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- Konstruktivismus in der Elementarpädagogik. Wie Kinder ihre Welt erschaffen und erforschen
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Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2022
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Abb.: 40
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Konstruktivismus wird in der gegenwärtigen Kindheitsforschung sowie den wissenschaftlichen Diskussionen zu neuen und bedeutsamen Argumentationsketten kultiviert und sorgt damit für eine Evolution und Schwerpunktverschiebung in den wissenschaftlichen Disziplinen. Ferner werden neue Konstruktionen und somit neue Bilder von Kindern und Kindheit(en) entwickelt, an denen die Kinder selbst beteiligt sein sollen. Schäfer vertritt z. B. die Auffassung, es gehe darum, einen Bildungsbegriff, der unabhängig vom historischen und sozialen Kontext ist, ‘inhaltlich zu füllen’ und ‘nachvollziehbar’ zu machen. Er bedient sich zu diesem Zweck entwicklungspsychologischer Argumentationslinien, die der konstruktivistischen Tradition Piaget’scher Prägung entstammen. Konstruktivistische Konzepte gehen davon aus, dass Wirklichkeit konstruiert, also vom Menschen geschaffen wird, und dass es eine allgemeingültige und intersubjektiv erfassbare Wirklichkeit nicht gibt. Daher rücken Konzepte über die Eigenkonstruktivität von Wirklichkeit in den Fokus. Diese Konzepte und Konstruktionen entstehen im Besonderen durch die Interaktion mit der materiellen und soziokulturellen Umwelt, wobei Termini wie Assimilation, also die Interpretation neuer Informationen aus der Umwelt aufgrund von Vorkenntnissen, und die Akkommodation, die Modifizierung von Wissen aufgrund von neuen Erfahrungen, eine bedeutende Rolle spielen. Glasersfeld skizziert das Prinzip der Assimilation wie folgt: ‘das aktive Operieren des Subjekts in Bezug auf das, was wir Regelmäßigkeit oder Konstanz in der Erlebniswelt nennen. Sowohl Regelmäßigkeit als auch Konstanz setzten wiederholtes Erleben voraus, und Wiederholung kann nur auf Grund eines Vergleichs festgestellt werden, der ein Gleichheitsurteil liefert’. Die Expansion des Konstruktivismus’ in verschiedenen Bereichen der pädagogischen Felder ist für die Autorin Anlass, die Frage nach seinem Weg in und seinem Einfluss auf die ästhetische Didaktik im Elementarbereich zu stellen. Die Fragestellung wird mit dem Fokus auf zwei pädagogische Teildisziplinen verfolgt. Zum einen betrifft dies die Disziplin der Kindheitsforschung und zum anderen die Didaktik des ästhetisch- konstruktiven Unterrichts. Ausgehend von der Überlegung, dass mit einer konstruktivistischen Konkretisierung des ästhetischen Lernens die Aneignung von Gestaltungskompetenz gefördert werden kann, lautet die Fragestellung dieser Untersuchung: Wie kann das ästhetisch-konstruktivistisch orientierte Lernen das Kind als Forscher und Konstrukteur seiner Entwicklung unterstützen?
Textprobe: Kapitel 3, Konstruktionsprozesse: Wahrnehmung und Bewusstsein: Im Folgenden sollen Konstruktionsprozesse im Hinblick auf die Wahrnehmung und das Bewusstsein genauer betrachtet werden. Dabei wird auf die Welt als Konstruktion, die Konstruktion des Selbst und die Konstruktion des Kindes eingegangen. Darüber hinaus soll auch das Bild vom Kind als Forscher und Konstrukteur betrachtet werden, um Bildung als Konstruktion verstehen zu können. Was für Räume konstruierende sich selbst-bildende Kinder bedürfen erhält hier relevanz. Abschließend zu diesem Kapitel wird eine Zusammenfassung zum Bild vom Kind der neuen Kindheitsforschung vorgestellt. 