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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 244
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Deutschland ist ein Einwanderungsland - und das nicht erst seit die Politik diesen Umstand im Jahr 2006 offiziell bekannt gegeben hat. Bereits in den 50er Jahren kamen sogenannte Gastarbeiter aus Italien nach Deutschland und statt ihrer Bezeichnung gerecht zu werden und nach einem Gastaufenthalt wieder zurück in die Heimat zu kehren, blieben sie in Deutschland, gründeten Familien und brachten ein Stück ihrer Kultur mit hierher. Seit jeher leben diese Migranten und ihre Nachkommen mit und in zwei Kulturen und Sprachen. Doch was bedeutet das für die Betroffenen? Ist es eine Bereicherung oder eine Belastung? Hat sich die Beurteilung im Laufe der Jahre gewandelt? Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen befasst sich mit dem Thema Migration und Zweisprachigkeit insbesondere mit Blick auf die türkischen Einwanderer. Doch die Ergebnisse sind nicht auf andere Migrantengruppen übertragbar. Darüber hinaus beschäftigen sich zahlreiche Arbeiten damit, was Psychologen, Lehrer, Pädagogen oder andere Fachleute zum Thema Zweisprachigkeit und Integration sagen. Was aber denken die Betroffenen selbst? Wie schätzen sie selbst ihre Zweisprachigkeit und ihr Leben in und mit zwei Kulturen ein?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.3.2, Die zweite Generation: Nicht Deutsche oder Italienerin sondern sowohl als auch - Antonella Notte: 4.3.2.1, Wesentliche demographische und (sprach)biographische Daten: Antonella Notte ist 1960 in Italien geboren und im Alter von fünf Jahren mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Deutschland gekommen. Ihr Vater ist bereits fünf Jahre zuvor emigriert und hat seine Familie später nachgeholt. Sie lebten in einem Dorf, in dem Antonella aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Nach ihrer Ausbildung zur Groß- und Einzelhandelskauffrau zog sie nach Hannover, wo sie noch heute lebt und als Übersetzerin und Dolmetscherin arbeitet. Sie war lange Zeit mit einem Deutschen verheiratet, aus dessen Ehe ihr 17-jähriger Sohn stammt, mit dem sie nun alleine lebt, da ihr Mann verstorben ist. Heute hat sie einen italienischen Partner, der in Italien lebt und arbeitet. Antonella Notte besitzt die italienische Staatsbürgerschaft. Bei ihrer Ankunft in Deutschland sprach Antonella ausschließlich einen süditalienischen Dialekt, den sie nicht nur in der familiären Kommunikation, sondern auch im Kindergarten sprach. Sie betont dabei, dass sie nur einen süditalienischen Dialekt (Z. 19) sprach, was zum einen die Geringschätzung des Dialektes aufzeigt ( nur ) und zum anderen die Abgrenzung von diesem Dialekt, da sie nicht von unserem Dialekt, sondern von einem Dialekt spricht. Als zweite Sprache lernte sie dann Deutsch, wobei sie wieder betont, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch kein Italienisch konnte (Z. 20-21). Seit sie in Deutschland lebte, hat sie die Sprache des Landes auf der Straße im Spiel mit anderen Kindern gelernt (Z. 40-44) und dabei nach eigener Aussage, das Gehörte so wiedergegeben, wie sie es in Erinnerung hatte, was zum Teil phonetisch nicht ganz so einwandfrei war (Z. 47). Sie machte also noch viele Fehler und auch bei ihrer Einschulung bestanden, trotz des Sprachelernens auf der Straße, durchaus noch Verständigungsprobleme (Z. 48-49). Im Laufe der Zeit wurde das Deutsche jedoch mehr und mehr zur dominanten Sprache und verdrängte zum Teil auch den Dialekt aus der Familienkommunikation. Dies erfolgte zudem auch aus der Forderung des Vaters, dass seine Kinder die deutsche Sprache lernen sollten. Er war der Auffassung, dass sie durch das Leben in Deutschland, die deutsche Sprache lernen müssen, wohingegen sie die italienische Sprache nicht brauchen würden. Daher hat er die Kinder im Erlernen der deutschen Sprache unterstützt (Z. 219-221), den Erhalt seiner Muttersprache bei den Kindern jedoch nicht gefördert (Z. 78-82). Eine noch geringere Verwendung erfuhr der Dialekt, als Antonella nach ihrer Ausbildung als kaufmännische Angestellte gearbeitet hat und nicht mehr bei ihren Eltern wohnte (Z. 96-98). Erst als sie arbeitslos geworden ist, hat sie in der Missione Cattolica Abendkurse zur Erlangung des italienischen Schulabschlusses besucht, die sie nach zehn Monaten mit