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  • Die Entwicklung der Leistungsbilanzen in der Eurozone und der Zusammenhang mit der Eurokrise

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Produktart: Buch
Verlag: Igel Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 26
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Europäische Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre ist entscheidend von der Eurokrise geprägt. Zu deren Entstehung haben die Ungleichgewichte der Leistungsbilanzen der am Euro teilnehmenden Länder maßgeblich beigetragen. Die Einführung des Euros spielt hierbei eine zentrale Rolle, da unmittelbar im Anschluss die Realzinsen vieler Euroländer sanken. Dies ermöglichte, bei verschiedenen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt, einen steigenden Konsum, zunehmende Investitionen und einen Bauboom, was zu Verwerfungen der Leistungsbilanzen führte. Nebenbei wird im Buch auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Euroraum skizziert, die zum Teil als Überhitzung aufgefasst werden kann. Die Leistungsbilanzdefizite verschiedener Euro-Länder ziehen eine hohe private Verschuldung nach sich. Dies wirkt sich gerade in der Eurokrise sehr zu Ungunsten dieser Länder aus. Wegen ihrer Bedeutung in der politischen Diskussion wird zuletzt die Target2-Debatte skizziert und der Frage nachgegangen, ob die ansteigenden Target2-Salden auf die Leistungsbilanzungleichgewichte zurückgeführt werden können.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2 Kapitalströme als Einflussfaktor der Leistungsbilanz: Eine weitere, viel diskutierte These besagt, dass Kapitalströme innerhalb der europäischen Währungsunion zu der divergenten Entwicklung der Leistungsbilanzen beigetragen haben. Dieser These liegt ein neoklassisches Modell zu Grunde, welches im Folgenden kurz erläutert wird. Ausgangspunkt dieses Modells ist der unterschiedliche Kapitalbestand verschiedener Länder, der sich konkret z.B. darin äußert, dass in einem Land pro Arbeitskraft eine unterschiedliche Menge an Maschinen und/oder Produktionsanlagen zur Verfügung stehen. Besitzt ein Land mehr Maschinen oder Anlagen als ein anderes, so ist davon auszugehen, dass das Land mit dem größeren Kapitalbestand pro Kopf mehr produzieren kann und somit eine höhere Wirtschaftsleistung pro Kopf aufweist. Da aber die Grenzproduktivität des Kapitals abnimmt, kann ein Land mit einem höheren Anfangskapitalbestand mit einer zusätzlichen Einheit an Kapital weniger zusätzlichen Output erzeugen als ein Land mit einem geringeren Anfangskapitalbestand. Das wiederum bedeutet, dass ein Land mit geringem Anfangskapitalbestand überproportional von der Einfuhr von Maschinen profitiert, und mit diesem zusätzlichen Kapital ein größeres Wirtschaftswachstum als das Land mit einem höheren Kapitalbestand generieren kann. Wird nun ein Land mit geringem Anfangskapitalbestand in den internationalen Kapitalmarkt integriert, womit ein Abbau von Investitionsbarrieren einhergeht, so besteht für internationale Investoren ein Anreiz in dieses Land zu investieren, da sie aufgrund des potentiell größeren Wirtschaftswachstums eine höhere Rendite mit ihren eingesetzten Geldmitteln erzielen können. Im konkreten Fall der Eurozone bedeutet das Folgendes: Durch die Einführung des Euro werden die verschiedenen nationalen Kapitalmärkte integriert. Hierdurch entfallen grenzüberschreitende Investitionsbarrieren, besonders in Form von Wechselkursrisiken. Geht man davon aus, dass die Länder der Eurozone verschiedene Anfangskapitalbestände und somit Grenzproduktivitäten aufweisen, so lohnt es sich aus der Sicht eines Investors in das Land mit niedrigem Anfangskapitalbestand zu investieren, da hier eine höhere Rendite zu erzielen ist. Wenn man davon ausgeht, dass Deutschland einen höheren Anfangskapitalbestand als Griechenland aufweist, dann würde z.B. ein