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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Ein Betrieb - ein Tarifvertrag, dieser einprägsame Slogan kennzeichnete die Tariflandschaft in Deutschland für Jahrzehnte. Er war Ausdruck des Grundsatzes der Tarifeinheit, der von der Anwendbarkeit nur eines Tarifvertrages in einem Betrieb ausgeht. In seiner bahnbrechenden Entscheidung aus dem Jahre 2010 hat das Bundesarbeitsgericht diesen Grundsatz aufgegeben und damit den Weg für eine Tarifpluralität in Betrieben eröffnet. Nicht nur das Tarifvertragsrecht wird infolge der Richtungsänderung in der Rechtsprechung des BAG mit praktischen Problemen kämpfen müssen. Auswirkungen ergeben sich auf all die Gebiete, für die eine einheitliche Tarifanwendung im Betrieb bisher maßgebliche Bedeutung hatte. Die Autorin befasst sich in ihrer Studie mit den Folgen der grundsätzlichen Neuausrichtung des deutschen Tarifrechts für Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen und erläutert, welche Konsequenzen die Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts auf ihre künftige Anwendung haben wird.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3, Vorliegen einer Regelungslücke: Voraussetzung der Anwendung der Regelungen zur ergänzenden Vertragsauslegung ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Eine planwidrige Regelungslücke ist gegeben, wenn die Parteien bei Abschluss eines Vertrages einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und diese Annahme sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Eine solche Regelungslücke kann bei dem Wegfall der Bestimmbarkeit der großen dynamischen Bezugnahmeklausel angenommen werden. Aus der Bezugnahme auf das jeweils einschlägige tarifliche Regelungswerk ergibt sich bei der Vereinbarung großer dynamischer Verweisungsklauseln der Wille der Parteien, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der Tarifentwicklung ihres Betriebes auszurichten. Das Arbeitsverhältnis soll in seiner Entwicklung an diejenigen Arbeitsbedingungen gebunden werden, die für die Arbeitnehmer gelten, die von dem in Bezug genommenen Tarifvertrag erfasst werden. Aber auch inhaltlich sollen die Arbeitsverhältnisse flexibel gestaltet sein und eventuelle Wechsel der Tarifbedingungen mitmachen. Offensichtlich nicht bedacht wurde bei ihrer Vereinbarung allerdings die nun tatsächlich eingetretene Situation, dass das dynamisch in Bezug genommene Regelwerk aufgrund einer Änderung des tariflichen Umfelds allein mittels Auslegung des Arbeitsvertrages nicht mehr bestimmt werden kann. Für den Fall einer Tarifpluralität fehlt damit regelmäßig eine Regelung im Arbeitsvertrag. Jacobs begründet die Regelungslücke damit, dass nach bisheriger -wenn auch umstrittener- Rechtsprechung eine Tarifpluralität im Betrieb nicht möglich war und damit außerhalb des Vorstellungsvermögens der Vertragspartner lag. Den Vertragsparteien sei daher kein Vorwurf zu machen. Eine Lücke kann auch jedenfalls nicht deshalb verneint werden, weil die Vertragsparteien sich mit der vertraglichen Bezugnahme möglicherweise nur an den durch Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes ermittelten Tarifvertrages binden wollten. Für eine solche beiderseitige Vorstellung fehlt es in der vertraglichen Regelung an Anhaltspunkten. Das Gesetz hält für die vorliegende Fallkonstellation keine ersetzende Regelung bereit. Hromadka meint, dass der Gesetzgeber ehemals davon ausging, dass die Organisation der Gewerkschaften nach dem Industrieverbandssystem eine Regelung für den Fall überflüssig mache, dass es zu einer Überschneidung von Geltungsbereichen komme. Die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse verursache damit auch eine Gesetzeslücke. 3.4 Zulässigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung: Liegt danach bei Wegfall der Bestimmbarkeit der großen dynamischen Bezugnahmeklausel eine planwidrige Lücke vor, muss berücksichtigt werden, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zur Lückenfüllung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen soll. Das Bundesarbeitsgericht lässt die ergänzende Vertragsauslegung nachträglich entstandener Lücken nur dann zu, wenn das Unterbleiben der Vertragsergänzung keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet. Der ersatzlose Wegfall der großen dynamischen Verweisungsklausel bei Tarifpluralität führt dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifregelungen mangels Bestimmbarkeit keine Anwendung mehr auf das Arbeitsverhältnis finden. Damit entsteht für den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ein tariffreier Raum. Seine Arbeitsbedingungen würden allein durch die Anwendung von Gesetzesrecht bestimmt werden. Damit hätte er über § 612 Abs. 2 BGB allenfalls noch einen Anspruch auf die übliche Vergütung. Auch hinsichtlich der übrigen Arbeitsbedigungen wäre er im Vergleich zu seinen normativ gebundenen Arbeitskollegen erheblich schlechter gestellt. Eine solche Rechtsfolge wäre weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer akzeptabel. Der Arbeitnehmer verlöre den gewohnten Schutz, der Arbeitgeber wäre an einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im Betrieb gehindert. Das Unterbleiben der Vertragsergänzung ist damit keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung. Der Arbeitsvertrag eines nicht tarifgebundenen Arbeitnehmers ist daher nach Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit im Betrieb einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich.

Über den Autor

Tanja Stüben LL.M., geboren 1973 in Wiesbaden, hat Rechtswissenschaft und Personalwirtschaft studiert und arbeitet seit 1999 als Rechtsanwältin im Arbeitsrecht. Sie vertritt Arbeitnehmer, Arbeitnehmervertretungen, Gewerkschaften und Arbeitgeber. Daneben ist sie als Dozentin im Individual-, Tarifvertrags- und Betriebsverfassungsrecht aktiv. Vor Gründung ihrer Kanzlei im Jahre 2010 in Niedernhausen war sie einige Jahre als Justiziarin bei der Vereinigung Cockpit e.V. in Frankfurt tätig.

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