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Kunst & Kultur

Axel Schulze

Platon und die „Matrix“ der Wachowskis: Philosophie im Film?

ISBN: 978-3-8428-8476-2

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Dass ‘Matrix’ ein wahrer Blockbuster ist, steht außer Frage. Gewiss liegt dies einerseits an den optischen Innovationen, die den Kinobesucher vergnügt und die die nachfolgende Filmgeneration entweder kopiert oder sogar parodiert hat. Andererseits wird dem Film der Wachowskis immer wieder eine philosophische Tiefe unterstellt, die für dieses Genre doch recht ungewöhnlich sei und die auch der ‘normale’ Zuschauer aufspüren könne. Von den vielen Bezügen, beispielsweise zu Gnostizismus, Buddhismus, Existenzialismus, Skeptizismus, Marxismus und Feminismus, die interpretationswillige Autoren im Werk ‘Matrix’ vermuten, wählt die vorliegende Studie nur einen vermeintlichen Vorreiter aus: das Platonische Höhlengleichnis, das dem Film zwar behände unterstellt wird, dessen genauer Nachweis aber bis heute fehlt. Entgegen der üblichen Vorgehensweise, sich bei der vergleichenden Analyse von antikem Original und moderner Umsetzung eklektisch auf einzelne Details zu fokussieren, zielt die Untersuchung darauf ab, ‘Matrix’ konsequent dem Platonischen Gleichnis gegenüberzustellen. Verbunden mit der These, dass filmintern nicht nur die vier Wissensstufen des Höhlengleichnisses abgearbeitet werden, sondern dass diese neu angeordnet, das heißt bewusst verschoben worden sind, ist so die Frage, welche Antwort der Film dann für den Zuschauer bereithalten könnte. Damit die Kernfrage, was uns die Wachowskis eigentlich sagen wollen, hinreichende Klärung erhält, erfolgt zuerst eine ausführliche Darstellung des beliebten und oft rezipierten Einzelgleichnisses der ‘Politeia’, bevor dessen Parallelen und Brechungen in ‘Matrix’ offengelegt und Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Problemfelder im Zuge des Höhlengleichnisses. Das berühmte Höhlengleichnis zu Anfang des siebten Buches der ‘Politeia’ [514aff.] ist keinesfalls allein in der Sekundärliteratur so gut dokumentiert, dass J. F. M. Arends es als einen ‘philosophischen Leckerbissen’ bezeichnet und Josef Pieper von der ‘meistzitierten aller platonischen Geschichten’ spricht - es wartet auch mit einer Besonderheit auf, da es der Gleichnisgeber im Anschluss an das Erzählen selbst kommentiert [517bff.]. Zudem bildet die sehr anschauliche, gar plastische Darstellung den Höhepunkt einer Gleichnistrias, die gegen Ende des sechsten ‘Politeia’-Buches mit dem Sonnengleichnis begann [508aff.], um kurze Zeit später zum Liniengleichnis [509cff.] zu wechseln und letztendlich im Höhlengleichnis zu kulminieren. Dürften diese mannigfaltigen Quellen nicht eine völlige Ausdeutung des Gegenstandes erlauben? Leider nein, denn die Lektüre Platons mutet unter mehreren Gesichtspunkten schwierig an, wodurch gerade Interpretationen der Mythen und Gleichnisse erheblich erschwert werden. Neben dem generellen Spannungsfeld des literarischen Musters, dessen sich das gesamte Œuvre konsequent bedient - der Dialog als Nachahmung von Mündlichkeit mit all seiner Lebendigkeit und seinen unzähligen Versteckmöglichkeiten -, bietet speziell die Schriftkritik des ‘Phaidros’ [275cff.] gute Gründe, dem Werk des antiken Philosophen eine gewisse Endgültigkeit bei der Vermittlung seines Gedankengutes abzusprechen. Doch bei jenen Problemen stoppen die Illustrationsgeschichten, die der Dialogführer abseits der direkten Argumentation vorträgt, keineswegs: insofern man ‘Gleichnis’ als ein sprachliches Gestaltungsmittel definiert, bei dem eine Vorstellung oder ein Zustand zur Veranschaulichung bestimmter Züge in einen anderen Bereich versetzt wird, der dem Ursprung zumindest in einem Aspekt analog ist (dem tertium comparationis), dann enthält jede Darstellung dieser Art mehrere Ebenen.7 Die Sachsphäre, die ein Etwas bereitstellt, korrespondiert mit der Bildsphäre, die dieses Darzustellende auf geeignete Weise einzufangen versucht. Abgesehen von den internen Inferenzen als den Bewegungen innerhalb des Bildes, gibt es günstigstenfalls externe Bezüge, welche auf ein Außerhalb verweisen. Zumeist