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  • Transkulturelle Kunsttherapie: Raum, Identität und die Auswirkungen einer Migration im klinischen Kontext

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Abb.: 14
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Begriffskonjugation ‘Transkulturelle Kunsttherapie’ steht für eine Kunsttherapie, die unter Berücksichtigung kulturübergreifender Aspekte die daraus entstehenden Konsequenzen für das therapeutische Setting ableitet. Eine solche Kunsttherapie behandelt im klinischen Kontext die direkten Auswirkungen einer Migration mit traumatischen Erlebnissen oder die Schwierigkeiten von Menschen, die sich deplatziert, fremd und unwillkommen fühlen in ihrer neuen Umgebung. Bei diesen Fällen ist der Kunsttherapeut in mehrfacher Hinsicht herausgefordert: Zum einen muss er die vielfältigen kulturellen Formen berücksichtigen und sie aus einer anderen Perspektive verstehen lernen. Und zum anderen wird er zunehmend mit den Wurzeln seiner eigenen Identität konfrontiert. Die vorliegende Arbeit beleuchtet den vielseitigen theoretischen Hintergrund, der es ermöglichen kann, einen förderlichen kunsttherapeutischen Raum zu generieren, in dem Menschen einen guten Platz für ihre Erfahrungen finden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Heimat und Fremde: Die Pole der Dimensionen von ‘Heimat’ und ‘Fremde’ zeigen sich im Leben auf verschiedenen Ebenen: Auf der einen Seite steht das ‘Eigene’, das gute und sichere Objekt. Im kulturellen Zusammenhang und in der Thematik der Migration benenne ich diesen Pol mit ‘Heimat’. Gegenüber steht die ‘Fremde’, das Exil, das ‘Andere’, ein unbekannter Ort und Zustand der Ungewissheit. In den folgenden Kapiteln möchte ich aufzeigen, wie sich diese Pole beschreiben lassen und zueinander verhalten. 2.1, ‘Heimat’: Aufgrund beispielloser Mobilität, Völkerwanderung und Globalisierung scheint als Gegenentwurf dazu der Heimatbegriff in den Vordergrund zu rücken. Dabei ist nicht mehr nur die Verwurzelung mit einem bestimmten Ort, einer Region oder einem Land gemeint, sondern das grundsätzliche Bedürfnis nach einem Ort der Zugehörigkeit. Laut einer Statistik des ‘Spiegel’ ist Heimat für 31% der Befragten der Wohnort, für 25% die Familie, für 6% die Freunde und für 11% das Land (SCHLINK, 2000, S. 23). Etymologisch betrachtet wurde der Begriff ‘das Hamätli’, der aus dem Mittelhochdeutschen stammt, im juristischen oder geographischen Sinn benutzt, um Herkunft oder Besitz festzulegen. Es entstand eine Ableitung zu ‘Heimuot’, was damals ‘Haus’ oder ‘Heim’ bedeutete. Ebenso ließ sich aber auch ‘Heimuoti’ ableiten, das eine ganz andere Bedeutung hatte: Man bezeichnete damit einen Zustand der Armut und Besitzlosigkeit und das Wohnen in einer ‘Einöde’ (HARTLIEB, 2004, S.6). Die minimale Wortveränderung führt zu einer innerpolaren Ausdehnung der Begrifflichkeit von ‘Heimat’. Es wird ein Bogen gespannt von den Emotionen des Wohlfühlens bis zu der Verlassenheit. Erstmals im 15. Jahrhundert ist dann der Terminus ‘Heimat’ aufgeführt. Es entstand eine Bedeutungsverschiebung, und dem Begriff wurde nach und nach ein größerer Raum zugeschrieben. Er weitete sich über das Haus bis zum Herkunftsort aus, später dann auf eine nicht klar abgegrenzte Region (HARTLIEB, 2004, S.6). Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm wurde Heimat 1877 definiert als, ‘das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat’ und ‘der Geburtsort oder ständige Wohnort, (...) selbst das elterliche Haus und Besitzthum heiszt so’ (GRIMM, 1877, S.864f.). In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Heimatrecht abgeschafft, das bis dahin einen Versorgungsschutz für Bedürftige bietet. Damit wurde Heimat zum ‘Ort einer Zugehörigkeit, die weder rechtlich noch staatsbürgerlich definiert war und darum um so mehr im Vagen bleiben musste’ (zit. In HARTLIEB, 2004, S. 7). Der Heimatbegriff wurde von den Nationalsozialisten in Deutschland zur Manipulation benutzt. NEUMAYER beschreibt den Vorgang der Koppelung von Heimat und Nation: ‘die emotionale Beziehung zur direkten Lebenswelt auf das größere - und notwendigerweise abstraktere - Gebilde Staat zu übertragen, um damit den Staat zu einer persönlichen Angelegenheit zu machen. Vorgänge auf nationaler Ebene erzeugen so eine unmittelbare Betroffenheit beim einzelnen Menschen. Eine Betroffenheit, die insbesondere für den Aspekt der Landesverteidigung ausnutzbar war, denn dadurch ist die Verteidigung des Staates zu einer Verteidigung des persönlichen Hab und Gutes, des eigenen Glücks gemacht’ (zit. in UNI ULM, 2007). Heimat ist in seiner historischen Entwicklung und seinen Definitionen nicht eindeutig greifbar. Im Eingangszitat verwies ich auf das ‘Psychotop Heimat’ (vgl. GÖRNER, 2006). Da ich in der Auseinandersetzung mit ‘Heimat’ die Vielseitigkeit und Weite dieses Begriffs kennenlernte, scheint mir die Psychotopmetapher einen treffenden Aspekt zu verdeutlichen: Die Erfahrungen mit Menschen und Beziehungen an diesem Ort ‘Heimat’ prägen die Identität und alle weiteren Beziehungen maßgeblich. Es entspricht dem menschlichen Bedürfnis, emotionale Verbindungen mit Orten einzugehen. Man sucht und spürt seine Wurzeln an diesem Ort. Das Haus steht als Symbol für die Heimat. BOLLNOW rät eindringlich dazu, an einem Ort zu wohnen, der einem entspricht und in dieser Art auch Heimat werden kann. Dazu schreibt er: ‘Wir lernen es erst langsam wieder, wie wichtig es für den Menschen ist, auf dieser seiner Erde zu ‘wohnen’. Das heißt: nicht als ewiger Flüchtling herumgetrieben zu werden und sich im Augenblick an einem zufälligen ‘Irgendwo’, an einem beliebigen Punkt zu befinden, der so gut ist oder so schlecht wie jeder andere, sondern an einem Punkt wirklich Wurzeln gefasst zu haben - und sich dann die Welt zu einer gegliederten Ordnung zusammenzuschließen vermag. Darum ist das Haus für den Menschen die Mitte der Welt’ (zit. in KLESSMANN/ EIBACH, 1998, S.113). Doch neben dem Haus als Symbol für ‘Heimat’ kann auch eine Region für eine großräumlichere Verwurzelung stehen. TREINEN bezeichnete 1965 die Heimat als ‘symbolische Ortsbezogenheit’ (zit. in UNI ULM, 2007). Dieser Hinweis auf den Symbolgehalt von Orten bezieht sich auf die emotionale und individuelle Bedeutung für den Menschen. Das innere Gefüge von Heimat löst sich sonst vom Kontext der reinen Ortsbezogenheit. Es beginnt, nach und nach, ein differenziertes Bild von Heimat zu entstehen. Heimat ist stets ein Konstrukt, wird von jedem neu erschaffen, insbesondere wenn man in fremde Räume vordringt (GLÄSER 2002, S.92) ‘So sehr Heimat auf Orte bezogen ist’, schreibt Bernhard SCHLINK, ‘Geburts- und Kindheitsorte, Orte des Glücks, Orte an denen man lebt, wohnt, arbeitet, Familie und Freunde hat - letztlich hat sie weder einen Ort noch ist