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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 328
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Es gibt im Hinblick auf die grundsätzliche moralische Berücksichtigung anderer leidensfähiger Individuen - welcher Art auch immer - keinen relevanten Unterschied außer dem, den wir machen wollen. Plausibel rechtfertigen lässt sich ein solcher jedoch nicht. Wie im Zuge dieser Studie dargestellt wird, verpflichten die Fähigkeiten zu Empathie und Theory of Mind uns mithilfe des Analogieschlusses dazu, das geringere Übel für andere bewusst fühlende Lebewesen zu wählen oder möglichst ganz zu vermeiden, wo und wann immer dies möglich ist. Warum die vorherrschenden Konzeptionen von Moral unzureichend sind und eine Ausdehnung der menschlichen Moral auf nichtmenschliche Spezies zu fordern ist, soll ausgehend von aktuellen Erkenntnissen der Neurowissenschaften sowie bestehender Tierethik-Konzepte in diesem Buch dargestellt und in ein neues Konzept der Fairness-Ethik eingebunden werden. Da eine Nichteinbeziehung anderer leidensfähiger Spezies in die menschliche Moral in den allermeisten Fällen zu negativen Konsequenzen für die Spezies Mensch führt, ist der zugrundeliegende pathozentrische Ansatz in letzter Konsequenz zugleich auch ein anthropozentrischer.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2.1, Geist, Denken, Sprache und Intelligenz: Viele der zu untersuchenden Phänomene sind aufgrund unscharfer Definitionen schwer zu fassen. Und viele dieser Phänomene sind bereits im rein menschlichen Bereich schwer zu erörtern bzw. nachzuweisen und insofern nach wie vor strittig. Die laufenden Diskussionen und Uneinigkeiten über metaphysische Begriffe (wie zum Beispiel ‘Ich’ oder ‘Bewusstsein sollen hier jedoch unberücksichtigt bleiben. Ich werde einfach vom üblichen Sprachgebrauch und den aktuell gängigen Begriffsbestimmungen ausgehen. Nichtsdestotrotz möchte ich auf die dadurch implizierten philosophischen Schwierigkeiten hinweisen. An dieser Stelle zu untersuchende Fragestellungen lauten beispielsweise: Was ist Sprache? Kennen Tiere Begriffe? Haben Tiere Sprache? Kennen sie Humor? Haben sie eine Theory of Mind? Haben Tiere Bewusstsein oder gar Selbstbewusstsein? Haben sie eine Seele (in Form von Geist)? Haben sie Kultur? Haben sie ein Weltbild, d. h. haben sie Überzeugungen? und so weiter. Zur Beantwortung der Frage, ob Tiere einen Geist haben, muss zunächst geklärt werden, was unter Geist verstanden werden soll. Im Unterschied zu menschlichen und nichtmenschlichen Tieren haben Pflanzen keinen Geist (im Sinne von dem eines Tieres). Zwar wenden wir im täglichen Sprachgebrauch auch für diese anthropomorphisierende Redeweisen an, jedoch haben sie keinen Geist in dem Sinne ‘etwas zu wollen’. Pflanzen sind Organismen, deren Verhalten durch eine genetische Anlage und durch Umweltbedingungen vollständig bestimmt ist. Menschen hingegen haben Geist, denn sie - haben Bewusstseinin phänomenaler Hinsicht. - haben intentionale Zustände, d. h. sie beziehen sich auf etwas. - haben eine Sprache als System von konventionell festgesetzten Zeichen mit Bedeutung. - sind zu logischem Denken fähig. Was aber ist mit Tieren? Wenn sie die eben genannten Eigenschaften besitzen, dann besitzen sie Geist. Aber man könnte entweder sagen, sie müssten hierfür minimal eines davon oder aber, maximal, alle haben. Zudem gestaltet sich eine Feststellung dieser Eigenschaften bei allen anderen Spezies als schwierig. Nachweise oben genannter Eigenschaften sind an die Subjektivität gebunden. Wir werden beispielsweise niemals wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Dies entzieht sich ganz einfach unserer Vorstellungskraft. Vielmehr können wir immer nur aus unserer (ganz individuellen) Sicht Hypothesen darüber anstellen, d. h. wir gewinnen immer nur eine Außenansicht. Eine Innenansicht bleibt uns prinzipiell verwehrt. Zum einen sei hier abermals auf die bereits erwähnte kognitive Begrenztheit unsererseits verwiesen, und zum anderen kann uns niemand garantieren, dass Tiere all das und nur das haben, was wir an ihnen feststellen können. ‘Wir sind Naturprodukte wie alle anderen Lebewesen auch. Die Welt richtet sich genausowenig nach unseren kognitiven Begrenzungen wie nach denen der einfacheren Lebewesen, um die es hier geht.’ (Tye, 1999) Laut der britischen Ethologin Marian Stamp Dawkins ist Denken das Sich-Befassen mit inneren Bildern oder Vorstellungen von Objekten oder Ereignissen. Es kann zum Vergleich zweier Vorstellungen führen und macht eine Beurteilung oder Abwägung der Folgen möglich, also ein Vorausahnen des Unerwarteten bzw. die Berechnung von Handlungsmöglichkeiten. Um Denken bei Tieren feststellen zu können, muss man herausfinden, wie Tiere in neuen Situationen reagieren und ob und wie sie damit umgehen können. Denken und Intelligenz stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Die Fähigkeit des vorausschauenden Denkens ist laut Dawkins ein Kriterium für die Zuschreibung ‘echter Intelligenz’. Sie konnte zeigen, dass beispielsweise bereits Tauben Extrapolation beherrschen, Ratten in Grundzügen Zählen können und Graupapageien nicht nur wirklich Zählen, sondern auch Abstrahieren können. Zwei Forscherinnen von der Duke University in Durham fanden vor wenigen Jahren heraus, dass Rhesusaffen im Kopfrechnen nicht schlechter abschneiden als Studenten. Aber nicht nur Vögel und Säugetiere liefern solche Zeugnisse für Denken und echte Intelligenz. Das Sammeln von Objekten etwa, um sie später als Werkzeug zu benutzen, ein Indiz für vorausschauendes bzw. planendes Handeln, beherrschen z. B. auch Kraken. Sie haben unter allen Weichtieren das am besten ausgebildete Gehirn und gelten als äußert intelligent und lernfähig. Beispielsweise beherrschen sie Imitationslernen, also das Erlernen von Werkzeuggebrauch allein durch Beobachtung, ohne es selbst zuvor erprobt zu haben. Während also auch Mollusken echte Intelligenz zeigen, scheinen sich Insekten hingegen nur intelligent zu verhalten, ihre Intelligenz wird überschätzt. Denn das entscheidende Kriterium der Verhaltensflexibilität haben sie allem Anschein nach nicht. Um also tierische Fähigkeiten wie kognitive Prozesse an denen von Menschen zu messen oder mit ihnen vergleichen zu können, wäre es ratsam, von verschiedenen Arten dieser kognitiven Prozesse auszugehen. Beispielsweise ließe sich Intentionalität nach dem Schema des Philosophen Daniel Dennett in drei Stufen unterteilen, wobei die erste Stufe ein simples Reiz-Reaktions-Muster darstellt, die zweite einen perspektivischen Zugang zu den Gegenständen in der unmittelbaren Umgebung beinhaltet und die letzte bereits einen genuin intentionalen Zustand darstellt, bei dem auch auf die Meinung eines anderen in die Situation involvierten Lebewesens Bezug genommen wird. Dominik Perler ist sogar der Ansicht, dass es verschiedene Arten des Denkens (bzw. Kognition) gibt. Die Art und Weise des Denkens, die man einem Schimpansen zuschreibt, muss nicht dieselbe sein, wie wir sie Menschen zuschreiben. Geist zu haben ist für ihn die Voraussetzung für Denken, wobei er mit Geist diejenigen Fähigkeiten wie etwa Emotion und Kognition bezeichnet, welche unser Handeln steuern. Während Menschen sich durch Sprache und Vernunftbegabung auszeichnen, können andere Lebewesen andere Dinge besser. Für Perler gibt es daher nicht nur eine einzige Form von Geist, sondern jede Gattung besitzt ihre eigene […]

Über den Autor

Sabine Tischler, geboren 1976 in Schärding, begann sich nach erfolgreichem Abschluss ihres ersten Studiengangs in Informatik verstärkt für Philosophie zu interessieren. Diesen zweiten Studiengang schloss die Autorin 2007 mit dem Grad der Magistra Artium ab und vervollständigte ihn 2013 mit einem Doktortitel. Zeitlebens hat sie sich für das Schicksal anderer Tiere interessiert und so konzentrierte sie sich immer mehr auf die Thematik der Praktischen Philosophie. Unnötiges Leid zu vermindern oder gar zu verhindern sollte nach Meinung der Autorin eine generelle Lebenseinstellung sein, nicht zuletzt, um die umfassenden Probleme der heutigen Zeit in den Griff zu bekommen. Die anthropologische Basis für solch eine Einstellung und ein möglicher Lösungsansatz für die Moralparadoxien im Hinblick auf nichtmenschliche Tiere werden im vorliegenden Buch beschrieben.

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ISBN: 978-3-95935-596-4
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