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Gesellschaft / Kultur

Stephan Schatzler

Riten und Rituale der Postmoderne: Am Beispiel des Bistums Erfurt

ISBN: 978-3-95425-192-6

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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 176
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Inwieweit nimmt der postsäkulare Mensch Rituale wahr und ordnet diesen eine Funktion zu? Und können Rituale auch in einer Gesellschaft empfangen werden, die nahezu ohne kirchliche Sozialisation aufgewachsen ist und daher nur schwer religiöse Bezüge herstellen kann? Die Theoriebildung innerhalb der Religionswissenschaft geht von einer allgemeinen Ritualempfänglichkeit des Menschen aus. Die vorliegende, der Ritualforschung anzusiedelnde Studie soll diese These anhand eines ausgewählten Beispiels (Erfurt) verifizieren. Zudem werden Anbieter sogenannter säkularer Rituale vorgestellt. Hier zeigt sich, wie umfangreich die Thematik ist und wie stark auch der postmoderne Mensch mit Ritualen im Alltag konfrontiert wird. Darüber hinaus werden in dieser Ausarbeitung säkulare Rituale auf ihre Funktion hin überprüft. Halt, Sicherheit und Orientierung gelten als grundlegende Merkmale eines Rituals. Erfüllen auch die neuen Formen diese Funktionen? Hier rücken besonders öffentliche Trauerrituale in den Blickpunkt. Nach der abschließenden Fragestellung, ob der Mensch noch als homo religiosus einzustufen ist, kommt der Autor zu dem Schluss, dass der heutige Mensch zwar ohne Religion leben kann, nicht aber ohne Ritual…

