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  • "Das Böse" im Religionsunterricht: Mit Kindern und Jugendlichen theologisch reden über Tod, Leid und Theodizee

Pädagogik & Soziales


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Böse ist schwer zu definieren. Es ist allgegenwärtig, aber seine Wahrnehmung und Bewertung ist oft verdreht und widersprüchlich. Gerade deshalb ist der Umgang mit dem Leid, die Öffnung für seine Problematik so wichtig. Die Welt ist nicht gut, und das wirft viele Fragen auf. Die meisten Erwachsenen haben im Laufe ihres Lebens Strategien entwickelt, um mit dem sie betreffenden Negativen umzugehen. Kinder und Jugendliche aber sind erst noch dabei ihre Umwelt richtig einschätzen und ihre Lebenseinstellungen definieren zu lernen. In jeder Lern- und Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen begegnen uns entsprechende Fragen. Wieso gibt es Ungerechtigkeit? Warum tut niemand etwas dagegen? Woher haben die Menschen den Willen, Böses zu tun und wer sollte sie daran hindern? Kinder stellen diese Fragen, für die wir Erwachsenen keine eindeutigen Antworten haben und sind - verständlicherweise - mit dem Ergebnis oft unzufrieden. Dabei sind viele Antworten bereits vorhanden und zwar in den Kindern selbst. Man muss nur den richtigen Weg finden, sie herauszubekommen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Gott und das Leid – Didaktische Aspekte: 3.1, Entwicklungspsychologische Grundlagen und Modelle: Nachdem nun eingehend versucht wurde zu erklären was das Leid denn nun eigentlich sei, muss nun im Mittelpunkt stehen, wie Kinder und Jugendliche überhaupt Leid wahrnehmen und selber leiden. Dabei will ich darauf eingehen, wie Kinder verschiedener Altersgruppen trauern bzw. Verlust hinnehmen, was sie als gerecht empfinden, und welche Rolle dabei das Gottesverständnis einnimmt. Im Anschluss werde ich anhand verschiedener früherer Untersuchungen ergründen, ob und in welchem Maße die Theodizeefrage für Kinder und Jugendliche heute noch von Bedeutung ist. Im letzten Punkt möchte ich aus schulischer Sicht darauf eingehen, welche Kompetenzen aufseiten der Schüler gefördert werden können und müssen, und welche relevante Bedeutung sich daraus für den Unterricht und das verwendete Material ergibt. Dass Kinder trauern, daran gibt es keinen Zweifel. Nur ist manchmal die kindliche Trauer für Erwachsene schwer nachzuvollziehen, zu verstehen und zu deuten. Matthias Günther gibt in seinem Buch Eltern und Erziehern Hilfestellung, wenn es darum geht den kindlichen Trauerprozess einzuschätzen. Für die Schulzeit von Bedeutung sind dabei die Stufen der Kindheit, Frühadoleszenz und Adoleszenz. Und obwohl man bei solchen verallgemeinernden Übersichten immer den individuellen Entwicklungsstand des Schülers berücksichtigen muss, so finden wir darin doch einen ersten Eindruck und Leitfaden. Kindheit (6-12 Jahre). Ab der Schulzeit verstehen die Kinder mehr und mehr die Erfahrung des endgültigen Verlustes beim Tod eines Menschen. Verstorbene sind nicht am nächsten Tag wieder lebendig, sie sind nicht ‘verreist’ oder ‘irgendwie tot’. Das Verständnis für die Unausweichlichkeit des Todes wächst, und damit auch der Gedanke, dass man selbst sterben muss – hier liegt die Herausforderung der Altersstufe. In diesem Alter haben viele Kinder bereits Vorerfahrungen mit Verlust und Abschied, sei es durch den tatsächlichen Tod eines Haustieres oder der Großeltern, oder durch den Verlust eines geliebten