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  • Der Bildungsroman im Zeitalter der Pop-Literatur. Christian Kracht und Wolfgang Herrndorf

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Hochkonjunktur des Pop in den 90er Jahren und zu Beginn des 21.Jahrhunderts verebbte schnell. Doch Pop ist auch heute noch nicht wegzudenken und im Grunde zu einer omnipräsenten Nebensächlichkeit geworden, die auch vor der Literatur nicht Halt macht. Literarische Gattungen aller Art finden Zugang zur Pop-Kultur und umgekehrt auch, finden sich doch in Bildungsromanen – oder Werken, die zumindest Züge solcher tragen – zahlreiche Elemente dieser oftmals verpönten und andererseits dennoch hochgelobten Kultur. Vor allem die Werke des als Initiator der deutschsprachigen Pop-Literatur geltenden Neuzeit-Autors Christian Kracht sind exemplarisch für derlei literarische Potpourris. Doch auch Wolfgang Herrndorf schuf mit Diesseits des Van-Allen-Gürtels und In Plüschgewittern im Grunde den literarischen Pop der Neuzeit im Zwischenspiel von Parodie, Zynismus und radikaler Realität. So wie Diesseits des Van-Allen-Gürtels , In Plüschgewittern , 1979 und Faserland hier sowohl als Beispiele und Gegenbeispiele für pop-literarische Bildungsromane genannt werden, so sind sie zeitgleich repräsentativ für zwei der renommiertesten deutschsprachigen Autoren der literarischen Gegenwart. Zu diesem Zweck bietet dieses Werk einen Einblick in die Thematik der Pop-Literatur und des Bildungsromans im Allgemeinen und untersucht die oben genannten Werke exemplarisch im Hinblick auf deren Merkmale.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3. Neue deutsche Pop-Literatur: Den Begriff der Pop-Literatur auf eine einheitliche und allgemeingültige Definition zu dezimieren, ist ein nahezu aussichtsloses Unterfangen er scheint beinahe endlos dehn-bar zu sein , sodass alles oder nichts Pop sein könnte (Diederichsen 2013, S.188). Eben-so wie auch der Begriff des Bildungsromans mannigfaltig ist (s.o.), scheint auch eine Definition von Pop-Literatur – auch schon des Begriffs Pop an sich – schwierig. Schwierig ist es, weil sich hier viele Aspekte, die keineswegs konvergieren, zum Teil sogar widersprüchlich, aber wiederum auch nicht immer scharf voneinander abgrenzbar sind, überschneiden, weshalb solch differente Konzeptionen ebenfalls eine divergierende Eingrenzung implizieren, wie im weiteren Textverlauf deutlich werden wird (Goer/Greif 2013, S.09). Etymologisch betrachtet ist das autonome Lexem Pop auf den Begriff populär zurückzuführen. Im Zusammenhang der angloamerikanischen Literatur- und Sozial-wissenschaft gilt die so genannte popular culture als Gegenstück zur elitären oder Hochkultur und grenzt sich so von dem Herkömmlichen ab (Kendel 2005, S.31). Auf Grund der Thematiken und des Stils des Pop stimme ich der Hypothese zu, dass der Begriff der Pop-Literatur als neologistisches Wortspiel aus den Termini popular culture und Pop-Art im Zusammenhang der Klassifizierung des Lexems Pop als Derivat von populär und des onomatopoetischen Innuendo auf das englische Verb to pop, welches so viel wie knallen oder platzen bedeutet, zu verstehen ist (Ebd., S.32). In diesem Sinne unifiziert der Begriff Pop-Literatur so gesehen eine gewisse rebellisch-subversive Dimension mit einem ebenso provokanten und explosiv-revolutionären Gestus (Ebd.). Zusammengefasst könnte Pop im Grunde also beinahe alles sein und bedeuten , sicher