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.5, Rituale in Unternehmen: Die ‘neuen Möglichkeiten’ der Rituale werden mittlerweile auch im Managementbereich erkannt und finden dort eine kreative Umsetzung. Die Fachzeitschrift managerSeminare befasste sich in einer ihrer Ausgaben intensiv mit dem Thema und sprach ihrerseits von einer Neuentdeckung alter Rituale: ‘Befanden sich Rituale in Unternehmen lange Zeit auf dem Rückzug, hat sich diese Entwicklung jetzt umgekehrt. gar von einer Renaissance der Rituale ist die Rede. Während Organisationsforscher noch die Grammatik der neu erwachten kollektiven Gewohnheiten entschlüsseln, nutzen Manager sie längst als Steuerungsinstrument. Vor allem in einem Bereich, den man mit Ritualen wohl als Letztes in Verbindung bringt - dem des organisationalen Wandels.’ Unternehmen setzen verstärkt im Bereich Mitarbeiterführung auf Rituale und nutzen somit deren integrative Funktion. Fanden Firmenjubiläen, Einstellungen neuer Mitarbeiter, Fusionen und Umstrukturierungen früher eher beiläufig statt, so bilden sie heute wichtige Übergangsphasen im Betriebsablauf. In Zeiten hoher Flexibilität und drohendem Arbeitsplatzverlust gilt es, dem Mitarbeiter ein Gefühl von Zugehörigkeit, Wertschätzung und Sicherheit zu vermitteln. ‘Durch Fusionen, Akquisitionen, Outsourcing, Aus- und Eingründungen verschwimmen die Unternehmensgrenzen immer mehr.’, so die Worte der Soziologin und Topmanagement Beraterin Dorothee Echter. Vielen Beschäftigten gehe damit ein Stück Halt verloren. Sie fühlen sich im luftleeren Raum. Rituale können helfen, diese Leere zu füllen. Dabei könne schon die Raucherecke, der Kantinenbesuch oder das tägliche Treffen am Kaffeeautomat eine soziale Funktion erfüllen. In bestimmten Fällen besäßen diese alltäglichen Dinge eine soziale Relevanz, die über den offensichtlichen Zweck hinausgehe. Häufig reiche es aus, wenn die soziale Funktion eines Rituals das Zugehörigkeitsgefühl stärke und somit die ‘Wir-Gruppe’ von der ‘Die-Gruppe’ abgrenzt. Ein weiteres wichtiges Ritual für den sozialen Zusammenhalt innerhalb eines Unternehmens bildet die Weihnachtsfeier. Andrea Belliger, Leiterin des Instituts für Kommunikationsforschung an der Universität Luzern, attestiert der Feier einen sozialen Sinn: ‘Die Ordnung wird gefestigt - indem sie aufgelöst wird.’ Belliger betrachtet die Feier aus ethnologischer Perspektive und sieht in ihr die klassischen drei Phasen eines Übergangsritus. Im Moment der Feier lösen sich die Teilnehmer aus ihrem Status. Führungskräfte sitzen am gleichen Tisch wie ihre Mitarbeiter. In der Schwellenphase werden die Statusunterschiede aufgehoben. Manager plaudern mit Angestellten über private Angelegenheiten. Die dritte Phase ist die Wiederangliederung. Dies geschehe am nächsten Werktag, an dem alle wieder die üblichen Umgangsregeln beachten würden. Das Ritual habe damit seine Aufgabe erfüllt: ‘Konturen, die einzelne Personen in der Hierarchie voneinander abgrenzen und die über die Zeit unscharf geworden sind, werden durch den Kontrast des Verhaltens auf der Feier und im darauf folgenden Arbeitsalltag wieder deutlich sichtbar.’ Der Wirtschaftspädagoge Dr. Tobias Büser (geschäftsführender Gesellschafter des Weiterbildungsinstituts new management concept) beschäftigt sich mit den neurologischen Hintergründen von Ritualen. Von Ritualen, da ist sich Büser sicher, geht eine große Kraft aus: ‘Dass Rituale eine viel größere steuernde Wirkung als sprachlich-kognitive Botschaften haben, liegt daran, dass sie neben dem Neokortex verstärkt auf das limbische System wirken und dort weitgehend unbewusste Emotionen hervorrufen.’ In Indonesien beginnen Business-Veranstaltungen beispielsweise häufig mit Gesang, der als Teil der Inszenierung gesehen werden kann. Die Organisationsethnologin Susanne Spülbeck deutet dieses Ritual als Mittel zur Konfliktvermeidung, da mittels des Gesangs eine gemeinsame Metaebene geschaffen wird, auf der persönliche Konflikte in den Hintergrund treten. In Phasen des organisatorischen Wandels können Rituale helfen, Lethargie und Lähmung entgegenzuwirken. Fusionen können zum Beispiel von Abschiedsritualen begleitet werden. Sie verdeutlichen den Mitarbeitern, dass der Erfolg des Neuen auf dem des Alten aufbaut und helfen so, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu bauen. Echter weist zudem auf die Notwendigkeit hin, Erfolge gebührend zu würdigen. ‘Erfolge müssen gefeiert werden, damit sie verstanden, zugeordnet und wiederholt werden können.’ In einer bestimmten Firma ist es zum festen Ritual geworden, dass der Werksleiter jedes Jahr einen Spanferkel-Schmaus ausrichtet, wenn die Jahreszielvorgabe erreicht wird. Mit Hilfe dieses Rituals kann die Motivation das ganze Jahr über hochgehalten werden. Der Ausdruck ‘Spanferkel-Jagen’ ist in diesem Betrieb mittlerweile zu einem feststehenden Begriff geworden, so der Bericht von Herrn Büser, der in diesem Betrieb ein Personalentwicklungsprojekt durchgeführt hat. Es lassen sich also auch im säkularen Bereich der Arbeitswelt Rituale nachweisen, die ihre ursprünglichen Funktionen beibehalten, ihren religiösen Charakter aber völlig abgestreift haben und neuerdings als betriebswirtschaftliche Komponenten dienen. Dabei können fünf Grundtypen von Ritualen unterschieden werden: 1.) Gemeinschaftsrituale (z.B. Betriebsfeier). 2.) Erfolgsrituale (z.B. Prämierungen und öffentliche Würdigungen). Durch die Inszenierung sollen andere zur Nachahmung angeregt werden. 3.) Steuerungsrituale. Sie helfen, Kontrolle von Seiten der Unternehmensleitung aufzuzeigen und zeitgleich eine mögliche Unsicherheit unter der Belegschaft zu reduzieren. 4.) Machtrituale. Sie sollen die hierarchische Ordnung festigen und persönliche Macht symbolisieren (z.B. Begrüßungsformel, Reihenfolge des Sprechens im Meeting etc.). 5.) Übergangsrituale. Sie dienen der Bewältigung von Veränderungen (z.B. Abschiedsfeier eines Mitarbeiters, Beförderung, Neueinstellung etc.).

Über den Autor

Dr. phil. Stephan Schatzler, geboren 1980 in Walsrode, entschied sich nach dem Abitur zunächst für eine kaufmännische Ausbildung, bevor er seine wissenschaftliche Laufbahn begann. Im Anschluss studierte er Geschichte und Religionswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover. Nach seinem Magisterabschluss im Sommer 2008 folgte die Promotion am Institut für Religionswissenschaft im Jahr 2011. Stephan Schatzlers Schwerpunkte liegen sowohl im Bereich der Ritualforschung als auch in der Religionsökonomie.

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