internationaler Investor einem griechischen Unternehmen Geld leihen oder Aktien von diesem erwerben. Das griechische Unternehmen erwirbt mit diesem Geld eine Maschine von einem deutschen Unternehmen. Wenn dies im großen Stil, also aggregiert über alle griechischen Unternehmen, geschieht, so erhöhen sich die Exporte von Deutschland nach Griechenland und umgekehrt fließen Geldmittel von Griechenland nach Deutschland, was die deutsche Leistungsbilanz verbessern und die griechische verschlechtern würde. Eine Studie, die sich als eine der ersten empirisch mit den oben beschriebenen Effekten im Rahmen der Euro-Einführung auseinandergesetzt hat (diesbezüglich insbesondere mit Portugal und Griechenland), ist die 2002 von O. Blanchard und F. Giavazzi veröffentlichte und in der wissenschaftlichen Literatur häufig zitierte Untersuchung Current Account Deficits in the Euro Area. The End oft the Feldstein-Horioka Puzzle?. In dieser stellen die Autoren fest, dass die Euro-Einführung und die damit verbundenen wegfallenden Wechselkursrisiken es für Griechenland und Portugal einfacher gemacht haben, sich im Ausland Geld zu leihen. Dies führte zu einer Verschlechterung der Leistungsbilanz beider Länder, wobei dieser Umstand mehr auf eine Reduktion der Sparquote denn auf eine Erhöhung der Investitionen zurückgeführt wird. Aufbauend auf dieser Untersuchung wurden weitere Studien durchgeführt, die die Auswirkungen der Investitionen auf die Leistungsbilanzen der Länder der Eurozone untersucht haben und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Da Kapitalausstattungen schwer zu messen sind, verwenden Schmitz, B. und van Hagen, J. in ihrer 2011 veröffentlichten Studie Current account imbalances and financial integration in the euro area das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt als Schätzer für die Kapitalausstattung, was damit begründet wird, dass ein geringes Pro-Kopf-Einkommen für eine geringe Produktivität und somit eine geringe Kapitalausstattung steht. Schmitz und van Hagen finden einen positiven Zusammenhang zwischen pro-Kopf Einkommen und Handelsbilanz bei der Betrachtung verschiedener europäischer Länder, was diese als Kapitalströme interpretieren. Dieser positive Zusammenhang verstärkt sich nach Gründung der Währungsunion für die Länder innerhalb der Eurozone, für die außerhalb jedoch nicht, was die Autoren darauf zurückführen, dass die Euro-Einführung tatsächlich als Katalysator für Kapitalströme innerhalb der Währungsunion gewirkt hat. Zur Überprüfung, ob, bedingt durch die Euro-Einführung, tatsächlich mehr investiert wurde, ist in Abb. 7 die Entwicklung der Bruttoinvestitionen in Relation zum BIP dargestellt. Erneut folgt die Einteilung dem bekannten Muster, bei welchem der obere Graf die Länder mit (eher) positiver, der Untere jene mit negativer Leistungsbilanz zeigt. Bis auf Belgien und Finnland hat bei allen Überschuss-Ländern der Anteil der Bruttoinvestitionen am BIP abgenommen (bei Luxemburg ist der Anteil nahezu identisch geblieben), während die Länder, bei denen die Leistungsbilanz gesunken ist, eine Zunahme der Bruttoinvestitionen am BIP aufweisen. Bei letzteren bildet Portugal die Ausnahme. Zusammen mit der oben beschriebenen Analyse von Schmitz und van Hagen ließe sich somit folgern, dass auch die Kapitalströme zur ungleichmäßigen Entwicklung der Leistungsbilanzsalden beigetragen haben, da die Länder mit niedrigem pro-Kopf Einkommen sowohl eine geringere Leistungs- bzw. Handelsbilanz, als auch eine Zunahme der Bruttoinvestitionen am BIP aufweisen, was beides mit dem oben vorgestellte Modell übereinstimmt. Besonders Finnland lohnt es genauer zu untersuchen. Die Bruttoinvestitionen Finnlands steigen ab dem Jahr 2002 rapide an. Bei erneuter Betrachtung der finnischen Handelsbilanz aus Abb. 2 zeigt sich, dass sich diese ab dem Jahr 2002 zu verschlechtern beginnt. Aufgrund der zeitlichen Übereinstimmung ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um einen kausalen Zusammenhang beider Größen handelt […]. 