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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Im Juni 2010 entschied der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen einer Divergenzanfrage des 4. Senats nach 53 Jahren das 1957 vom Bundesarbeitsgericht geschaffene Prinzip der Tarifeinheit für ungültig zu erklären. Er meldete gar Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Prinzips an, nach welchem sich die Arbeitsgerichte jahrzehntelang richteten. Von der Lehre schon lange gefordert, folgten die Richter nun den Argumenten vieler Kritiker. Die Relevanz des Urteils für die Gesellschaft, welche die Konsequenzen schon seit mehreren Jahren im Rahmen von Streiks im Bahn- und Flugverkehr zu spüren bekommt, ist nicht zu unterschätzen. Im vorliegenden Buch sollen die Positionen, welche entweder die Tarifeinheit oder die ihr entgegenstehende Tarifpluralität befürworten, näher untersucht und bewertet werden. Dabei wird zunächst eine Einführung in die Thematik gegeben und die wichtigsten Begrifflichkeiten erklärt. Dazu wird auch der historische Kontext mit einbezogen. Im Zentrum der Studie werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Diese reichen von einer gesetzlichen Normierung über teilweise gesetzliche Regelungen bis hin zur kompletten Aufhebung der Tarifeinheit wie vom Bundesarbeitsgericht vorgeschlagen. Diese Ansätze werden detailliert erörtert und bewertet. Über der gesamten Studie soll dabei folgende Fragestellung stehen: Wie kann die Zukunft der Tarifeinheit und Tarifpluralität bewertet werden, nachdem das Bundesarbeitsgericht die richterrechtlich geregelte Tarifeinheit aufgehoben hat?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel C., Historische Entwicklung und aktueller Meinungsstand der Rechtsprechung: Die Tarifeinheit und Tarifpluralität werden und wurden in den letzten Jahrzehnten nicht einheitlich betrachtet. In den letzten 60 Jahren hat sich die Rechtsprechung den jeweiligen Bedingungen angepasst. Hier soll nun ein Abriss über die Geschichte der betreffenden Rechtsprechung gegeben werden, um die Problematik und Brisanz des Themas besser einordnen zu können. Zuvor wird die Entwicklung der Tarifautonomie in Deutschland in Kürze dargestellt. I., Entwicklung der Tarifautonomie in Deutschland: Die Geschichte der Tarifautonomie ist auch die Geschichte der Gewerkschaften in Deutschland. Der Beginn der Tarifautonomie kann in den 1860er Jahren gesehen werden. Allerdings lassen sich die Gewerkschaften kaum als solche bezeichnen, da sie nur geringfügig organisiert waren. Sie waren branchenspezifisch organisiert (z. B. der Verband der Drucker oder Zimmerer), dies jedoch noch nur regional begrenzt. Aufgrund der geringen Durchsetzungskraft dieser Gewerkschaften war die Tarifautonomie nur von geringer Bedeutung. Selbst wenn Verträge abgeschlossen wurden, war ein Bruch nicht ausgeschlossen. Gründe waren die geringe Wirtschaftsstabilität und starke konjunkturelle Schwankungen sowie keine Konsequenzen bei Bruch des Vertrages. Ab 1890 bis zum ersten Weltkrieg 1914 war ein spürbarer Aufschwung der Gewerkschaften erkennbar. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen stieg die Zahl der Mitglieder der Gewerkschaften. Zum anderen waren die ökonomischen Rahmenbedingungen vergleichsweise konstant und die gesellschaftliche Akzeptanz seitens der Öffentlichkeit und der Arbeitgeber war vorhanden. 1899 wurde beim freigewerkschaftlichen Gewerkschaftskongress ein Bekenntnis zu einer reformorientierten, auf Tarifverträge ausgerichtete Politik abgegeben. Durch die zunehmende Organisation der Arbeitgeber in Arbeitgeberverbände wurden die Verhandlungen von Tarifverträgen zudem zunehmend professioneller. Die Zahl der Tarifabschlüsse stieg bis Ende 1913 auf über 11.000. Parallel dazu stieg auch die Zahl der Arbeitskämpfe in Deutschland. Diese Situation änderte sich im Wesentlichen nicht bis zum Beginn des NS-Regimes 1933. Durch das Verbot der Gewerkschaften wurde die Tarifautonomie bis zum Ende des zweiten Weltkrieges vollständig verhindert. