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Religion


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Lateinamerika besitzt aufgrund seiner Geschichte eine sehr vielfältige Kultur. Die alten Zivilisationen der Maja-, Inka- und Azteken-Völker vermischten sich mit der der im 15. Jh. ankommenden Europäer und der afrikanischen Sklaven. Durch diese Inkulturation entstand eine überaus vielseitige Volksreligiosität. Der katholischen Kirche wohnt seit der Kolonialisierung auf dem lateinamerikanischen Kontinent eine Monopolstellung religiöser Art inne. Allerdings fassten aufgrund der angespannten politischen, sozialen und pastoralen Situation im 20. Jh. vermehrt andere Religionsgemeinschaften Fuß in der Gesellschaft, wie die Pfingstgemeinden oder die lokal, pastoral, laikal und politisch engagierten kirchlichen Basisgemeinden. Die Unterdrückten und Ausgebeuteten erfahren sich selbst nur als Objekte ihrer eigenen Geschichte und suchen ihre Hoffnungen und Möglichkeiten in den religiösen Gemeinschaften. Diese Gemeinschaften müssen ihrerseits die spirituellen, sozialen und politischen Gegebenheiten ihrer Umwelt erkennen und in ihre Lebenspraxis und den Glauben miteinbeziehen, um missionarisch tätig werden zu können. Wie wird diese Herausforderung in den religiösen Gemeinden umgesetzt?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Missionstheologische Überlegungen: Mission und missionarische Bemühungen können vielfältig ausgestaltet werden. Bloße Verkündigungen, massenhafte Zwangstaufen oder auch öffentliche Spektakel u.Ä. lassen sich immer wieder in der Geschichte finden. Henning Wrogemann stellt allerdings fest: ‘Religiös wird nach der Mission christlicher Großkirchen angesichts eines permanenten Mitgliederschwundes gefragt, wohingegen im globalen Szenario das Wachstum von Pfingstkirchen vermehrt sozial- und kulturwissenschaftliches Interesse auf sich gezogen hat. In diesen verschiedenen Zusammenhängen wird deutlich, dass es einer sorgsamen Wahrnehmung dessen bedarf, was missionarisches Wirken betrifft, denn dies manifestiert sich in ganz unterschiedlichen Dimensionen. (…). Mission, so wird zu zeigen sein, wird immer wieder überraschend anders gelebt und erlebt.’ Jener Sachverhalt steht hinter dem Thema dieser Studie. Es ist zu fragen, welche missionstheologischen Bemühungen die in Lateinamerika etablierte katholische Kirche betreibt und welche Ausgestaltungen diese Bemühungen erfahren. Da selbstredend nicht jede Öffentlichkeitsarbeit und auch nicht alle internen Apparate der Kirche, welche missionarischen, besser evangelisierenden Bestrebungen nachgehen, zur Gänze bearbeitet werden können, soll sich auf die Arbeit der Basis an der Basis konzentriert werden im Besonderen auf das Phänomen der kirchlichen Basisgemeinden. Die Hervorhebung der Laienfunktion, die bei den kirchlichen Basisgemeinden eine herausragende Rolle besitzt, schließt jedoch in keiner Weise ein exklusiv praxis-analytisches Vorgehen ein, noch eine theologische-theoretische Untersuchung aus. Vielmehr soll eine Verquickung dieser beiden unterschiedlichen Stränge untereinander und mit missionstheologischen Ansätzen versucht werden. Die Pfingstgemeinden wurden bereits erwähnt und sollen als Gegenpol zu den Basisgemeinden auf ihre Missionsbemühungen hin untersucht werden. Gegenpol soll hier allerdings entgegen der üblichen Konnotation nicht als konträres Beispiel angesehen werden, sondern als dialogisches Untersuchungsobjekt auf einer konfliktlosen Konfrontationsbasis. Die Auswahl der Pfingstgemeinden entstand durch dreierlei Überlegungen: Einerseits verbuchen, wie oben bereits erwähnt wurde, die Pfingstkirchen in den vergangenen Jahrzehnten - gerade in Lateinamerika - einen enormen Mitgliederzuwachs. Diesem Kuriosum nachzugehen und