einer erfolgreichen Prüfung abgeschlossen und somit die italienische Hochsprache gelernt hat (Z. 98-107). Sie selbst behauptet also, dass sich ihre zweisprachige Erziehung im Elternhaus auf Deutsch und den Dialekt bezog, während sie das Italienische aus eigenem Interesse und getrieben von dem Wunsch, Übersetzerin zu werden (Z. 101-102), erst im Alter von 22 Jahren an einer Schule lernte (Z. 22). Zu dieser Zeit fing sie auch an, Gedichte vom Italienischen ins Deutsche zu übersetzen, wodurch sie auch mit dem Schriftitalienisch in Kontakt gekommen ist (Z. 118-120). Letztendlich hat sie Germanistik und Italianistik an der Universität Göttingen studiert (Z. 124-131), so dass sie heute über eine perfekte Kompetenz in Wort und Schrift in beiden Hochsprachen verfügt und als Übersetzerin und Dolmetscherin arbeitet (Z. 23). 4.3.2.2, Der Sozialisationsraum Familie: Die Eltern von Antonella sind im Zuge der Arbeitsmigration der 50er und 60er Jahre nach Deutschland immigriert. Beide Elternteile sind wie die meisten italienischen Migranten süditalienischer Herkunft und verfügen über ein sehr geringes Bildungsniveau. Sie haben ihre schulische Laufbahn nach der zweiten Klasse abgebrochen und sind in Deutschland als ungelernte Arbeiter (er als Straßenmeister, sie als Hausfrau) tätig. Neben Antonella haben sie noch zwei weitere Kinder, wobei Antonella altersmäßig von diesen umschlossen wird. Alle Familienmitglieder leben noch in Deutschland und eine Rückkehr nach Italien ist nie vorgesehen gewesen. Die deutsche Sprache wird von beiden Elternteilen zwar so gut beherrscht, dass sie alles allein erledigen können, also auch Behördengänge, man hört jedoch, dass es nicht ihre Muttersprache ist. Ihr Kontakt zur Familie ist ihr zwar wichtig, ihre berufliche Situation führt jedoch dazu, dass sie sich nur selten sehen. Ganz allgemein würde Antonella ihre Familie nicht unbedingt als typisch italienisch bezeichnen, sondern eher in bestimmten Situationen, wie z.B. bei Familienfeiern. Außerhalb des offiziellen Gesprächs beschreibt sie ihre Familie jedoch immer wieder als typische Migranten- bzw. Gastarbeiterfamilie, ohne dabei jedoch auf eine Höherwertung ihrer Familie zu verzichten. So betont sie z.B. nach dem offiziellen Interview sehr stolz, dass ihr Vater sogar eine Prüfung in Deutschland abgelegt habe. Die besondere Betonung zeigt, wie untypisch dies für einen Gastarbeiter ist und wertet ihre Familie damit im Gegensatz zu den typischen Migrantenfamilien auf. Auffällig ist hierbei, dass die Erzählungen des offiziellen Interviews den freien Erzählungen vor dem offiziellen Gespräch zum Teil widersprechen. Während sie ihre Familie inoffiziell (bis auf einige Ausnahmen) als typische Gastarbeiterfamilie charakterisiert, versucht sie sie im offiziellen Gespräch immer wieder von der typisch italienischen Familie in Deutschland abzugrenzen. Aussagen wie bei meinen Eltern ist es eher ungewöhnlich (Z. 139) oder meine Eltern vielleicht anders als andere Familien, äh doch tendenziell eher deutsch geworden sind (Z. 140-141), zeigen zum einen die Abgrenzung zur typisch italienischen Familie in Deutschland und zum anderen eine gewisse Assimilation in die deutsche Gesellschaft. Diese Integration in das deutsche Leben führt sie auf die Wohnsituation zurück (Z. 140 142), da sie in einem Dorf gelebt haben, in dem sie die einzigen Italiener waren und sich nicht wie die Italiener in der Stadt mit anderen Leuten aus der Heimat an bestimmten Orten wie z.B. der Missione Cattolica treffen konnten (Z. 140-150). Da sie auch kein Auto hatten und wegen der Arbeit keine Zeit hatten, konnten sie auch nicht in die Stadt fahren, um sich mit anderen Landsleuten zu treffen. Folglich hatten sie nur wenige Möglichkeiten, italienisch zu sprechen (Z. 150-151), so dass die Eltern heute sehr viel von der italienischen Sprache vergessen haben (Z. 152-155). Den süditalienischen Dialekt haben sie sich jedoch erhalten, da sie untereinander, auch wenn es sich zunehmend mit dem Deutschen vermischt hat, Dialekt verwandten und verwenden (Z. 157 161-164). Dennoch spricht sie ihren Eltern eine konservierte[r] Sprachsituation (Z. 168) zu, da sie schon lange in Deutschland wohnen und nicht oft nach Italien gefahren sind, sodass sich die dialektalen Sprachkenntnisse nicht außerordentlich weiterentwickelt haben (Z. 162-170).

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