Gegenstandes (Kuscheldecke, Schnuller etc.), Ortes (durch Um- und Wegzug) oder lieben Freundes. Die beste Hilfe bei trauernden Kinder kann es sein, sachlich-nüchterne Informationen zum Sterben zu sammeln und den Abschied mitzugestalten: das gibt dem Kind das Gefühl, Kontrolle wiederzugewinnen, die es durch den Tod verloren zu haben glaubte. Letztendlich wird dadurch der Verlust akzeptiert. Das heißt nicht, dass der Verstorbene aus der Gedanken- und Gefühlswelt des Kindes verschwindet, sondern vielmehr, dass er auch weiterhin in begrenzter Form am Leben des Trauernden teilhat (zum Beispiel: ‘Mama passt jetzt vom Himmel aus auf mich auf.’). Frühadoleszenz (12-16 Jahre). In den Klassen der höheren Schulformen finden wir bereits verstärkt ein ausgereiftes gedankliches Konstrukt vom Tod (vgl. 2.1.3). Bestehende Ängste den Tod betreffend werden aber oft verdrängt oder verleugnet, und eine offene Auseinandersetzung mit der (eigenen) Sterblichkeit wird oft abgelehnt. Die Herausforderung dieser Altersstufe liegt in der parallel stattfindenden Entwicklung eines neuen Person-Umwelt-Verhältnisses. Der Jugendliche löst sich aus den alten Bezugssystemen, wie der Familie oder Gemeinde und wendet sich verstärkt seinen Peers oder bereits ersten Beziehungspartnern zu. Der Rückhalt innerhalb der neuen Bezugssysteme kann in Konfliktsituationen aber noch unzureichend sein, während die Hilfe aus den ‘alten’ Personengruppen bewusst abgelehnt wird, sodass bei Trauer auf noch nicht stark entwickelte eigene Strategien zur Bewältigung zurückgegriffen werden muss. Adoleszenz (16-18 Jahre). Mit dem wachsenden Gefühl von Verantwortung für das eigene Leben und das anderer steigt in Konfliktsituationen auch die Chance, dass sich Schuld- und Ohnmachtsgefühle entwickeln. Der junge Erwachsene gesteht sich die Möglichkeit ein, gegen Unrecht und Leid vorgehen zu können. Kann sich diese Möglichkeit aber nicht entfalten oder bleibt sie ergebnislos, kann das neue Krisen hervorbringen. Allerdings stehen den Schülern auch mehr personale und soziale Kompetenzen zur Verfügung, neue Bezugssysteme sind gefestigt, man kann auf bereits gemachte Erfahrungen zurückgreifen. Was von Kindern und Jugendlichen als Leid erfahren wird, hat auch viel damit zu tun, was sie als gerecht empfinden. Ungerechtigkeit ist ein Anlass für Trauer, und Strafe wird eher akzeptiert, wenn sie gerecht erscheint. Lawrence Kohlberg (1927-1987) hat in seiner Forschung über die Entwicklung der Moral trotz aller (mitunter angebrachter) Kritik viele wertvolle Erkenntnisse gewonnen und dabei besonderen Wert auf das Verhältnis von Gerechtigkeit und moralischem Handeln gelegt. Seine Stufentheorie sei im Folgenden beschrieben, wobei parallel stets verwiesen werden soll auf die Theorien zur religiösen Entwicklung von Fritz Oser und Paul Gmünder. Vorkonventionelles Niveau. Auf dieser Stufe ist Gerechtigkeit fair und moralisch gut – für mich und für mein Gegenüber. Getreu dem Motto: ‘Eine Hand wäscht die andere’, oder ‘wie du mir, so ich dir’. Wer richtig handelt, wird belohnt wer falsch oder böse handelt, wird bestraft. Eine enge Verbindung gibt es hier zum alttestamentlichen ‘Tun-Ergehens-Zusammenhang’: Leid ist die unausweichliche Folge meines eigenen schlechten Handelns. Oder anders gesagt, wenn ich mich gut verhalte und alles richtig mache, dürfte mir eigentlich nichts Schlechtes zustoßen. Die Grenzen dieser Stufe liegen auf der Hand – wenn ich alles richtig gemacht habe, ein guter Mensch