es zu analysieren erscheint missionstheologisch relevant und aufschlussreich. Weiterhin gibt es Zusammenschlüsse von Gläubigen zu Pfingstgemeinden. Dies ist in besonderem Maße von Interesse, da so eine gewisse Analogie zu den Kirchlichen Basisgemeinden hergestellt werden kann. Inwieweit diese Organisationsformen sich deckungsgleich verhalten oder strukturell aufgebaut sind, wird noch zu untersuchen sein. Letztlich ist noch der ökumenische Aspekt zu erwähnen. Da die Pfingstkirchen ein protestantisches Phänomen darstellen, kann durch vergleichende Beobachtungen ein interreligiöser Dialog zwischen der katholischen Kirche und den protestantischen Kirchen aufgenommen und eventuell zurückliegende Unstimmigkeiten aufgearbeitet werden. Methodisch sollen die Gemeindeordnungen untersucht werden. Dabei stehen die Mitglieder - sowohl Laien als auch Frauen, Menschen mit besonderer Leitungsfunktion und auch Institutionsfremde - und die religiöse Praxis, welche sich in private und öffentliche Ausgestaltung aufteilt, im Fokus. Die missionstheologischen Überlegungen sind in den gesamten Ausarbeitungen zu finden. Forciert werden die Missionsbemühungen beider Gemeindeformen im letzten Kapitel dieses Teiles. 3.1, Mitglieder der Gemeinden: Die einzelnen Gemeinden leben von und durch ihre einzelnen Mitglieder. Diese organisieren, beschaffen und verwenden finanzielle Mittel, leisten Öffentlichkeitsarbeiten und versuchen durch ihr Handeln den Auftrag und die Bestimmung der Gemeinde(n) zu verwirklichen. Sie stehen im Zentrum. Im Folgenden sollen die Angehörigen der Glaubensgemeinschaften auf ihre einzelnen Funktionen innerhalb der Gemeinde(n) untersucht werden. Hierbei wird eine Abgrenzung vorgenommen, bei der Bezug auf die Hierarchie der Kirche(n) genommen wird, wie die Unterscheidung Laie - Klerus. Eine weitere Abgrenzung greift weitreichender über die kirchliche Hierarchie hinaus und bezieht sich auch auf soziopolitische Kontexte innerhalb der Gesamtgesellschaft. Dies betrifft besonders die Stellung der Frau in der Gemeinde und in der Gesellschaft. Dieses Kapitel beschäftigt sich jedoch mit der Gesamtheit der Laien in den religiösen Gemeinschaften, ohne eine Unterscheidung nach Geschlecht vorzunehmen. 3.1.1, Laien in den Basisgemeinden: Laien in der katholischen Kirche sind getaufte Katholiken, welche keine kirchlichen Weihen empfangen haben. Der Begriff Laie soll in der gesamten Studie nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend im Sinne von Amateur verwandt werden, sondern im kirchenrechtlichen Sinne als Nicht-Geistlicher. Dies sagt folglich nichts über theoretische und praktische Fähigkeiten der Personen aus, sondern lediglich über die Legitimation und Qualifikation bezüglich der Mitwirkung bei der Liturgie und bei der Sakramentenspendung. In Anbetracht des Zweiten Vatikanischen Konzils, welches die Stellung der Laien gestärkt hat, wird die Forderung laut, die Laien mehr in der Subjektrolle tätig werden zu lassen. Eine weitere Bearbeitung der Funktion und Stellung der Laien bedarf eines Exkurses die Entstehung und Struktur von Basisgemeinden betreffend. Exkurs: Entstehung und Struktur von Basisgemeinden: Das Entwicklungsverfahren und die Abfolge von Prozessen, welche zu einer Basisgemeinde führen, sind nicht eindeutig zu benennen. Um dennoch einen einsichtigen Überblick zu geben, wird der induktiv erschlossene Kenntnisstand José Marins‘ erläutert. Eine Vielzahl von Basisgemeinden entstand aus dem Zusammenleben der Gläubigen in den Pfarreien. Auch kann eine pastorale Notsituation - etwa der in Lateinamerika weit verbreitete Priestermangel - zur Genese beitragen. José Marins führt fünf fundamentale Prozesse an: Nach einer geographisch- oder gruppenspezifischen Begrenzung (1) führt eine Kennenlernphase (2) von