ist nur, dass es im Grunde zersplittert, in sich [oft] widersprüchlich und im ganzen [!] eher diffizil wirkt (Wenzel 2011, S.14). Im Folgenden sei jedoch trotz allem der Versuch gewagt, zumindest grob aufzuzeigen, welche Merkmale einer als Pop betitelten Literatur zu Grunde liegen und was – zumindest in Ansätzen – unter Pop zu verstehen ist. Wie bereits konstatiert ist sich die Literatur hinsichtlich einer Begriffsdefinition uneinig, doch beinahe allen Ansätzen gemein ist die Deskription von Pop im Zusammenhang des Aspekts der auffällig bunten, auf eine [überwiegend] jugendliche Käuferschaft abzielende Präsentation (Paulokat 2008, S.15). Zuallererst sind in diesem Sinne schlichtweg neue, andersartige und vor allem auffällige Formen der Inszenierung das Ziel von Pop, was sich natürlich auch auf die Literatur auswirkt. Will man dabei von einer Historik der Pop-Literatur sprechen, so sei angemerkt, dass erste Ansätze des Pop im 20.Jh. in Anlehnung an den Dadaismus entstanden, geprägt wurde der Begriff erstmals durch den amerikanischen Medientheoretiker Leslie A. Fiedler gegen Ende der 1960er Jahre (Hasbach 2010, S.21). Etwa in den 50er Jahren formierte sich in den USA bereits die Gruppe der so genannten Beat Generation, die als Außenseiter einer sehr freizügig und tabulos praktizierten Hetero-, Homo- und Bisexualität der Literatur neue Einflüsse brachte und unverhüllt zuvor tabuisierte Thematiken wie Sex, Elend und Drogenmissbrauch im Zusammenhang alltäglicher Gegebenheiten und Gegenstände darstellte (Vgl.: Obst 2002, S.08f). Mit ihrem provokanten und obszönen Sprachgestus konstituierten sie das Lebensgefühl der späteren Hippie-Bewegung, und spätestens mit J. D. Salingers The Catcher in the Rye war Pop endgültig in der Literatur angekommen und die Mauer zwischen [zuvor] elitärer Hoch- und populärer Massenkultur wurde eingerissen (Ebd., S.10). Jene oppositionelle Haltung stellte nahezu einen Umsturz der [bis dato] existierenden literarischen Verhältnisse dar und kann in diesem Sinne als eine Art vielleicht schon rebellische[r] Gestus verstanden werden (Seiler 2006, S.27f). In den 60er Jahren begannen die neuen tabulosen Einflüsse auch in Deutschland Fuß zu fassen, thematisiert wurden nicht nur bis dato verpönte Thematiken, sondern die Literatur war auch geprägt von Protest sowie gesellschaftlicher Kritik (Hasbach 2008, S.13). Die Literatur des Pop wird hier als ästhetisch, sozial, politisch und ökonomisch vielschichtiger Diskurs innerhalb der Gegenwartskultur verstanden, der im Sinne eines engeren Kulturbegriffs auf künstlerischen Ausdrucksformen wie Musik, Literatur, bildenden Künsten und Film basiert (bereits hier wird der multimediale Kern des Pop, auf den später noch verwiesen wird, deutlich Goer/Greif 2013, S.10). In diesem Sinne versteht Diederichsen Pop als eine freundlich-höhnische Präsentation aufklärerischer Dialektik (Diederichsen 2013, S.192). Zum richtigen Boom kam es in Deutschland jedoch erst in der Zeit der 80er und 90er Jahre, in der die Populärkultur in Deutschland nahezu zum Mainstream avancierte (Obst 2002, S.15f). Auch wenn die Autoren der 90er im Vergleich zu denen der 60er divergente Ansätze verfolgen, vielleicht noch radikaler und provozierender, noch offener und zeitgleich noch oberflächlicher scheinen, es ihnen im Grunde um ein Rezipieren und Reflektieren der Gegenwart (in all ihren möglichen Facetten) geht – so Jörgen Schäfer –, lassen sich dennoch beide