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Natur / Technik

Sandra Jasmin Garthaus

Zeitspiele im audiovisuellen Text: Nonlineare Erzählformen in Film und TV-Serie

ISBN: 978-3-95425-904-5

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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Abb.: 40
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Chronologie - diese zeitliche Struktur bestimmt unser Leben und unser Zeitempfinden. Wir leben in einer zeitlichen Linearität und haben gelernt, linear zu denken und zu kommunizieren. Linearität ist unser soziales Zeitmuster. Eine Manipulation dieser Zeitabfolge und ein Bewegen in der Zeit sind für uns undenkbar. In der Denk- und Kommunikationsstruktur der Erzählung kann man diese stringente kausale Abfolge jedoch auf unterschiedliche Weise durchbrechen. Die vorliegende Studie stellt dar, wie diese Ent-Chronologisierung im audiovisuellen Text stattfindet und welche Möglichkeiten der Zeitwechsel dem Medium bietet. Ein Vergleich der TV-Serie LOST mit dem Film ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND verdeutlicht die Differenzen bei diesen unterschiedlichen Erzählformen und zeigt auf, wie sich diese auf die Rezeption ausüben, bzw. welche Herausforderungen und analytischen Fähigkeiten an die Zuschauer gestellt werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Spielfelder des Nonlinearen: Der Akt des Erzählens ist ein zeitliches Phänomen. Die narrativen Medien Film und Fernsehen sind von dem Zeit-Aspekt daher nicht zu trennen. Sie bestehen in der Zeit, sie reproduzieren und archivieren sie. Film sowie Fernsehen bergen zudem nicht nur das Vermögen, ihre Inhalte zu vergegenwärtigen. Sie können diesen Eindruck durch wieder-holte Projektion immer wieder hervorrufen. An dieser Stelle ist anzuführen, dass Film und Fernsehen als Trägermedien für narrative Inhalte zu verstehen sind. Der Vorgang der Wiedergabe folgt stets einer festen Abfolge und auch die Rezeption seitens der Zuschauer erfolgt mehr oder weniger restriktiv, was auf einen linearen Charakter der Medien verweist. Inhaltlich erzeugen Film und Fernsehbeiträge durch Aufzeichnung der realen Zeit eine narrative Zeit, die den Eindruck eines naturgetreuen Zeitflusses und damit den von Realität erzeugen soll (vgl. Eckel 2008, 5). Um diesen Eindruck Aufrecht erhalten zu können, müssen sie der Zeitwahrnehmung der Zuschauer entsprechen und sind daher auf eine lineare Verlaufsform angewiesen. Die Montage der Einzeleinstel-lungen verbildlicht dabei zeitliche Sukzession (Großklaus, 1994, 49). Die Ordnung der Geschichte wird, wie schon in Kapitel 2 erläutert, innerhalb einer bestimmten Zeit dar-gestellt, die man Erzählzeit nennt. Es handelt sich um die Dauer der Erzählung selbst. Die Zeit, in der die gesamte Geschichte tatsächlich stattfindet, ist die Zeit des Dargestellten, die erzählte Zeit. In Film und Fernsehen wird die erzählte Zeit in der Regel stark kompri-miert, da eine Zeitknappheit der Darstellung vorherrscht. Erzählzeit und erzählte Zeit sind demnach nie deckungsgleich. Es ist vielmehr der Regelfall, dass das Verhältnis der erzählten Zeit und der Erzählzeit durch Asynchronie geprägt ist. Film und Fernsehen stel-len den Ausführungen zufolge zeitschöpferische Medien dar (vgl. Volland 2009, 14). Wie schon im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde, können sie sowohl vertraute als auch innovative Zeitfiguren kreieren. Man kann also von einem temporalen Spielfeld sprechen, das diese Medien darstellen. Gespielt werden kann dabei aber immer nur in einem vom Medium selbst vorgegebenen Rahmen, der bei Film und Fernsehen aufgrund unterschiedlicher temporaler Verhältnisse differiert. Medienspezifische Unterschiede beeinflussen demnach den Umgang mit Erzählstrukturen, sodass ‘narrative Medien stets eigene Erzählweisen ausbilden’ (Sommer 2009, 187). Im Folgenden werden daher zunächst die für die Analyse relevanten narrativen Formen Film und TV-Serie dargestellt, um im Anschluss anhand symptomatischer Beispiele darzustellen, inwiefern die Umsetzung von Nonlinearität innerhalb dieser Erzählformen möglich ist. Zunächst wird auf das filmische Erzählen eingegangen. In einem weiteren Punkt werden Spezifika des seriellen Erzählens erläutert. 