4.5 Bezug zur Holländischen Krankheit: Es wurde gezeigt, dass es sich als sehr problematisch bis unmöglich gestaltet, die Leistungsbilanzentwicklung auf einige wenige, unabhängige Faktoren zurückzuführen und dass diese nur im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu verstehen ist. Die wirtschaftliche Entwicklung, vor allem der südeuropäischen Länder, sowie die damit verbundenen Leistungsbilanzdefizite weisen einige Parallelen zur Holländischen Krankheit auf. Diese Analogien werden im Folgenden herausgearbeitet und, mit Ziel das Verständnis des bereits gezeigten wirtschaftlichen Verlaufs zu vertiefen, in einen ganzheitlichen Rahmen eingeordnet. Zunächst sei das Wesen der Holländischen Krankheit skizziert. Steigt das Einkommen eines Landes, zum Beispiel ausgelöst durch einen Rohstoffboom, so erhöht sich der Konsum dieses Landes. Ist das Verhältnis des Konsums von handelbaren zu nicht-handelbaren Gütern konstant, so werden Ressourcen vom Sektor der handelbaren Güter zum Sektor der nicht-handelbaren Güter verschoben, da die Nachfrage nach nicht-handelbaren Gütern in den meisten Fällen durch inländische Erzeugnisse bedient werden muss. Gleichzeitig kommt es zu einer Aufwertung der eigenen Währung, was den Export von Industrieprodukten zusätzlich erschwert und zu einem negativen Handelsbilanzsaldo führen kann. Die Aufwertung kann zum Beispiel dadurch zustande kommen, dass die abgebauten Ressourcen auf dem Weltmarkt angeboten werden und die so eingenommenen Devisen wieder in die nationale Währung umgetauscht werden, wodurch sich die Nachfrage nach dieser und somit der Preis der Währung erhöht. Zum ersten Mal wurde dieser Effekt in den 60er Jahren in Holland beobachtet, wodurch auch der Name Holländische Krankheit bedingt ist. Dort wurden große Erdgasvorkommen abgebaut, was eine Einkommenssteigerung des Landes ausgelöst und ein Schrumpfen des Industriesektors mit sich gebracht hat. Komponenten der holländischen Krankheit sind somit: Einkommenssteigerung bzw. Geldflüsse, Nachfrageanstieg, Aufwertung und (relative) Abnahme der Industrieproduktion. Nach aufmerksamer Lektüre der bis hierhin aufgezeigten Zusammenhänge sollten die Parallelen der Länder mit Leistungsbilanzdefizit zur Holländischen Krankheit bereits aufgefallen sein. Die Einkommenssteigerung ist durch ein gestiegenes Lohnniveau, sowie einer erhöhten Kreditvergabe , gegeben. Dass dies einen Nachfrageanstieg zur Folge hatte, wurde in Kapitel 4.3 gezeigt. Eine Aufwertung hat, in Form eines gestiegenen realen effektiven Wechselkurses, stattgefunden. Dass der Industriesektor nicht in gleichem Maße wie die gesamte Wirtschaft, bzw. die private Nachfrage gestiegen ist, dessen relative Bedeutung also abgenommen hat, wird im Kapitel über die Realzinsen gezeigt. In Kombination mit zu euphorischen Zukunftserwartungen, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben, resultieren die in Kapitel 3 gezeigten Handelsbilanz- sowie Leistungsbilanzunterschiede. Einem Großteil der Einfuhren von handelbaren Waren der Länder mit Leistungsbilanzdefizit stehen Ausfuhren der Überschussländer gegenüber. Die Überschüsse sind somit (zum Teil) als Konsequenz der Defizite zu betrachten, was aufgrund der räumlichen Nähe und den hieraus resultierenden geringen Transportkosten naheliegend ist. Abschließend sei zur Verdeutlichung des Vorhandenseins der Holländischen Krankheit Abb. 16 gezeigt. Diese gibt für den Zeitraum zwischen 1996 und 2007 für verschiedene Eurozonen-Länder auf der Ordinate die Veränderung des Anteils des verarbeitenden Gewerbes am BIP, sowie die Veränderung der inländischen Kredite (an den Privatsektor und Nettokredite des Staates) in Relation zum BIP auf der Abszisse an.

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