3.1, Die Welt als Konstruktion: Lindemann beschreibt, dass unser gesamtes Erleben, ein Konstrukt unseres Gehirns und seiner auf Stabilität ausgerichteten Operationen ist. Hierbei werden aber nicht nur wahrnehmungsspezifische Details und Unterscheidungen registriert, sondern auch grundlegende Erlebnisse und Erfahrungen. Eine Trennung zwischen Ich und Anderen, Subjekt und Objekt sei ‚als aktiver Konstruktionsprozess zu verstehen und kann nicht auf ein generelles Vorhandensein dieser Unterschiede zurückgeführt werden’ (Lindemann 2006, S. 72). Ausgehend von dem Standpunkt des Zentralnervensystems werden drei Dimensionen neuronaler Aktivität unterschieden, die in unserem Gehirn stattfinden. Diese drei Dimensionen werden in alltäglichen Situationen und Erfahrungen als gegeben erfahren. Somit lässt sich die Gesamtheit unserer kognitiven Welt in drei Bereiche einteilen. Als erster wird ein solcher beschrieben, ‚dem alle Dinge und Prozesse der so genannten Umwelt angehören die wir also als Dingwelt erfahren’ (Roth in Schmidt 1996, S. 236), wie z.B. Gegenstände, Gerüche, Geräusche, Personen oder Szenen, deren Ursprung das System als außerhalb von sich liegend empfindet. Weiterhin gibt es ‚einen zweiten Bereich, zu dem unser Körper und alle ihm verbundenen Erfahrungen gehören, die wir also Körperwelt nennen können’ (Roth in Schmidt 1996, S. 236). Die Körperwelt beschreibt den Bereich der Körperwahrnehmung, zu der auch Gefühle und Schmerzen gehören. Den dritten Bereich bildet die Gedankenwelt, in dem alle unsere unkörperlichen Zustände und Erlebnisse existieren, also Gefühle, Vorstellungen, Gedanken. Unser informationell geschlossenes neuronales System empfindet den Bereich der Gedankenwelt als unkörperlich, weil dieser Bereich aus Vorstellungen, Gedanken und Erinnerungen besteht. Diese drei Bereiche unserer kognitiven Welt sind gewöhnlich signifikant voneinander isoliert. Lindemann beschreibt: ‚Diese Trennung, die unserer alltäglichen Erfahrung entspricht, wird in der Tradition einer naiv realistischen Sichtweise auf Gegebenheiten zurückgeführt, die außerhalb von uns existieren und unser Erleben formen’ (Lindemann 2006, S. 72). ‚Das Gehirn erschafft also eine kognitive Umwelt und einen kognitiven Körper sozusagen per exclusion (Ausschluss): alles, was nicht Körper ist, ist Umwelt, und umgekehrt oder: alles, was nicht 'drinnen' ist, ist 'draußen'. Diese Grenze zwischen kognitivem Körper und kognitiver Umwelt innerhalb der kognitiven Gesamtwelt ist eine unmittelbare, denn die Vermittlung zwischen Welt und Gehirn durch die Sinnesorgane, die in der materiellen, 'realen' Welt des Organismus existieren, existiert natürlich innerhalb der kognitiven Welt, der 'Wirklichkeit' unseres Gehirns, nicht. Beide Bereiche werden vom Gehirn sozusagen direkt nebeneinandergestellt. Deshalb erleben wir die Dinge und Prozesse unserer Umwelt in der Tat als unmittelbar, denn die Bereiche der Dingwelt und der Körperwelt haben als vom Gehirn konstituierte denselben ontologischen (nämlich kognitiven) Status’ (Roth in Schmidt, 1996, S. 238). Piaget beschreibt diesen Prozess in dem sensomotorischen Stadium, in dem die Kinder in den ersten beiden Lebensjahren damit beschäftigt sind, die Beziehungen zwischen ihren Handlungen und deren Konsequenzen zu erkennen. Mentale Repräsentationen von Objekten und Ereignissen können verändert werden und neue Lösungen werden spontan erfunden. Spätestens ab Mitte des zweiten Lebensjahrs hat das Kind eine Vorstellung (interne Repräsentation) von den Ereignissen seiner Handlungen, das heißt, Handlungen können auch vor dem inneren Auge gedanklich vollzogen werden. Diese Verinnerlichung der Handlungserfahrungen charakterisiert das Übernehmen der Vorstellungen ins Denken. Das kindliche Verhalten entwickelt sich von einfachen Reflexen über verschiedene Schritte hin zu einer durchstrukturierten Reihe von Schemata. Das sensorische und das motorische System bauen ein Weltbild auf. Nicht mehr der eigene Körper oder der Vorgang an sich, sondern die Auswirkungen des Verhaltens auf die Umwelt werden interessant. Piaget beschreibt: ‚Während am Beginn dieser Entwicklung das Kind alles auf sich, oder genauer gesagt, auf seinen Körper zurückführt, gliedert es sich am Ende, dass heißt, wenn Sprache und Denken einsetzen, bereits praktisch als Element oder Körper unter die anderen ein, in einer Welt, die es nach und nach aufbaut und die es von da an als außerhalb von sich existierend empfindet’ (Piaget 1974, S. 258). Zu der Entwicklung des hier beschriebenen Körperschemas beziehungsweise Körpergefühls ist es von besonderer Bedeutung, dass nicht nur die Gliedmaßen unabhängig voneinander bewegbar und altersentsprechend entwickelt sind, sondern auch die Gehirnfähigkeiten, sich über Körpersensorik und –motorik zurück zu versichern, funktionieren. Lindemann betont, dass die Ausdifferenzierung verschiedener Wahrnehmungs- und Erfahrungsbereiche aus dem subjektiven Erleben resultiert und so eine Arbeitshypothese bildet, ‚die das kognitive System erschafft, um eindeutige Zuordnungen des eigenen Erlebens leisten zu können’ (Lindemann 2006, S. 74). Weiterhin postuliert Lindemann, dass ‚die Aussagen über die Konstruktivität des Gehirns zeigen, dass unser gesamtes Erleben ausschließlich aufgrund interner Kriterien erschaffen und ausdifferenziert wird’ (Lindemann 2006, S. 75). Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Mensch im Bezug auf die Welt Konstrukteur seines eigenen Erlebens ist. Das subjektiv Erlebte ist eine Gegebenheit, die durch die Interaktion mit den inneren Zuständen des Selbst und durch die Rückversicherung bei anderen (Konstrukteuren) sichergestellt wird. Der Konstrukteur bewegt sich in einer Welt, die er selbst erschafft, indem er eine kognitive Welt der Dinge und äußeren Abläufe von der kognitiven Körperwelt und der Welt des Denkens abgrenzt. 3.2, Konstruktionen des Selbst: Gehen wir davon aus, dass das Bild von der Welt, also jene Erkenntnis, welche aufgrund unser Erfahrungen konstruiert wird, eben eine von uns konstruierte Erfahrungswelt ist, müssen wir ebenfalls davon ausgehen, dass das Bild von unserem eigenen Ich in ähnlicher Form konstruiert wird. ‚Mit anderen Worten, so wie wir ein Modell einer Welt konstruieren, es externalisieren und es von da an so behandeln, als wäre seine Existenz unabhängig von dem, was wir tun, so konstruieren wir auch ein Modell der Entität, die wir unser Ich nennen’ (Glasersfeld in Lindemann 2006, S. 203). Folgernd aus Glasersfelds Aussagen ist das Erleben verschiedener Wahrnehmungsbereiche, aber auch das Ich, ein Konstrukt. Es werden zwei Ebenen unterschieden, auf denen die Konstruktionen des Selbst individuell herausgearbeitet werden. Die erste Ebene beschreibt die Entstehung des Ichs als Erfahrung einer Begrenzung von Körper und Dingwelt. Dazu zählt die Erkenntnis, autonom zu existieren, welches die Basis des Selbstbewusstseins bildet. Auf der anderen Seite ist die Ich-Entstehung auf die Abstraktion dieser Erfahrung in der Gedankenwelt zurückzuführen. Diese Abstraktion des Erlebten findet durch das Bilden eines Selbstmodells statt, das aus der Betrachtung der eigenen Person und des eigenen Operierens hervorgeht. Aufgrund des Ergebnisses der Handlung oder Erfahrung zeigt sich das Selbstbild in der Eigenbeobachtung als plausibel in Bezug auf unsere Hypothesen über uns selbst - oder nicht. Folglich werden fortlaufend neue Hypothesen erarbeitet und kontrolliert. Ein konsistentes Gleichgewicht zwischen Erfahrungen, erlebten und bevorstehenden Vorhaben, soll das Ziel dieser Prüfung der Hypothesen sein. Das Ergebnis dessen, ist das Selbstbild. Somit konstruiert das Gehirn einen Konstrukteur (das Selbstbild), der selbst keinen Zugang zu den neuronalen Prozessen hat, aus denen er entsteht.
Lena Sophie Kaiser (Master Kindheitspädagogik), geb. 1987 in Niedersachsen, studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen Bildung und Förderung in der Kindheit, sodann an der selbigen Universität den Master Elementar- und Integrationspädagogik mit dem Schwerpunkt ‚Inklusive Pädagogik bei Verhaltensstörungen’. Seit 2011 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Schulpädagogik und Didaktik der Sozialwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen im Projekt ‚Optimierung des Theorie-Praxis-Verhältnisses in den hochschulischen BA-Studiengängen für KindheitspädagogInnen’, ein Projekt im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgeschriebenen Forschungsschwerpunktes ‚Ausweitung der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte’ (Projektleitung: Prof. Dr. Norbert Neuß). Im Sommersemester 2012 doziert sie an der JLU ‚theoretische und praktische Erkundung pädagogischer Handlungsfelder’ im Bachelorstudiengang Bildung und Förderung in der Kindheit. Ihre Arbeitsschwerpunkte konzentrieren sich auf die Elementarpädagogik, die konstruktivistische Didaktik und die Professionalisierung von Kindheitspädagogen.
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