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Recht


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In diesem Buch wird die Anwendung der Nichtanwendungserlasse im Bereich des Steuerrechts kritisch hinterfragt. Diese Untersuchung erfolgt im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit. Zunächst wird das Wesen der Nichtanwendungserlasse nach seiner Historie und Vielfalt untersucht. Danach wird Bezug auf das Verfassungsrecht genommen, um die maßgeblichen Normen zu erläutern. Des Weiteren wird auf die damit zusammenhängenden Probleme eingegangen. Dabei werden verschiedene Beispiele aus der Praxis herangezogen. Die Anwendung der Nichtanwendungserlasse wird einer kritischen Prüfung unterworfen. Die Untersuchung stellt Zwischenlösungen dar, die am Ende in einem Resümee in die Gesamtlösung fließen. Dabei wird zusammenfassend dargestellt, ob und in welcher Art Nichtanwendungserlasse zulässig sind.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4., Probleme: Nach Ansicht der Finanzverwaltung bestehen an der Zulässigkeit von Nichtanwendungserlassen keinerlei Zweifel. Ihre Begründung reicht aber nicht über den Inhalt des § 110 FGO, der nur die am Verfahren Beteiligten und deren Rechtsnachfolger bindet, hinaus. Das BMF zweifelt ebenso wenig an der Verfassungsmäßigkeit von Nichtanwendungserlassen. Es verweist auf Art. 20 Abs. 3 GG, welcher der Verwaltung eine eigenverantwortliche Prüfung der Rechtsanwendung vorschreibt. Dadurch ergäbe sich das Recht für die Finanzverwaltung, selbstständig und eigenverantwortlich über die Geltung eines BFH-Urteils zu entscheiden. Nach Seewald übersieht jedoch die Finanzverwaltung in ihrer Argumentation, dass § 110 FGO nicht die Frage nach der Zulässigkeit eines Nichtanwendungserlasses beantworten kann. Außerdem, so Seewald, ist die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht bei Art. 20 Abs. 3 GG zu beenden. Auch Klein ist dieser Meinung. Denn nach § 110 Abs. 1 FGO wird das prozessrechtliche Institut der Rechtskraft geschaffen, damit der einzelne Rechtsstreit einmal ein Ende findet, nicht aber um der allgemeinen Fortbildung des Rechts Fesseln anzulegen. In wie weit Entscheidungen des BFH über den entschiedenen Einzelfall die Finanzverwaltung binden ist keine Frage nach der Rechtskraft , sondern eine Frage der Bindung an richterliches Recht, der Gewaltenteilung, der rechtstaatlichen Grundsätze und der Grundrechte. Unter diesem Gliederungspunkt werden zunächst Gedanken erfasst in wie weit Nichtanwendungserlasse nicht verfassungsrechtlich gewürdigt werden können. Dabei werden Meinungen aus der bisherigen Diskussion in der Literatur, wie auch weitere Gedanken zugrunde gelegt. Es werden Zwischenerbnisse festgehalten, woraus im Anschluss die Lösung (5.1) herausgearbeitet wird. 4.1, Missachtung rechtstaatlicher Prinzipien: Während 4.1.1.1 und 4.1.1.2 der Vollständigkeit halber erläutert werden, weil sich Nichtanwendungsgesetze als Folge von Nichtanwendungserlassen ergeben, richten sich die Ausführungen 4.1.1.3 ff. ausschließlich der Problematik der Nichtanwendungserlasse. 