere. Es ist allerdings ein verhältnismäßig schwaches Herausgehen der Empfindung bzw. des Gefühls nach Außen. In Bezug auf die Wirkung des Menschen auf die Außenwelt handelt es sich zunächst eine in Regsamkeit versetzende Eigenschaft, ein bloss Bewegtes . Ähnlich wie im Fall der Sekund sind nur wenige Aussagen Steiners zum Intervall der Sext zu finden. Die Septim – bringt den Menschen am stärksten in die Außenwelt hinein und aus sich selbst heraus. Das eurythmische Septimerlebnis wird von Steiner ausführlich und sehr bildhaft beschrieben: Bei der Septime geht man aus sich heraus, man verlässt sich bei der Septime. Die Septime ist als solche auch durchaus keine Beruhigung das Septimen-Erlebnis ist so, wie wenn Ihnen überhaupt im Erleben die Haut wegginge, und Sie so als eine Art geschundener Marsyas daständen. Die Haut fliegt Ihnen weg, und die ganze Seele geht in die Umgebung hinein . Steiner vergleicht die Septim mit der Quint und führt aus, dass während die Quinte an der Oberfläche der Haut erlebt wird, […] fühlt sich der Mensch wie die Haut durchsetzend und in seiner Umgebung bei der Septime . Im Vergleich zur Sext hat die Septim keine bloß bewegende, in Regsamkeit versetzende Wirkung, sondern eine geistig belebende, so dass durch die Septim ein Bild des Belebens vom Leblosen in der Außenwelt erzeugt wird. Bei der Beschreibung der Septim bring Steiner am deutlichsten zum Ausdruck, dass er bei der Erschaffung der Eurythmiegebärden nach Möglichkeiten suchte, die erwähnten Erlebnisse durch die Gestik sichtbar zu machen: Es muss irgendwie die Gebärde verraten, dass Sie aus sich herauskommen (Armstrecken, Hand schüttelnd drehen, schlenkern) . Die Oktav – fällt in den Grundton hinein. Steiners Kommentar zum Oktaverlebnis ist ebenso bildhaft wie eindeutig: Es ist so, wie wenn Sie die Hand ausstrecken und an einen Gegenstand kommen. Durch die äussere Berührung ergänzt sich dasjenige, was Sie gewissermaßen als Begehren nach aussen [in der Prim] geltend machen. Und so kommt Ihnen aus der Welt die Oktave entgegen, um die Prim in sich zu beruhigen. Und dasjenige, was unfertig war, wird fertig. Es kommt wiederum eine Ganzheit zustande, wenn zur Prim die Oktave hinzukommt . Daraus lässt sich folgen, dass die Oktav innig befriedigend wirkt und nach der Vollendung der Gebärde das ‘ruhigste’ Intervall darstellt. Die eurythmischen Intervallerlebnisse und Darstellungsmethoden beziehen sich sowohl auf die melodischen als auch auf die harmonischen Intervalle.

Über den Autor

Davit Drambyan, Diplom-Komponist, Magister Artium der Musikwissenschaft. Diplomstudium in Komposition am staatlichen Komitas-Konservatorium Jerewan (Armenien), Abschluss 1998. Magisterstudium in Musikwissenschaft und Anglistik/Amerikanistik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Deutschland), Abschluss 2008. Langjährige Praxis der Eurythmie u.a. am Eurythmeum Stuttgart in 1996. Langjährige Praxis der asiatischen Kampf- und Bewegungskünste Aikido, Iaido und Tai-Chi. Derzeit freischaffend.

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