sie einer, Heimat ist Nichtort , (...) Heimat ist Utopie’ (SCHLINK, 2000, S. 32). Heimat hat etwas Unerfülltes und Unerfüllbares. Sie wird am meisten spürbar, wenn sie nicht da ist. SCHLINK spricht somit von der ‘Heimat’ als Sehnsucht nach einem neuen Ort, einem Ort der so erst zu errichten ist und in der Zukunft liegt (ebd.). Philip Kwame APAGYA, ein zeitgenössischer Photograph aus Ghana, lichtet vor selbstgemalten Kulissen Menschen aus seiner Heimat ab. Dabei berücksichtigt er die Wünsche seiner Kunden und gestaltet diese utopischen, mit Sehnsucht gefüllten (inneren) Räume. Er selbst meint zu seiner Arbeit in einem Interview: ‘Meine Idee war nicht, meine Kunden zu manipulieren, sondern eine Traumfabrik zu schaffen: die Armut ist die Mutter der Erfindungen. Die Menschen möchten irgendwann einmal was haben und ich wollte ihnen einen Traum erfüllen. Das heißt diese Menschen stehen vor einem Hintergrund, der ihre Träume darstellt’ (VIDC, 2007). Die vergebliche Suche nach Heimat errichtet eine neue Utopie: ‘Heimkehren würde dann bedeuten: einen Ort verfehlen, um bei sich selbst anzukommen. ‘Ich’, eine Heimat, irgendwo, hier’ (LIPTAY, 2005, S.40). Salman RUSHDIE interpretiert das moderne Märchen ‘Wizard of Oz’. Mit der Kraft der roten Schuhe ist es Dorothy möglich, sich überall ein Zuhause zu schaffen. Die Schuhe dienen als Metapher für ein Stückchen Heimat, das jeder Heimatlose mit sich und in sich trägt. Dorothys ‘home’ existiert nirgendwo, außer in ihr selbst. Sie sind eine ‘bewohnbare Imagination, die auf die wirkliche Welt ein wenig abzufärben vermag’ (zit. In LIPTAY, 2005, S. 38f). Heimat scheint ein Amalgam aus Erinnerung und Phantasie zu sein (GÖRNER, 2006, S. 19). Sie ist eine Grenzerfahrung, zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Vertrautem und Ungewohntem, zwischen Verklärung und kritischer Einsicht. Heimat ist das erste ‘Eigene’, ein Ort an dem Eigenkompetenz erfahrbar wird. Die Betrachtungen bilden den gedanklichen Inhalt der ersten Polarität ‘Heimat’. Neben den schwer greifbaren und vagen Erklärungen bleibt das Wissen um einen symbolischen Bezug zu einem mehr oder weniger lokalisierbaren Ort, den jeder Mensch anders zuordnet. Manchmal ist es das Haus in dem man wohnt, oder die Region. ‘Heimat’ kann aber auch völlig losgelöst sein von Orten und als emotionaler intrapsychischer Raum oder als eine sehnsüchtige Utopie existieren. Die Zunahme von migratorischen Entwurzelungszuständen und virtuellen Orten, die eine Bindung per se unmöglich machen, führen zu einer entfremdeten und entwurzelten menschlichen Psyche. Vielleicht erfährt gerade deshalb die ‘Heimat’ eine Renaissance in Form von Kitsch und überschwänglicher Identifikation. 2.2, ‘Fremde’: Der entsprechende Gegenpol zur ‘Heimat’ ist die ‘Fremde’ oder das ‘Exil’. ‘Das Exil ist ein Ort, der sich auf keiner Landkarte findet’ (FIXE JOUR INITIATIVE BERLIN, 2004). Menschen, die im Exil leben, sind aus ideologischen oder politischen Gründen zwangsentfremdet (GRINBERG et al., 1990, S.182). In der Antike galt es als ernste und harte Strafe, wenn man verbannt wurde (ebd.). Jemand, der sich in der Fremde befindet, ist entwurzelt und entortet. Die Fremde ist ein Ort der Erfahrung von Verlust. Bernhard JENSEN schreibt: ‘In der Melancholie des Exils verschränken sich die räumliche und zeitliche Dimension des Verlustes, so dass es - in den Worten Jean AMÉRYs - ‚keine Rückkehr