4.1.1, Kompetenzkonflikte der drei Gewalten: Das Prinzip der Organtreue verpflichtet jeden Spruchkörper, die höchstrichterliche Rechtsprechung anderer Spruchkörper zur Kenntnis zu nehmen, ihre Maxime für den entscheidenden Fall sorgfältig zu erwägen und eine Abweichung ausdrücklich zu rechtfertigen. Damit steht hinter dem Gedanken der Gewaltenteilung, dass diese den Missbrauch staatlicher Gewalt vermeidet. Nun lässt sich darüber streiten, in wie weit im Sinne der gegenseitigen Kontrolle auch eine Korrektur durch das stärkere Staatsorgan gemeint ist. Der Gedanke, ob die Legislative sich nicht aus fiskalischen Gründen an der von der Executive vertretenden Position orientiert, spielt eine in der Praxis entscheidende Rolle. Ist die Zusammenarbeit der Ersten (Legislative) und Zweiten Gewalt (Executive) nur eine Unterstellung oder entspricht dies der Realität? In wie weit überschreiten die einzelnen Organe der Gewaltenteilung ihre gegenseitigen Loyalitätspflichten? Auf der einen Seite wurde wie beispielweise bei der Unabhängigkeit des Richters gem. Art. 97 Abs. 1 GG, in Bezug auf Einmischungen der Executive, das Prinzip der Gewaltenteilung streng umgesetzt. Auf der anderen Seite wird es jedoch durchbrochen. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass der Gewaltenteilungsgrundsatz inkonsequent umgesetzt wird. Die verschiedenen Gewalten werden aneinander gegenübergestellt, weil die tatsächliche Handlung einer Gewalt in den Tätigkeitsbereich der anderen eingreift. 4.1.1.1, Verhältnis zwischen Finanzverwaltung und Steuergesetzgeber: Die maßgebende Norm des Art. 20 Abs. 3 GG besagt, dass die Verwaltung an das Gesetz gebunden ist (Vorrang des Gesetzes). Dies bedeutet, dass sie nicht gegen die Rechtsnormen zum Nachteil oder zum Vorteil der Betroffenen verstoßen darf. Des Weiteren ist eine Gesetzesanwendung seitens der Verwaltung verpflichtend. Andernfalls würde sich ein Widerspruch zur Gesetzesgebundenheit der Verwaltung ergeben. Das Handeln der Verwaltung erfordert eine besondere gesetzliche Grundlage (Vorbehalt des Gesetzes). Damit ist die Executive kaum sicher vor Befassungskompetenzen des Organs der Legislative. Die Legislative dürfte nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung keine Verwaltungstätigkeiten ausüben, da diese in den Tätigkeitsbereich der Executive eingreifen würde. Tatsächlich ergibt sich sogar aus dem Grundgesetz eine Verwaltungszuständigkeit für die Legislative aus Art. 87e GG. Diese gilt jedoch nur für den geregelten Fall der Eisenbahnverkehrsverwaltung. Darüber hinaus ist ein beliebiger Eingriff in die Verwaltungsfunktion der Executive nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Fraglich ist deswegen, ob Einzelfallgesetze nichtig sind, weil sie über einen ‘Schleichweg’ in den Machtbereich der Executive oder sogar der Judikative eingreifen. Dies bedeutet, dass die Legislative ein neues spezielles Gesetz erlassen kann, wodurch diese ihr pro fiskalisches Ziel erreicht, weil die Exekutive wie auch Judikative an das Gesetz gem. Art.20 Abs. 3 GG gebunden sind. Dies geschieht vor allem nachdem ein Nichtanwendungserlass ergangen ist und wird in der Praxis als Nichtanwendungsgesetz bekannt. Dies ist strittig. Jedoch geht aus dem Urteil des BVerfG vom 17.07.1996 hervor, dass der Bund sehr wohl Planungen vornehmen kann und Gesetze erlassen kann, um seine Ziele zu erreichen. Außerdem greife dadurch die Legislative nicht in den Machtbereich der anderen Gewalten ein. Der ehemalige Richter und Präsident des BFH, Spindler, sieht vor allem ein Problem darin, dass die Finanzverwaltung häufig dem Gesetzgeber deutlich die Hand führt. Oft erklären Vertreter des BMF in mündlichen Verhandlungen vor dem BFH als eine Art Erpressung, dass eine Entscheidung in eine vom BMF unerwünschte Richtung eine Gesetzesänderung begründen würde. Außerdem, so Spindler, geben Mitglieder des Finanzausschusses des Bundestags offen zu, dass es häufig für sie unüberschaubar ist, welche Regelungen im Einzelnen von dem BMF zur Verabschiedung vorgelegt werden. Zudem wird dem BMF vorgeworfen, dass es seine Ghostwriter-Funktion missbraucht und Nutzen aus der steuerfachlichen Inkompetenz von Parlamentariern zieht. 