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Pädagogik & Soziales

Torsten Schrodt

Junge Lesben und Schwule: Eine Herausforderung für die Jugendhilfe

ISBN: 978-3-95934-500-2

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Solange Schwule Sau zu den beliebtesten Schimpfworten auf deutschen Schulhöfen gehört, sind Homophobie und sexuelle Vorurteile Alltag. Diese gesellschaftliche Situation belastet und benachteiligt besonders die jungen Menschen, die sich selbst als lesbisch, bisexuell oder schwul entwickeln bzw. entdecken. Sie haben oft (zu Recht) Angst vor Isolation, Diskriminierung und Gewalt, vor allem durch Gleichaltrige. Erst mit der Abschaffung des § 175 StGB wurde es möglich, dass sich Angebote der Jugendarbeit/Jugendhilfe mit sexuellen Vorurteilen auseinandersetzen und sich (auch) speziell an junge Lesben und Schwule richten. Nach wie vor sind nicht-heterosexuelle Jugendliche eine zu wenig beachtete Zielgruppe der Jugendarbeit/Jugendhilfe. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Lebenslagen von jungen Lesben und Schwulen und ihren Bedarfen sowie Möglichkeiten und Aufgaben der Jugendarbeit sich diesen jungen Menschen zuzuwenden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Zielgruppenspezifische Jugendarbeit für homosexuelle Jugendliche: Für die Jugendarbeit stellt die Hinwendung zu einer bestimmten Zielgruppe einen Perspektivwechsel dar. Werden doch die bestehenden Angebote in der Regel für alle Jugendlichen konzipiert. So stellt sich die Frage, ob die besondere Berücksichtigung einer einzelnen Zielgruppe sinnvoll und notwendig ist. Tatsächlich können besondere Angebote für schwule und lesbische Jugendliche der Zielgruppe, die sich aus Angst vor Diskriminierung durch herkömmliche Angebote der Jugendarbeit offensichtlich nicht angesprochen fühlt, einen wichtigen Sozialraum eröffnen, an dem sie Kontakt zu anderen schwulen und lesbischen Jugendlichen finden, sich mit ihnen über gemeinsame und individuelle Lebenslagen austauschen oder einfach nur zwanglos zusammen sein können. Besondere Angebote der Jugendarbeit bieten jungen Lesben und Schwulen einen diskriminierungsfreien Ort, an dem sie sich Ausprobieren und mit Rollen und Beziehungen experimentieren können. Hierdurch leisten sie für schwule und lesbische Jugendliche einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung. An diesem geschützten sozialen Ort kann der Jugendliche seine Persönlichkeit, nicht wie sonst überall durch Abgrenzung, sondern durch Interaktion und Identifikation bilden (Hörz, 1999: 51). Zusätzlich unterstützen Angebote wie schwul- lesbische Jugendgruppen die Bildung eines Freundeskreises, der dem Jugendlichen den wichtigen, sozialemotionalen Rückhalt bietet. Allgemeine Angebote der Jugendarbeit vermögen diese Unterstützung nicht bieten, da sich die schwulen und lesbischen Jugendlichen, z.B. in Jugendhäusern nicht des vorbehaltlosen Schutzraums sicher sein können und sich daher, wie auch sonst in der heterosexuellen Gleichaltrigengruppe eher zurücknehmen und nicht als Lesben und Schwule in Erscheinung treten. Dies begründet auch die Erfahrung von PädagogInnen in Jugendeinrichtungen, die mit dem Thema Homosexualität bei Jugendlichen in der Regel nicht konfrontiert werden. Laut Erfahrungen des Sozialwerk für Lesben und Schwule e.V. / Köln stellt es für die Jugendlichen eine Überforderung dar, ‘in einer überwiegend heterosexuellen Umgebung zu