war, wie kann mir dann trotzdem etwas Böses widerfahren? Passend dazu finden wir die Stufe 1 und 2 der religiösen Entwicklung: Gott kann belohnen und bestrafen, aber mitunter kann ich Ihn beeinflussen. Wenn ich also immer zu Gott bete, dann habe ich ‘etwas bei ihm gut’. In Fachkreisen nennt man diese Stufe auch ‘Do ut des’ - ‘Ich gebe, damit du gibst’. Diese Einstellung gilt für zwischenmenschliche Handlungen (‘Ich habe dich zu meinem Geburtstag eingeladen, also musst du mich auch einladen’), wie für das Verhältnis Gott-Mensch (‘Ich war am Sonntag in der Kirche, also macht Gott sicher, dass die Fragen im Mathe-Test einfach sind, wenn ich Ihn drum bitte’). Konventionelles Niveau. Auf dieser Stufe gilt nicht mehr nur das eigene Interesse, sondern gerecht und gut ist, was Eltern, Freunde, Gesellschaft als gutes Verhalten von mir erwarten. Die Gerechtigkeit wird durch vorgeschriebene Regeln erzeugt und bewahrt. Sie ist ein Grundpfeiler der Gesellschaft in der wir leben, und ohne Gesetze oder durch das Nicht-Einhalten der Gesetze würde die Gesellschaft ungerecht und böse. Das höchste Prinzip ist das von Recht und Ordnung, alles was davon abweicht, das ‘tut man nicht’. Passend dazu: Stufe 3 der religiösen Entwicklung und der Atheismus. Gott hilft den Menschen nicht, denn er greift bei Ungerechtigkeit nicht (bestrafend) ein. Schlimmer noch, wenn es ihn gibt, dann lässt er das Böse in der Welt zu, obwohl er es verhindern könnte. Wahrscheinlicher ist aber, dass es ihn gar nicht gibt. Gesetzliche Strafen hingegen sind gegenwärtig und daher wirksam. Der Mensch muss Ungerechtigkeit und das Böse selber bekämpfen, da es im Machtbereich des Menschen stattfindet. Der Mensch ist es also auch, der das Böse zulässt, wenn nicht sogar selber verschuldet. Gottes Machtbereich, sofern es ihn gibt, reicht nicht bis auf die Erde. Postkonventionelles Niveau. Ausschlaggebend ist das Bewusstsein, dass Gerechtigkeit und die Definition von ‘gut’ immer gruppenspezifisch, gesellschaftlich geprägt und das Ergebnis von Konsensfindungen sind. So gefundene Definitionen können unter Umständen auch nicht übereinstimmen oder sich widersprechen. Was für den einen ‘gut’ ist, mag für den anderen ‘schlecht’ sein (Beispiel Vegetarier). Allgemein gültig können, wenn überhaupt, nur universale ethische Prinzipien sein, die den meisten Menschen das größte Gute ermöglichen (Kant). Passend hierzu sind die Stufen 4 und 5 der religiösen Entwicklung. Gott hat den Menschen ihre Freiheit gegeben als Voraussetzung und Ursache für sowohl positives als auch negatives soziales Handeln. Im positiven Handeln wird transzendent erfahrbar, d.h. nähert sich das menschliche Verhalten dem Ultimaten und damit dem letztendlich ‘Guten’ an. Der gottähnliche Mensch wurde für das Richtige und Gute geschaffen, das Böse ist nur möglich durch seine gottgegebene Freiheit in Denken und Handeln.

Über den Autor

Ulrike Briehm wurde 1989 in Berlin geboren. Ihr Lehramtsstudium für die Fächer Englisch und evangelische Religion in Halle an der Saale schloss sie 2014 mit dem ersten Staatsexamen ab. Auf der Grundlage ihres eigenen Glaubens und ihrer theologischen Ausbildung beschäftigt sie sich mit den fundamentalen Fragen, die den Menschen sein Leben lang begleiten. Besonders die noch heute spürbaren Auswirkungen der DDR auf die religiöse Situation in den neuen Bundesländern regt sie dabei immer wieder zu neuen Fragen und Erkenntnissen an.

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