4.1.1.2, Verhältnis zwischen Steuergesetzgeber und Steuerrechtsprechung: Unter diesem Gliederungspunkt wird der Frage nachgegangen, ob sich die Legislative durch das Verabschieden von rechtsprechungsbrechender Gesetzgebung im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit befindet und ob die Rechte der Dritten Gewalt beeinträchtigt werden. Diese Überlegung wurde besonders durch die Gepräge-Rechtsprechung des BFH vom 25. Juni 1984, in welcher er eine Grundlinie zur Besteuerung von Gewerbebetrieben beschlossen hat, ausgelöst. Der Fall war dahingehend zu kritisieren, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 den §15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erlassen hat und die Gesetzesvorbereitungen bereits im Anschluss der BFH-Entscheidung folgten. Weitere Beispiele sogenannter Nichtanwendungsgesetze bilden § 4 Abs. 4a EStG, die Sätze 3 und 4 in § 361 Abs. 2 AO, die Sätze 7 und 8 in § 69 Abs. 2 FGO, wie auch die Neuregelung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Auf die Problematik der Nichtanwendungsgesetze wird im Rahmen dieser Untersuchung, wie bereits oben erwähnt, nicht tiefer eingegangen. Jedoch wird an diesen Beispielen deutlich, dass die rechtspolitische Qualität antijustiziellen Verhaltens davon abhängt, ob mit dem antijustiziellen Verhalten der Rechtsgedanke im Steuerrecht verteidigt wird oder nicht. 4.1.1.3, Verhältnis zwischen Steuerrechtsprechung und Finanzverwaltung: Erneut wird an dieser Stelle die Problematik mit einem Praxisfall verdeutlicht. Dabei wird als Beispiel die lohnsteuerrechtliche Bewertung des geldwerten Vorteils herangezogen. Nach dem BFH kommt es für die Berechnung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung eines Dienstwagens - nach der 1%-Methode für die Erhöhung nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG um monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - auf die tatsächliche Nutzung an. Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG hängt somit von der Anzahl der tatsächlich geführten Fahrten ab. Zur Ermittlung des Zuschlages sei daher eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen. Am 23.10.2008 erging ein Nichtanwendungserlass als Reaktion der Finanzverwaltung. Jedoch bekräftigte im Anschluss darauf der BFH in einem weiteren Urteil seine bisherige Auffassung. Dieses Urteil wurde am 10.12.2008 und damit mit mehr als drei Monaten Verspätung veröffentlicht. Das BMF hat am 12.03.2009 einen weiteren Nichtanwendungserlass veröffentlicht. Dieser Sachverhalt stellt eindeutig die Rechtmäßigkeit der Nichtanwendungserlasse in Frage. Ist es rechtmäßig, wenn der BFH seine Auffassung in einem weiteren Fall bestätigt und die Finanzverwaltung weiterhin mit einem Nichtanwendungserlass ohne hinreichende Gründe reagiert? Darf die Finanzverwaltung für die Besteuerung eines Sachverhalts ihre eigene Auffassung zugrunde legen, wenn sie sich lediglich auf eine differenzierte Auslegung des Gesetzes beruft? Im Folgenden sollen die einzelnen Punkte dazu dienen, am Ende ein Ergebnis über die Zulässigkeit der Nichtanwendungserlasse zu erarbeiten.

Über den Autor

Niki Pappa, B.A., wurde 1986 in Arta/ Griechenland geboren. Ihr Studium im Bereich Steuerrecht und Prüfungswesen an der DHBW Stuttgart schloss die Autorin im Jahre 2012 erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrung im Bereich des Steuerrechts. Ihre Tätigkeit motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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