ihren Gefühlen stehen zu sollen’ (Sozialwerk nach Hark, 2001: 28). Auch widersprechen besondere Angebote der Jugendarbeit für schwule und lesbische Jugendliche nicht der Integration von Lesben und Schwulen. ‘In einer vom normativen Druck der kulturellen Selbstverständlichkeiten geprägten Gesellschaft beginnt die Integration der Nicht- Integrierten mit der Selbstbewusstwerdung im Kontext der Minderheitenkultur und dementsprechend mit der parteiischen Arbeit für die emotionalen und sozialen ‘Outlaws’’ (Hörz, 1999: 58). Wichtig ist jedoch die Netzwerkorientierung der Angebote, um den Jugendlichen, nach der Selbstbewusstwerdung z.B. über gemeinsame Veranstaltungen mit anderen Jugendeinrichtungen Gelegenheiten zu bieten, Kontakt auch zu heterosexuellen Jugendlichen zu finden und sich außerhalb des schwul- lesbischen Schutzraumes zu orientieren. In diesem Zusammenhang ist zudem zu bedenken, dass auch schwule und lesbische Jugendliche sich den größten Teil ihres Alltags in rein heterosexuell geprägten Sozialräumen (Elternhaus, Schule, Freundeskreis) aufhalten und somit nicht von der übrigen Welt isoliert leben. Der Aufenthalt in Orten der schwul- lesbischen Szene, wie z.B. schwul- lesbischen Jugendeinrichtungen bietet den Jugendlichen somit lediglich eine Ergänzung bzw. einen Ausgleich. 5., Sozialpädagogische Rahmenkonzepte für die schwul- lesbische Jugendarbeit: Bevor ich auf konkrete Angebote für lesbische und schwule Jugendliche eingehe, stelle ich 4 sozialpädagogische Rahmenkonzepte vor, die, miteinander kombiniert die Grundlage für spezielle Angebote der Jugendarbeit bieten können. 5.1, Alltags- und Lebensweltorientierung: Sinnvoll erscheint mir als Grundlage für Unterstützungsangebote für schwule und lesbische Jugendliche das, vor allem durch Hans Thiersch geprägte sozialpädagogische Rahmenkonzept der Alltags- und Lebensweltorientierung. Ziel dieses Konzeptes ist die Hinwendung der Sozialen Arbeit zu und in die Lebenswelt und den Alltag der Adressaten. Mit dem Alltag ist in diesem Zusammenhang die individuelle, komplexe und subjektiv selbstverständlich erscheinende Wirklichkeit des Adressaten gemeint. Die Lebenswelt schließt den Alltag und alle weiteren individuell möglichen Alltage des Adressaten ein und stellt somit eine Art Überbegriff dar für Lebensbereiche des Adressaten. Mit dem Rahmenkonzept der Alltags- und Lebensweltorientierung wird sowohl ein normatives Ziel für die Unterstützungsangebote, eine grundsätzliche Haltung zu den Adressaten und seinen Problemlagen und Grundlagen, bzw. eine Richtschnur für Unterstützungsangebote geliefert. ‘Ziel der Intervention ist dabei die Unterstützung bei der Konstitution eines gelingenden Alltags’ (Galuske, 2001: 142). Dieses Grundziel lässt einen hohen Interpretationsspielraum vor allem für die Adressaten von sozialpädagogischen Angeboten. Hierdurch zeigt sich, dass das Ziel nicht formuliert ist auf einen speziellen Problembereich oder Problemlagen, sondern offen ist für die alltäglichen Schwierigkeiten und Täuschungen der Adressaten. Dadurch wird die Soziale Arbeit aufgefordert sich der Komplexität des Alltages und der Lebenswelten der Adressaten zu öffnen, diese zu erfassen und auf Vereinfachungen zu verzichten (vgl. Galuske, 2001). Sozialpädagogen müssen sich daher immer wieder einlassen auf den individuellen Alltag des Menschen, und ohne Sortierung und Vereinfachung die Lebenswelt und den Alltag des Klienten, mit