3.1, Filmisches Erzählen: Es gibt eine Vielzahl filmischer Produktionen, die unterschiedlichen Filmgattungen (z.B. Werbe-, Dokumentar- oder Fernsehfilm) zugeordnet werden können und die ihren Inhalt unterschiedlich organisieren. Im Fokus dieser Studie steht das fiktionale Format des Spiel- bzw. Kinofilms. Diese Filme lassen sich wiederum verschiedenen Genres (z.B. Actionfilm, Komödie, Science-Fiction-Film, Horrorfilm, Liebesfilm, Kriegsfilm) zuschrei-ben eine Kategorisierung, die der Übersicht und Orientierung dient. Das Erzählen in Spielfilmen, die ursprünglich für das Kino produziert wurden, geschieht innerhalb eines abgeschlossenen, durchgängigen Rahmens. Dieser Rahmen wird durch produktions-technische Gegenebenheiten definiert. Filme weisen eine klar definierte screen duration vor, innerhalb derer die gesamte Handlung abläuft und werden in der Regel im Kino ohne Unterbrechungen von Zuschauern konsumiert. Die Rezeptionssituation hat un-mittelbare Auswirkungen auf das filmische Erzählen, da die dramaturgische Gestaltung stets im Hinblick auf diese ausgerichtet wird. Innerhalb des gegebenen Rahmens findet die Handlung des Films statt, die sowohl offen als auch geschlossen sein kann. Bei der geschlossenen Form (ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND zeichnet sich durch diese aus) gibt es einen Haupthandlungsstrang, ‘auf den die Nebenhandlungen (Subplots) funktional und kausal zugeschnitten sind’ (Eder 2007, 91). Ein Film verfolgt demnach ein Thema, meist einen Konflikt oder ein Problem, das nach einer Lösung verlangt. Die Lösung stellt das zu erreichende Ziel dar und der Weg dorthin den roten Faden der Handlung. So schreibt auch Krützen, dass sich die Hauptfigur im Hollywoodkino auf ein Ziel zubewegt, ‘dessen Erreichen bereits in den ersten Minuten des Films als existentiell gekennzeichnet wird’ (Krützen 2006, 327). An zeitlich genau definierten Stellen und in regelmäßigen Abständen (etwa alle 10-15 Minuten) sorgen Wendepunkte (Plot Points) für Akzentuierung der Handlung, verschaffen Abwechslung und sorgen für Überraschungen, indem sie einen neuen Versuch des Helden bei der Problemlösung initiieren (Eder 2007, 95). Konventionelle Filme beruhen auf diesem Prinzip, das bereits in Kapitel 2 als Drei-Akt-Struktur vorgestellt wurde: Die Narration ist definiert durch einen Anfang, ein Ende und die dazwischenliegende Handlung, die die Ausgangssituation im Sinne einer ‚Lösung‘ verändert. Man spricht hierbei auch von einer Minimalstruktur. Die Story stellt die Gesamtheit des Films dar. Diese wird mit Hilfe des Plots transportiert. Filmisches Erzählen geschieht demnach generell über die bereits in den vorangegangenen Kapiteln erwähnte Montagetechnik, die Zeit und Raum organisiert und die Perspektive der Rezipienten bestimmt. Filme können als selbstständige Einheiten verstanden werden, die ein vollständiges Werk darstellen. 3.2, Serielles Erzählen: ‘Mit der Fernsehserie meinen wir heute in erster Linie eine fiktionale Produktion, die auf Fortsetzung hin konzipiert und produziert wird, die aber zwischen ihren einzelnen Teilen verschiedene Verknüpfungsformen aufweist’ (Hickethier 1991, 8). Dieses Zitat von Hickethier verweist auf die Besonderheit der Mehrteiligkeit, die eine Serie vorrangig auszeichnet. Sie besteht aus einer bestimmten Anzahl an Folgen/Episo-den, die jeweils durch eine Ausstrahlungspause getrennt sind. Das Kontinuum einer Serie wird [erst] durch [eine] periodische Abfolge hergestellt die einzelnen Serienfolgen stellen von ihrer Dramaturgie und Produktionsstruktur her erkennbare, abgegrenzte Einheiten dar, die in unterschiedlicher Weise An-knüpfungen an vorangegangene Folgen herstellen und Anknüpfungspunkte für die nachfolgenden bieten. Serien bilden Ketten von Einzelfolgen (Hickethier 1991, 9). Dies erfordert eine spezielle narrative Form: Das serielle Erzählen. Innerhalb dieser Narrationsform werden zwei Formate unterschieden: Serials und Procedurals. Episoden-serien (Procedurals) zeichnen sich durch abgeschlossene Folgenhandlungen aus, in denen sich die Protagonisten in jeder Folge mit einem neuen Problem konfrontiert sehen. CHARMED (USA 1998 – 2006, Constance M. Burge, Craig Zisk) und DR. HOUSE (USA 2004 – heute, Daniel Sackheim, Deran Serafin, Hugh Laurie) können hier als Beispiele herangezogen werden. Serials hingegen sind Fortsetzungsserien. Ihre einzelnen Episoden sind darauf ausgelegt, dass sie inhaltlich aufeinander aufbauen. Es wird also über die Episodengrenzen hinweg erzählt. Ein Handlungsbogen kann sowohl eine gesamte Staffel (wie bei 24) oder auch die gesamte Serie (wie bei LOST) umfassen. Ein Serial ‘kombiniert [demnach] die dramatische geschlossene Form mit der offenen epischen Form und strukturiert die Geschichte episodisch’ (Stutterheim 2009, 254). Man kann daher bei Serials von fragmentarisch-offenen Strukturen sprechen, denen eine doppelte Dramaturgie inhärent ist, denn ‘die Abgeschlossenheit der einzelnen Folge steht