gibt, weil niemals der Wiedereintritt in einen Raum auch ein Wiedergewinn der verlorenen Zeit ist’ ‘ (JENSEN, 2004, zit. in FIXE JOUR INITIATIVE BERLIN). Dieses Verlustgefühl steht in engem Zusammenhang mit ‘Heimweh’, denn Heimat wird erst aus der Fremde erfühlt und zurückersehnt. In früheren Zeiten galt gerade dieses Heimweh als ernstzunehmendes Krankheitsbild, als Ursache schwerer Depressionen. In seiner Schrift Dissertatio medica de Nostalgia oder Heimwehe nennt der Baseler Arzt Johannes HOFER 1688 verschiedene Auslöser: Hauptsächlich handelt es sich um ‘Anpassungsschwierigkeiten, in einer fremden Lebenswelt, der Verlust der vertrauten Umgebung, das Einatmen anderer Luft, das Entbehren der heimatlichen Milch (...) Vor der Seele steht immer das Bild der Heimat, es bildet sich eine Art Schwermut aus, und diese führt nicht selten zum Tode’ (zit. in LIPTAY, 2005, S. 9). Neben der ‘Fremde’ als Ortsbezeichnung lassen sich ebenso Eigenschaften ableiten, die kennzeichnend sind für das ‘Fremde’: Fremdheit lässt sich definieren als das ‘Fehlen von Charakteristika des Eigenen, des Hiesigen, des Heimischen, des Sicheren, des Vertrauten’ (SADER, 2002, S. 36). Im Griechischen bedeutet ‘Xénos’ ‘der Fremde’, zugleich aber auch ‘Gast’ (DUDEN, 1997). Fremd bezeichnet im kulturellen Kontext somit nicht nur ‘ausländisch’, sondern auch andersartig, nicht eigen, unbekannt, bedrohlich, nicht einfühlbar. Aber etwas, das auch aufgenommen und sich verändern kann. Das Fremde scheint bedrohlich und verlockend zugleich, maßgeblich sind die eigene Perspektive der Wahrnehmung und ihre Prägung von Abwehr und Angst bzw. Neugier und Interesse. In der Ethnologie sind ‘das Unbekannte, (...) das Nicht-Offensichtliche, das Vertriebene, Verpönte, Nicht- Anerkannte, die blinden Flecken der eigenen Kultur oder bisher unerkannte Ziele die begehrten Ziele der Forschung’ (PEDRINA in PEDRINA/SALLER/WEISS, 1999, S. 8). Das Fremde ist Bestandteil der Forschung und trägt zu Erkenntnissen über die eigene Kultur bei. Die Definition von ‘Fremde’, sie es nun der fremde Ort, eine fremde Person oder eine fremde Emotion, erfolgt über Abgrenzung. Die etymologische Bedeutung von ‘Definition’ ist per se eine ‘Erklärung unter Abgrenzung’ zu anderen Sachverhalten. FLUSSER schreibt weiter, dass ‘Die chinesischen Bauern räumlich und zeitlich dank Mauern definiert sind, und jenseits der Mauern leben Nomaden’ (FLUSSER zit. in TUNKEL, S.26). Diese Tätigkeit weist somit auf eine Eigenheit der Sesshaftigkeit hin. Für den Menschen ist es teilweise überlebenswichtig, sich über Abgrenzung zu anderen Gruppen zu definieren. Der Seßhafte und der Nomade brauchen sich gegenseitig, um sich zu definieren. Ohne Sesshaftigkeit würde kein Nomadentum existieren und umgekehrt. Georg SIMMEL erwähnt in seinem ‘Exkurs über den Fremden’ aus dem Jahre 1908, dass Fremdsein zunächst Fernsein bedeutet (zit. in BIERBRAUER, 2005, S.214). In diesem Stadium existiert keinerlei Bedrohung durch den Anderen. Erst in der Annäherung und in der Begegnung kann der Fremde auch zum Feind werden. Darauf reagiert der Einheimische mit Abgrenzung durch Kollektivisierung. Das bedeutet, dass der Fremde nicht als Individuum wahrgenommen, sondern einer Gruppe zugeschrieben wird, die durch die nationale Herkunft definiert wird. SIMMEL nennt in diesem Zusammenhang die kollektive Besteuerung von Juden im Mittelalter unabhängig ihres sozialen