führen diese Verweisstrukturen bei Platon zu anderen Stellen des Einzeldialoges bzw. kommt mitunter sogar das Gesamtwerk in den Blick der Deutung. Beim Höhlengleichnis nun drängt sich eine dialogübergreifende Sichtweise regelrecht auf, da immer wieder die darin verborgenen Implikationen für Ontologie, Erkenntnis- und Staatstheorie betont werden sowie mancher Interpret die Nähe zum Platonischen Bildungskonzept oder zum Erosbegriff des Philosophen hervorhebt. Es scheint, als wäre der Anfang des siebten Buches der ‘Politeia’ nicht nur ein Leckerbissen, sondern womöglich eine ganze Philosophie in nuce. 3, Interpretation des Höhlengleichnisses: Die Komplexität des letzten Gleichnisses der Dreierfolge resultiert bereits aus zwei integrierenden Momenten im Innern der Erzählung. Einerseits bezieht Sokrates die Sonne als Symbol der Idee des Guten ein [516b / 517b-c] - ein Tropus, mit dem er vorher schon im Sonnengleichnis gearbeitet hatte, um gnoseologische und ontologische Proportionalitäten zwischen einer sensiblen und einer intelligiblen Welt aufzubauen [508b-c / 509b] -und andererseits verwendet er die verschiedenen Wissensstufen des Liniengleichnisses: Eikasia, Pistis, Dianoia und Nous [511d-e]. Den Höhepunkt der Aufeinanderfolge von drei Illustrationsvarianten dementsprechend im Höhlengleichnis zu vermuten, wird durch zahlreiche Umstände forciert: neben der selbst gegebenen Interpretation, sind es vor allem der Wandel der Darstellungsform und die Integration der beiden Vorläufer, die den Klimaxgedanken bedingen. Zuerst war ein statisch-unveränderliches Bild die Grundlage, um anschauliche Inhalte einzufangen. Hernach wurden unanschaulich-schwierige Sachverhalte durch eine gleichbleibende mathematische Struktur geschildert und nur in den modellexternen Erklärungen konnten dynamische Aspekte sichtbar werden [511b-c]. Gegensätzlich zu diesen Vorgängern nun, lebt das letzte Gleichnis von internen Bewegungen, wirkt intuitiv, und lässt sich seiner Natur nach eher als Film denn als Bild bezeichnen. Abgesehen vom kurzen Stadium der Gefangenheit, welches jede Regung ausschließt, versinnbildlicht das Höhlengleichnis das Gehen einer Einzelperson [514a-515c] - einen Bildungsgang, der Glaukon, die anderen Zuhörer sowie die Leserschaft in die Perspektive des Protagonisten zwingt. Obwohl durchaus konkurrierende Gliederungen möglich scheinen (Martin Heidegger bspw. trennt im Zuge seiner Analyse vier Stadien voneinander), zeigt sich die Einteilung von Wilhelm Blum konsensfähig, da sie logisch auf den Inhalt des Protagonistenweges zugeschnitten ist. Ergebnis wären dann drei Stufen mit jeweils zwei subsumierten Schritten. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Wissensformen kann man das Geschehen wie folgt zusammenfassen: Innerhalb der Höhle (der Schein). Stufe I Schritt 1 Die Gefesselten in der Höhle (Eikasia, Vermutung). Schritt 2 Einer wird von seinen Fesseln gelöst (Pistis, treue Meinung). Außerhalb der Höhle (das Sein). Stufe II Schritt 3 Der Aufstieg nach oben (Dianoia, Verstand). Schritt 4 Der Seher befindet sich in der Sonne selbst (Nous, Vernunft). Stufe III Schritt 5 Rückkehr des Sehers in die Höhle. Schritt 6 Der Seher wird ausgelacht und umgebracht. Dass das komplexe Szenario sich dabei keineswegs im schlichten Durchlaufen unterschiedlicher Räume erschöpft, vielmehr Parallelen zu Fragen über menschliches Dasein, Herrschaft und Weisheitsliebe beschwört, zeigt die genauere Analyse.

Über den Autor

Axel Schulze wurde 1983 in Borna geboren. Sein Studium der Germanistik, Philosophie und Erziehungswissenschaft an der Universität Leipzig schloss der Autor 2010 mit dem Staatsexamen ab. Entsprechend dem breitgefächerten Studium konzentrierte sich der Verfasser auf vielerlei Themenfelder, zu denen die antike Philosophie ebenso zählt wie beispielsweise das Drama der Aufklärung oder die Psychologie des Lehren und Lernens. Die vorliegende Studie synthetisiert einige dieser recht unterschiedlichen Interessensgebiete, indem der Film ‘Matrix’ vor der Folie des Platonischen Höhlengleichnisses und seiner inhärenten Wissensstufen analysiert und interpretiert wird.

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