Menschen aus dem begrenzten lokalen Radius zu einem kontextuellen Hintergrund (3). Dieser Kontext muss aufgearbeitet werden und führt so zu einer realistischen Einschätzung der Probleme und Möglichkeiten innerhalb der Gruppe (4). Eine längerfristige Planung und Verknüpfung von kirchlichen Ressourcen mit den durch die ersten vier Schritte gewonnenen Erfahrungen (5) schließen den Gründungsprozess ab. Ein gemeinsames Ziel und ein gemeinschaftlicher Zusammenhalt sollten sich im Laufe der Zeit herausbilden. Dieser Prozess lässt sich an einem kurzen Beispiel verdeutlichen. Im Bundesstaat Rondônia in Brasilien versuchten sich 350 Familien eine vom Staat akzeptierte und geförderte agrarwirtschaftliche Existenz aufzubauen (1) und schlossen sich zu einer Siedlung zusammen (2). Durch Großgrundbesitzer wurden die Familien unter Druck gesetzt und bedroht auf Repressalien wollten die Bewohner allerdings verzichten (3). Es entstand eine Bewegung, die für die Familien auf legalem Weg bei der Landreformbehörde kämpft und sich für das gemeinsame Ziel der Existenzsicherung einsetzt (4). Die Landpastoral und auch ein Priester begleiten die Gemeinde und unterstützen diese etwa durch Weitergabe von Wissen zum Bau von Hühnerkäfigen und geben Hilfestellungen bei der Organisation der Gemeinde (5). Leonardo Boff beschreibt die Struktur der Basisgemeinden als eine vom hierarchischen System der Kirche losgelöste Gemeindeform, welche den Gemeindemitgliedern mehr Handlungsfreiraum lässt. ‘Die Macht in der Gemeinde ist in einer neuen, mehr Partizipation ermöglichenden Weise verteilt, so dass jede Zentralisierung und Herrschaft seitens eines Machtzentrums vermieden ist.’ Es ist wichtig aufzuzeigen, dass den Mitgliedern der Gemeinden keine Handlungs-anweisungen von oben diktiert werden, sondern dass diese - ganz im Sinne der Theologie der Befreiung - selbst zum Subjekt ihrer Handlungen werden. Leonardo Boff sieht in der Gemeinde eine Demokratie verwirklicht: ‘Auf der anderen Seite ist die kirchliche Gemeinde der Ort, an dem das Volk wirklich Demokratie praktiziert, alle anstehenden Fragen diskutiert, gemeinsam Entscheidungen herbeiführt und kritisch zu denken lernt.’ Die Folge davon ist eine Veränderung des Kirchenbildes und der gelebten Kirche: ‘Deshalb haben wir es hier nicht mehr mit einer Kirche für die Armen, sondern von Armen und mit den Armen zu tun.’ Ende des Exkurses: In dem Exkurs sind einige Funktionen der Laien angesprochen, welche nun noch weiter ausgeführt werden sollen. Meist stehen die Funktionen in direktem Verhältnis zur Selbstbestimmung und Initiative. So sind z.T. Aufgaben derart essentiell und grundlegend, dass ohne einen eigens initiierten Handlungsmoment oder das Verlangen danach seitens der Laien kaum eine Basisgemeinde entstehen kann. Sie sind also am Gründungsgeschehen zumindest partiell direkt beteiligt. Dennoch wird die Gründung an sich durch einen Priester oder einen Intellektuellen der Kirche durchgeführt: ‘CEBs are the result of an intentional pastoral work by church agents, most of whom are well educated.’ Außerdem kommen den Mitgliedern die Aufgaben der Organisation der Gemeinde und die Ausführung ihres Selbstverständnisses zu: ‘Die Basisgemeinden sind Gemeinschaften, die meist von einem Priester initiiert werden und formell unter dessen Leitung stehen. Die Organisation der Gemeinschaften liegt jedoch praktisch völlig in den Händen der Mitglieder.’ Ein großes Problem wird bei der Gemeindeorganisation durch die Entscheidungsfindung und die Zusammenarbeit von Gemeindeleitern und Gemeindemitgliedern offenbart. Die Leiter der CEBs sind in der Regel gebildeter als die Mitglieder. Cecília Loreto Mariz schildert, warum einige Marginalisierte in Brasilien nicht an den Aktivitäten der Basisgemeinden teilnehmen wollen: ‘Neci, for example, a retired black maid, said that she could not participate in CEBs because of her age and because she did not know how to express herself. Clement, a retired white rural worker, also mentioned having given up attendance at CEB meetings because people were always asking him to speak.’ Den Marginalisierten fehlen die Bildung und auch der Mut, für sich selbst vor Menschen höheren Bildungsgrades zu optieren. Aus diesem Grund werden Laien mit höherer Bildung zur Unterrichtung der Marginalisierten eingesetzt. Nicht um für die Marginalisierten zu optieren, sondern um diesen Menschen die Möglichkeit und die Fähigkeiten zu geben, für sich selbst Partei zu ergreifen. ‘Pastoral agents are aware of this problem, and the development of poor people’s verbal skills is a real goal of CEB popular education.’ Ewald Huscava erläutert mit Hilfe seiner Erfahrungen die positiven Seiten der Laien in den Basisgemeinden: ‘Überall kann es Basisgemeinden geben. Diese werden durch Frauen und Männer geleitet. Ihre Schulung erfolgt von den Pfarreien aus. (…). Darin schlägt sich die Erfahrung nieder, daß dort, wo zu viele Berufschristen und -christinnen am Werke sind, die Eigenständigkeit der Leute zu kurz kommt.’ Es wird also deutlich, dass gerade dort, wo die Laien mehr oder weniger auf sich allein gestellt sind, diese auch deutlich selbständiger agieren. Die Grenze zwischen normalen Laien und Führungspersonen in den CEBs verschwimmt und ist dadurch schwer rigoros festzusetzen. Socorro Matínez Maqueo beschreibt ebendiesen Sachverhalt: ‘Der Dienst der CEBs wird von der Gruppe aufgenommen. Denn die CEBs selbst versteht [verstehen] sich als Gemeinschaft der verschiedenen Dienstämter.’ In den Gemeinden gibt es eine Fülle von Ämtern, die alle von Laien übernommen werden. So gibt es etwa u.a. Gruppenleiter, Animadores, Monitores , Kantoren oder Katecheten. Die Aufgaben sind vielfältig und reichen von Führung und Teilnahme an Bibelkursen, Krankenbesuchen, Durchführung und Teilnahme an Wortgottesdiensten über weiterführende liturgische Praxis bis zu politischer Praxis in lokalem Umfang. Einen wichtigen Punkt nimmt auch die Verkündigung des Evangeliums ein. Diese fällt allerdings nicht ausschließlich in die Zuständigkeit von bestimmten Ämtern, sondern ist als gelebte Praxis Aufgabe von allen Laien und Mitgliedern der Basisgemeinde. Die Leitungsfunktionen und Aufgabenbereiche sind insgesamt nicht auf eine Person unter den Laien monopolisiert, sondern auf eine Vielzahl der Mitglieder verteilt. Dies fördert die Gemeinschaftlichkeit und verhindert Überforderung oder Zentralisierung. Außerdem können auf diese Weise die Mitglieder der Gemeinden je nach ihrer Funktion speziell weitergebildet werden. Trotz dieses umfangreichen Aufgabengebietes und der durchaus für die gesellschaftlichen Verhältnisse Lateinamerikas weitreichende Selbständigkeit der Laien werden diese nicht ohne Hilfe sich selbst überlassen: ‘Die Laien arbeiten eigenverantwortlich, werden jedoch von ‚ihren‘ Priestern, Ordensleuten und Hauptberuflichen in der Pastoral nie allein gelassen. Ganz im Gegenteil: Sie machen das Engagement und die Entscheidungen der Gemeinde ‚offiziell‘, kümmern sich um die Vernetzung mit anderen Basisgemeinden in der (Nachbar-)Pfarrei und um die Verbundenheiten in der Diözese.’

Über den Autor

Jonas Born wurde 1984 in St. Wendel geboren. Sein Studium der Katholischen Theologie an der Westfälischen-Wilhelms-Universität schloss der Autor 2013 mit dem akademischen Grad des Diplom-Theologen ab. Sein allgemeines Interesse an Kulturen und Sprachen verband der Autor mit dem Wunsch, durch Vergangenheits- und Gegenwartsforschung zukunftsweisend interreligiöse Dialoge zu erarbeiten.

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