Standes. Auf diese Art und Weise wurde die Distanz aufrechterhalten (ebd.). Die polaren Bezeichnungen ‘Einheimische’ und ‘Fremde’ stellen uns vor Schwierigkeiten, denn man wird zu der Annahme verleitet, dass Menschen in homogene Gruppen unterteilt werden können. Das bildet eine Voraussetzung für die Entstehung und Festigung von Stereotypen. Manfred SADER postuliert in seinem Werk ‘Toleranz und Fremdsein’ die Anwendung einer hyperpersonellen Bezeichnung. Er gebraucht den Begriff des ‘fremden’ als Adjektiv, anstatt die Menschen in ‘Einheimische’ und ‘Fremde’ zu unterteilen (SADER, 2002, S.33). Beim ersten Kontakt ist etwas fremd, aber dieser Zustand kann sich im Verlaufe der Beziehung ändern. Er begründet dies unter anderem mit der wechselnden Definition von Immigranten in den verschiedenen Staaten. In Frankreich wird jeder Immigrant der zweiten Generation automatisch ‘integriert’, d.h. er erhält die französische Staatsbürgerschaft Ebenso erhalten Menschen, die in den USA geboren sind, oder mindestens fünf Jahre dort leben, automatisch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. In Deutschland wird per Gesetz die Abgrenzung durch die nationale Gruppenzugehörigkeit lange aufrechterhalten. Doch allein die Staatszugehörigkeit auf dem Papier bedeutet noch nicht, in die Gesellschaft integriert zu sein (vgl. Kap. 5.2 ‘Integration und Identität’). Bei der Betrachtung im Umgang mit dem ‘Fremden’ stellt sich auch die Frage nach deren intrapsychischen Anteilen. FREUD prägte den Begriff des ‘inneren Auslands’ für das Unbewusste (vgl. GRINBERG et al., 1990). Es kann unterschieden werden in psychische Anteile, die integriert sind und solche, die nicht integriert sind. Beide Bestandteile gehören jedoch zu der psychischen Struktur. Die Projektion der eigenen fremden Anteile in das Äußere lässt auf eine intrapsychische Größe schließen, die aus verschiedenen Gründen nicht verinnerlicht werden kann. Etwas Bedrohliches muss an einen extrapsychischen Ort verlagert werden, um die Zerstörungskraft abzumindern. Dies entspricht einem primären Abwehrmechanismus der frühen Stufe: Exklusion und Ausschluss. Erfolgt keine Projektion, so wird das Bedrohliche als Introjekt abgekapselt (vgl. ELHARDT, 2001, S. 47f.). Um dieses Introjekt aufzubewahren, benötigt es einen ‘Container’. Der Container verwahrt das ‘Fremde’ und zu gegebenem Anlass kann es wieder hervorgeholt werden. Der Philosoph GADAMER bemerkt: ‘Es gibt kein gelingendes Verstehen eines anderen, das nicht zugleich das Verständnis, das man von sich selbst hat, verändert’ (zit. in SADER, 2002, S.41). Somit ist das Verstehen des Fremden analog zum Verstehen des Eigenen Das Verstehen des Anderen beeinflusst die eigene Identität. Dazu bemerkt Julia KRISTEVA: ‘Der Fremde ist in uns selbst: er ist die verborgene Seite unserer Identität (...) Wenn wir ihn in uns erkennen, verhindern wir, dass wir ihn (...) verabscheuen’ (KRISTEVA zit. In WELSCH zit. in ALLOLIO-NÄCKE, 2005, S. 335). Im Erkennen geschieht eine erste Annäherung an das fremde Objekt. Es wird nicht nur verbannt oder mit Stereotypen belegt. Und die Erkenntnis, dass das Fremde im Außen auch Anteile im Inneren anregt, bzw. solche sich dort auch finden lassen, bestätigt mich in der Annahme, dass im Umgang mit dem Fremden ein Zugang entstehen kann, um die eigene ‘Identität’ zu begreifen und zu formen.

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