in Korrespondenz mit der Unabgeschlossenheit der Serie als Ganzem’ (Hickethier 2001, 123). Hickethier verweist zudem auf die ‘doppelte Formstruktur’ der Serie, die er als ‘eine der vielen Attraktionsmomente der Serie’ sieht, denn einerseits muss die Serie dem Zuschauer eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Einheit bieten und sich andererseits ‘auf einen größeren, häufig auch vom Zuschauer gekannten Gesamt-zusammenhang’ (Hickethier 1991, 10) beziehen. Weitere Charakteristika von Serien stellen wiederkehrende Personen und eine Kontinuität der Schauplätze dar, über die die einzelnen Episoden miteinander verbun-den sind. Die Protagonisten sind Handlungsträger und fungieren nach außen hin als Markenzeichen. Über Protagonisten werden den Zuschauern zudem Identifikations-figuren geboten, über die eine Bindung erreicht werden soll. Narrative Besonderheiten bei Fortsetzungsserien sind zum Beispiel Cliffhanger, die am Ende einer Folge stehen und den zentralen Handlungsstrang an einem besonders dramatischen Punkt unter-brechen, sodass seitens des Publikums eine Spannung erzeugt wird, die sie motiviert, auch nach der Ausstrahlungsunterbrechung die Serie weiter zu verfolgen. Zu Beginn einer Episode werden zudem oft Recaps eingespielt, die eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Handlungsstränge darstellen, die in eben dieser Episode wieder aufge-nommen werden. Mit dieser Technik wird das Erinnerungsvermögen der Zuschauer aktiviert und ihnen gleichzeitig der Anschluss an die aktuelle Episode erleichtert. Der späte Einstieg in eine solche Serie gestaltet sich oft als schwierig, da Wissen aus voran-gegangenen Episoden vorausgesetzt wird. Serials bergen jedoch durch ihre kontinu-ierliche Handlung die Chance der sicheren Zuschauerbindung, denn die Narration erzeugt einen Erwartungsdruck auf eine Lösung, ein Ende der Geschichte hin, in dem sich alle Erzählfäden aufgehoben finden, das aber gerade bei langlaufenden Serien immer wieder hinausgeschoben bzw. nur in Teilen angeboten und zugleich mit neuen, weiterführenden Ausgangssituationen für neue Geschichten kombiniert wird (Hickethier 1991, 30). Der Zuschauer wird in einer solchen Serie zum ‚Detektiv‘, denn er muss die in der Serie sukzessiv preisgegebenen Informationen und Handlungsfragmente zu einem Ganzen zusammensetzen. Ein weiteres Distinktionsmerkmal von Serien ist deren Laufzeit. Hier wird zwischen ‘endlos-fortlaufend (also ‚Dailies‘ oder ‚Daily Soaps‘) oder endlich-fortlaufend (also ‚klassischer Serie‘)’ (Feil 2006, 242) unterschieden. Aufgrund ihrer Endlichkeit gibt es unter den klassischen Serien Exemplare (in der Regel handelt es sich dabei um Serials), die einen klar definierten erzählerischen Anfang haben, während dies bei Daily Soaps nicht der Fall ist. Diese haben zwar eine erste Episode, aber keinen Beginn, der ein allgemeingültiges narratives Ziel vermittelt. Damit verbunden ist auch die Eigenschaft, dass Daily Soaps kein vorhersehbares Ende besitzen. Auch das Fernsehen als massenmediale Institution übt Einfluss auf die Seriendramaturgie aus. Serien bilden einen Teil des Fernsehprogramms. Sie werden also in eine Struktur eingebettet, die wiederum so kalkuliert ist, dass bestimmte Abläufe und Zeitrahmen eingehalten werden müssen. Über die Jahre hat sich eine Norm für die Länge von Serien entwickelt, die eine Nettozeit von 22 oder 45 Minuten vorsieht. Während der Ausstrahlung werden weitere Minuten mit Werbeblöcken gefüllt, sodass die für Serien kalkulierten Programmslots jeweils 30 oder 60 Minuten betragen. Diese Gegebenheiten haben strukturelle Auswirkungen, da zum einen die Handlung innerhalb des vorgegeben Rahmens ablaufen muss und zum anderen Spannungsmomente so platziert werden müssen, dass seitens der Zuschauer das Interesse und die Spannung stabil bleiben, sodass sie die Handlung nach Werbe-blöcken und vor allem nach den Ausstrahlungspausen zwischen den einzelnen Episoden und den größeren Pausen zwischen den einzelnen Staffeln weiter verfolgen.

Über den Autor

Sandra Jasmin Garthaus, M.A., wurde 1985 in Recklinghausen geboren. Ihr Studium der Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum schloss die Autorin im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad Master of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Medienbranche, wobei ein besonderes Interesse an den medienspezifischen Erzählformen entstand. Insbesondere die Faszination an verschachtelten, nicht der Chronologie folgenden Erzählungen in Filmen, veranlasste sie zu der vorliegenden Studie.

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