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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 172
Abb.: 14
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Erste Weltkrieg gehört zu den einschneidensten Ereignissen der deutschen und der europäischen Geschichte. Er gilt als der erste ‚totale’ Krieg und stellt zweifelsohne einen Wendepunkt in der Geschichte medialer Kriegsführung und propagandistischer Beeinflussung dar. Neben einer wahre[n] Flut von literarischen Reflexionen - als Reaktion auf den Krieg von Schriftstellern und anderen Intellektuellen hervorgebracht - veränderte sich mehr oder weniger schlagartig auch der Umgang mit Musik in Konzert und journalistischer Betrachtung. Mit Ausnahme der Popularmusik-Forschung zählt der Erste Weltkrieg in der Musikwissenschaft jedoch immer noch, besonders im Vergleich zum ‚Dritten Reich’ und zum Zweiten Weltkrieg, zu den wenig erforschten Gebieten. Dies ist insbesondere angesichts der Erkenntnisse über die Formen und Mittel der Propaganda im ausgehenden Kaiserreich erstaunlich, gehört doch aus heutiger Sicht gerade die Musik zweifelsohne zu den einfachsten Möglichkeiten medialer Beeinflussung. Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zur Aufarbeitung dieser musikwissenschaftlichen Lücke leisten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2.3, Volks-, Vaterlands- und Soldatenlieder: Viele Intellektuelle der Weltkriegszeit sahen gerade in den unterschiedlichen Volksliedern - Vaterlands und Soldatenlieder seien im Folgenden dazugezählt - einen Quell glühenden Patriotismus‘ und ein Vorbild für die damals angeblich notwendige Gesinnung, um Deutschland als Kulturvolk auf den Weg des Sieges zu führen. Die Geschehnisse, die das deutsche Volk prägten, seien in einer Vielzahl von einfachen Liedern verarbeitet und für die Nachwelt konserviert worden, so Heinrich Oehlerklug-Elberfeld. Wie viele andere vertritt er die mythologisierende Vorstellung, ein Lied - also im ursprünglichen Sinne ein situativ gebundener und mündlich tradierter Gesang - habe ‘seine Quelle im Herzen des Volkes’ und verbinde die Individuen über die Zeiten hinweg zu einem fortwährenden Kollektiv. Die Rubrik ,Musikalische Kriegsrüstung‘ der AMZ stellte ab 1915 regelmäßig eine ‘Zusammenstellung des zu sogen. ,Vaterländ. Abenden‘, ,Musikal. Kriegsandachten‘, ,Kriegs-Konzertaufführungen‘, ,Gedenkfeiern‘ Brauchbaren, geistigstofflich mit diesem Gebiete irgend Zusammenhängenden’ in einer Auflistung zur Verfügung. Die Listen sind erstaunlich umfangreich und voller Neukompositionen. Ein großer Teil der aufgeführten Werke sind Lieder, Chorlieder oder größere Formen auf der Grundlage von Liedern. Zuvor hieß eine ähnliche Rubrik ,Musik aus großer Zeit‘.Die NZfM betitelte die vergleichbare Serie ,Allerhand zeitgemäße Musik‘ und führte zu einem nicht unbeträchtlichen Teil Männerchorwerke von heute meist vergessenen Komponisten auf. Später wurde die Reihe umbenannt in ,Allerhand Zeitmusik‘. Die Beliebtheit von Kriegs- und Soldatenliedern zeigt sich neben der großen Auflagenzahl von 500.000 Exemplaren, die ein Kriegsliederbuch für das deutsche Heer erreichte, auch in Werbeanzeigen für neue Ausgaben von Gesängen mit vaterländischem Inhalt, die teilweise fast ganze Seiten der Musikzeitschriften füllen. Besonders Emil Pinks Sturmlied wurde neben anderen Werken wie seinem Kriegsgebet ausgiebig beworben. Der Merker machte sein 22. Heft im Jahr 1917 sogar mit einer Neuentdeckung eines angeblich von Schubert verfassten und eigens vertonten Kriegsgedichtes mit dem Titel Auf den Sieg der Deutschen auf. Verfasst vermutlich 1813 ist es nicht mehr als eine poetisch dilettantische und in hohem Maße chauvinistische Hasstirade auf Frankreich, deren minderwertige Qualität der Verfasser des Artikels durchschaut, was die Redaktion aber nicht daran hindert, dieses Gedicht zum ersten Artikel der Ausgabe zu machen. Auch bei Betrachtung der anderen Zeitschriften stellt man fest, dass Volks- und Vaterlandslieder und die (oft nicht objektive) Auseinandersetzung mit ihnen häufig an vorderer Stelle in den jeweiligen Ausgaben platziert sind. Interessanterweise spielen Volkslieder nicht nur im privaten Rahmen, im Felde oder in theoretischen Auseinandersetzungen der Fachpublikationen eine große Rolle, sondern sind auch Bestandteile des Konzertlebens. So wird beispielsweise mit einer ganzseitigen Anzeige in der AMZ für die Duetten-Abende unter dem Titel ,Das deutsche Volkslied‘ geworben, die die Sänger Elsa und Julius Schenk gestalten. Aber auch in Orchesterkonzerten und andernorts wurde es im Laufe der Kriegsjahre zur festen Tradition, am Schluss gemeinsam - oft im Stehen - patriotische Lieder zu singen. Besonders das (Alt-)Niederländische Dankgebet mit dem Titel Wir treten zum Beten wurde bei ‘unzähligen Veranlassungen’ zur Gemeinschaftsbildung genutzt, ebenso wie die Wacht am Rhein, die z.B. bei einem Konzert in Graz mit ‘flammender Kriegsbegeisterung und Kampfeslust’ gesungen wurde. Es verwundert nicht, dass bei einer derartig großen und selbstverständlichen Verbreitung solch nationalistischer Lieder auch über ihre Ursprünge, Textfassungen u.v.m. diskutiert wurde. Was dabei jedoch erstaunt, ist die sehr sachliche Betrachtung der NZfM bzgl. des Niederländischen Dankgebets, bei der neben der lyrischen Einfachheit und der nicht zu den christlichen Werten passenden Aussage des Textes auch darauf verwiesen wird, dass jedwede eigene Erhöhung durch Erniedrigung anderer der falsche politische und musikalische Ausweg aus der derzeitigen Lage sei. Die Entlehnung des Gebets sei eine ‘pharisäische Selbstbespiegelung voll Verachtung unserer Gegner und ohne die Spur einer Selbstkritik und eines sittliches Zieles’. Wesentlich, wenngleich nicht ausschließlich vom Liedrepertoire geprägt waren die überall veranstalteten ,Vaterländischen Abende‘, die Titel trugen wie ,Jungdeutschland, sei deiner Väter wert‘ und im Wesentlichen von Solisten und Chören gestaltet wurden. Dort sang beispielsweise ein Lehrergesangverein Otto Böhmes Deutschen Michel, Mayerhoffs Kampfgesang der Deutschen und ähnliche hoch-patriotische Werke. Diese Abende konnten auch bestimmten Personen bzw. Themen gewidmet sein, wie z.B. ,Hindenburg-Abende‘ o.Ä. Die Verehrung gerade Hindenburgs bei solchen patriotischen Festveranstaltungen ging oft mit der Ludwig van Beethovens einher.