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde durch die Siegermächte im Westen Deutschlands das Verbot der Gewerkschaften aufgehoben, es bildeten sich die großen Dachverbände des DGB, dbb und DAB, welche von verschiedenen Einzelgewerkschaften ‘bevölkert’ wurden. Diese Dachverbände wurden von den Arbeitgebern als Verhandlungspartner akzeptiert, somit entwickelte sich wieder eine angemessene Tarifautonomie, die zum einen von Art. 9 III GG geschützt wurde, zum anderen bundesgesetzlich durch das Tarifvertragsgesetz von 1949 reglementiert wurde. Bis heute ist das Verhältnis von Arbeitgeberverbänden zu Arbeitnehmerverbänden grundsätzlich unumstritten. Im Laufe der letzten Jahre haben sich verschiedene spezialisierte Spartengewerkschaften herausgebildet, die als eigenständiger Verhandlungsführer gegenüber den Arbeitgebern auftreten. II., Entwicklung der Rechtsprechung zur Tarifeinheit und -pluralität von 1957 – 2010: Die rechtliche Konstruktion der Tarifeinheit wurde durch das sog. Blitzschutzanlagen-Urteil durch das Bundesarbeitsgericht 1957 gebildet.6 Im vorliegenden Fall hatte ein Betrieb mehrere Gewerbearten und dadurch innerbetrieblich konkurrierende Tarifverträge. Der 4. Senat des BAG urteilte: ‘c) Der Grundsatz der Tarifeinheit schließt nicht nur aus, daß ein Arbeitsverhältnis von mehreren konkurrierenden Tarifverträgen geordnet wird, sondern besagt auch, daß alle Arbeitsverhältnisse in dem Betrieb grundsätzlich nach demselben Tarifvertrag geordnet werden. d) Hat der Betrieb verschiedene Zwecke, so ist für die Tarifanwendung die Betriebstätigkeit maßgebend, die dem Betriebe überwiegend das Gepräge gibt. Der Tarif ist anzuwenden, der der zur Erreichung des Betriebszweckes in dem Betriebe überwiegend geleisteten Arbeit am meisten entspricht.’ Wie aus dem Tenor hervorgeht, wendete das BAG für den Betrieb die Regel ‘ein Betrieb, ein Tarifvertrag’ an. Dieses Urteil wurde im Anschluss nahezu widerspruchslos angenommen und in den folgenden Jahren von den Gerichten angewendet. Hintergrund war auch, dass die großen Dachverbände von diesem Urteil nicht negativ beeinträchtigt wurden. Für sie änderte sich nach dem Urteil nichts, für die Arbeitgeber war von Vorteil, dass sie mit nur wenigen großen Verhandlungspartnern zu Tarifabschlüssen kommen konnten. Auch aus gesellschaftlicher Sicht waren an der Rechtsprechung keine Kritiken zu erwarten aufgrund der stabilen Lage Deutschlands während des Wirtschaftswunders wurde die Entscheidung von der Bevölkerung kaum wahrgenommen. In den folgenden fast 40 Jahren wurde die Tarifeinheit angewandt und immer wieder von verschiedenen Urteilen bestätigt, jedoch von der Lehre zunehmend kritischer gesehen. Ein möglicher Wandel weg von der Anwendung des Prinzips der Tarifeinheit im Betrieb zeigte sich 1997. Hier entschied sich das BAG im Ergebnis erstmals gegen die Tarifeinheit, ging in seiner Argumentation allerdings nicht explizit auf alle erforderlichen Problemstellungen ein. Weitere Aufweichungen der Haltung des BAG folgten in den Jahren 2001 bis 2007. Gerade durch die bereits zuvor genannten Bildungen von spezialisierten Spartengewerkschaften wie die Unabhängigen Flugbegleiter Organisation e. V. (UFO) wurde der Druck auf die Gerichte erhöht, ihre jahrelang gepflegte Position abzuändern. Im Januar 2010 beschloss der 4. Senat des BAG, die bisherige Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität aufzugeben. Rechtsnormen eines Tarifvertrages sollten in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen im Betrieb unmittelbar unabhängig davon gelten, ob für ihn kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers mehr als ein Tarifvertrag gilt. Aufgrund einer abweichenden Auffassung stellte der 4. Senat eine Divergenzanfrage nach § 45 III S. 1 ArbGG an den 10. Senat, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhalte und das Prinzip der Tarifeinheit weiter vertrete oder ob er, wie der 4. Senat, die Aufhebung der Tarifeinheit befürworte. Der 10. Senat beschloss am 23. Juni 2010, seine Rechtsansicht aufzugeben und sich der Rechtsauffassung des 4. Senats anzuschließen. Durch den Beschluss wurde am 07. Juli 2010 das Verfahren, welches zur Divergenzanfrage führte, beendet und damit der ‘Rechtsprechungswechsel vollzogen.’ Auch in Folgeverfahren wurde nun nach den neuen Grundsätzen geurteilt.

Über den Autor

Malte Fritsch, LL.B., wurde 1986 in Paderborn geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Berufsausbildung zum Industriekaufmann bei einem Technologiekonzern in Hamburg und Berlin. Hiernach begann er berufsbegleitend sein Studium des Wirtschaftsrechts an der Hochschule für Oekonomie und Management in Hamburg, das er 2012 mit dem Bachelor of Laws (LL.B.) erfolgreich abschloss. Schwerpunkte des Studiums waren insbesondere die Bereiche Personal- und Arbeitsrecht. Nach dem Studium entschloss sich der Autor, sich dem Bereich des kollektiven Arbeitsrechts zu widmen. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der aktuellen Rechtsprechung wurde somit die vorliegende Studie erstellt. Zurzeit ist der Autor Student der Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg.

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