Generationen unter dem einen großen Nenner Pop zusammenfassen (Seiler 2006, S.29f). Im Fokus des so gesehen modernen Pop stehen nun nicht mehr offene Kritik und politisches Engagement, sondern sowohl Kriterien der Unterhaltung als auch v.a. der abbildenden Realismus-Treue und der Repräsentation von Adoleszenz-Thematiken (Vgl.: Hasbach 2010, S.14) vorherrschendes Sujet ist hier nun eine Form des leichten, ironischen, oberflächlichen Lifestyle -Kults (Kendel 2005, S.33). Auf Grund dieses Bruchs zwischen dem Pop der 60er bis 80er und dem Pop der 90er Jahre plädiert Diederichsen für eine Segmentierung in die beiden Phasen Pop I und Pop II. Diese Einteilung sei hier zwar angemerkt, im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird jedoch auf die Selbige verzichtet bzw. diese nicht weiter beachtet, da sie für die weitere Analyse irrelevant ist (Diederichsen 2013, S.242). Als Initiator der (90er-)Pop-Literatur in Deutschland gilt bis heute Christian Kracht mit seinem Debütroman Faserland, der stark an Bret Easton Ellis' American Psycho, welcher in den USA für Furore sorgte, erinnert (Seiler 2006, S.276). Als literarischer Höhepunkt der deutschen Pop-Literatur gilt das 1999 publizierte Werk Tristesse Royale, in dem Kracht zusammen mit Benjamin von Struckrad-Barre und anderen jungen Pop-Autoren in einer Form der Selbstinszenierung ein fiktives Fin-de-Siècle-Gespräch im Berliner Nobelhotel Adlon inszenieren, wobei der Fokus im Wesentlichen eher auf der Rezeption als auf dem Ereignis bzw. dem Diskurs als Handlung an sich liegt, weshalb es oftmals als fast schon inhaltsleeres Oberflächendebakel diffamiert wurde (Ebd.). An Hand dieses Beispiels zeigt sich jedoch gut, welche Thematik der (modernen) Pop-Literatur zu Grunde liegt: Es geht in gewisser Weise um eine Form des Dagegensein[s] und zeitgleichen Dabeiseins , d.h. es geht in gewisser Weise auch weiterhin um die Ablehnung kollektiver Ideale der Gesellschaft (Ebd., S.277). Prinzipiell ist es die meist zynisch-provokante und auch abwertende Lebenshaltung bzw. Beschreibung desselbigen und der Welt aus Sicht eines Außenseiters, der sich einerseits bewusst abzugrenzen versucht und andererseits dennoch Anschluss in irgendeiner Form sucht bzw. im Wesentlichen zunächst einmal sich selbst erst wirklich finden muss. Zwingender Bestandteil eines jeden Romans ist dabei immer ein direkter und unmittelbarer Gegenwartsbezug, der nicht davor zurückschreckt, auch aktuelle Problematiken radikal und nicht verharmlosend aufzuzeigen (Hasbach 2010, S.11).

Über den Autor

Stefanie Weber wurde 1990 in Recklinghausen geboren. 2010 machte sie ihr Abitur am Heinrich-von-Kleist-Gymnasium in Bochum und begann anschließend ein Studium der Germanistik und Romanischen Philologie (Spanisch) an der Ruhr-Universität Bochum, das sie 2014 mit dem Bachelor of Arts abschloss. In den folgenden zwei Jahren absolvierte sie ebenfalls an der Ruhr-Universität ein weiterführendes Studium der Germanistik und Romanischen Philologie (Spanisch) sowie der Erziehungswissenschaft und Latein im Nebenfach. 2016 schloss sie ihr Studium mit dem Master of Education ab und ist heute Lehrerin für Spanisch und Deutsch. Neben einigen weiteren Werken zu Kracht und Herrndorf veröffentlichte sie auch Abhandlungen über klassische Literatur, Linguistik und landeskundliche Thematiken, sowohl in deutscher als auch in spanischer Sprache.

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