Über den Autor

Jens Christian Peitzmeier, Jahrgang 1985, erlernte bereits zu Grundschulzeiten das Orgelspiel. Es folgte das C-Examen für nebenamtliche Kirchenmusiker im Alter von 14 Jahren. Er studierte Musik und Germanistik für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Osnabrück mit den künstlerischen Fächern Orgel (Wiltrud Fuchs, Carsten Zündorf), Gesang (Sigrid Heidemann) und Horn (Heiko Maschmann). Chorleitungsunterricht erhielt er bei Joachim Siegel. Zahlreiche Konzertreisen führten ihn schon in jungen Jahren durch die nördliche Bundesrepublik. Interpretations- und Meisterkurse besuchte Jens Christian Peitzmeier bei Harald Vogel, Wolfgang Schäfer, Gerd-Peter Münden, Friederike Woebcken und Markus Utz. Er war weiterhin Gründer und künstlerischer Leiter des Frauenchors der Universität Osnabrück. Darüber hinaus arbeitete er während des Studiums viele Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft und Dozent für Klavier, Partitur- und Generalbassspiel. Seine wissenschaftliche Examensarbeit befasst sich wie einige andere musikhistorische Forschungen Peitzmeiers mit Musik im Spannungsfeld von Krieg und Frieden. Das Referendariat im Schuldienst absolviert er im Studienseminar Meppen und am Städtischen Gymnasium Nordhorn. Seit seiner frühen Jugend ist Jens Christian Peitzmeier nebenberuflich als Kirchenmusiker tätig, seit 2010 u.a. als künstlerischer Leiter der Lutherischen Kantorei Nordhorn.

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