der dazu gehörigen Sinngebung durch das Individuum erkennen und erfassen. Bei diesem Versuch sich dem Alltag und den Lebenswelten zu nähern ist der Adressat nicht länger ‘Klient’ oder ‘Objekt’ der Analyse und Intervention, und der Sozialpädagoge derjenige, der ‘im Grunde genommen besser weiß, was für den Klienten gut ist’ (Galuske, 2001: 142), sondern wird der Adressat selbst zum Experten seiner Lebenswelt, ohne dessen Hilfe der Professionelle die individuelle Sinngebung, die Handlungsinteressen und die Alltagswelt nicht erfassen, und ohne den eine Intervention nicht gelingen kann. Das bedeutet auch, die Selbstständigkeit und die Entscheidungsfähigkeit des Adressaten zu akzeptieren und sich mit ihm gemeinsam auf den Weg zu machen, das individuelle Ziel und den individuellen Weg auszuhandeln. Der Alltag und die Lebenswelt sollten allerdings nicht nur als der Ort wahrgenommen werden, in dem die Schwierigkeiten entstehen und deutlich werden, sondern auch als der Ort, an dem genau diese Schwierigkeiten und Probleme auch gelöst und bewältigt werden können und sollen. Hierzu ist es wichtig den Alltag auch als Lernort der Klienten zu begreifen, an dem der Adressat über eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen verfügt. Die Hilfen müssen, sollen sie nachhaltig auf den Adressaten wirken und ihm neue Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten für alltägliche Schwierigkeiten zur Verfügung stellen, rückgebunden an den Alltag und die Lebenswelt sein und dürfen keine Fremdkörper darstellen. Hierzu ist es sinnvoll die Hilfen im Alltag des Klienten zu organisieren (vgl. Galuske, 2001) und Angebote möglichst ‘dort zu lokalisieren, wo die Adressaten ohnehin vorbeikommen’ (Sickendiek, 2002: 164). Um der Komplexität des Alltags gewachsen zu sein und gerecht werden zu können, benötigen Sozialpädagogen ein breites Methodenspektrum. Nur so können sie sich selbst entlasten, Verstehen sichern, Handeln planbar, sowie Erfolge und Misserfolge kontrollierbar machen. Um die lebensweltorientierte Offenheit dennoch zu erhalten, dürfen Methoden nicht als schematisch anzuwendende Technik verstanden werden, sondern vielmehr als flexibel nutzbare Instrumente (vgl. Galuske, 2001). Insgesamt halte ich dieses Rahmenkonzept für die Jugendarbeit und vor allem auch für die Jugendarbeit mit schwulen und lesbischen Jugendlichen für besonders geeignet, öffnet es doch den Blick für die Lebenswirklichkeiten der Zielgruppe. Dazu wirkt es genau durch seinen Alltagsbezug und die Präferenz zu niedrigschwelligen Angeboten wenig stigmatisierend, und unterstützt durch seine grundsätzliche Haltung gegenüber den Adressaten, die durch Akzeptanz und Solidarisierung getragen ist und den Adressaten als, im Hilfeprozess handelndes Subjekt begreift, die Selbstbewusstwerdung der Jugendlichen. Durch die präventive Haltung, die nicht festgelegt ist auf einzelne Problemlagen, ermöglicht dieses Rahmenkonzept den Adressaten individuell und ganzheitlich zu unterstützen.

Über den Autor

Torsten Schrodt (Dipl.Sozialpädagoge/ Dipl.Sozialarbeiter – M.A. Sozialmanagement) ist seit 2009 in der Jugendarbeit mit jungen Lesben und Schwulen tätig und übt seit 2009 die Position des Geschäftsführers des SVLS e.V. (together Jugendprojekte in Ruhrgebiet und am Niederrhein) aus. Seit 2014 ist der Autor Leiter der NRW-Fachberatungsstelle gerne anders! .

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