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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 11.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 166
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Anfang des Jahres 2010 fand eine gravierende Weiterentwicklung im Kündigungsrecht statt. Durch den Europäischen Gerichtshof wurde § 622 Abs. 2 S. 2 BGB als europarechtswidrig erklärt. Diesbezüglich wird in diesem Buch - unter dem Gliederungspunkt B - ein historischer Überblick über die Entwicklung zu § 622 BGB von 1940 bis 2010 gegeben. Neben den historischen Aspekten werden die zwei gravierendsten Gerichtsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 62,256 und BVerfGE 82,126) näher betrachtet. Im Gliederungspunkt C wird die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mit seinem Urteil vom 19. Januar 2010 ( Kücükdeveci -Entscheidung), Aktenzeichen C-555/07, behandelt. Ebenso wird auf die vorausgegangene Richtlinie 2000/78 der Europäischen Gemeinschaft, deren Entstehung und Umsetzung sowie die nachfolgend ergangene wichtige europäische Gerichtsentscheidung eingegangen ( Mangold -Entscheidung, Rs. C-144/04). In diesem Zusammenhang wurden einige Gerichtsentscheidungen der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte, aber auch des Bundesverfassungsgerichts herangezogen, um eine Entscheidungstendenz der nationalen Gerichte bis zum Zeitpunkt der Kücükdeveci -Entscheidung geben zu können. Um weitreichendere Eindrücke und auch einen Überblick über einzelne Kündigungsschutzregelungen anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu bekommen, befasst sich der Gliederungspunkt D beispielhaft mit dem Kündigungsrecht in Frankreich und Österreich. Hierdurch werden die besonderen Regelungen und bestehende Unterschiede zu deutschen Normen herausgestellt. Ein weiterer Bestandteil - Gliederungspunkt E - dieses Werkes stellt eine von der Autorin initiierte Umfrage in den Handwerksbetrieben des Handwerkskammerbezirks Halle dar. Hieraus wird deutlich werden, ob und inwieweit die Betriebe von der Neuregelung Kenntnis haben und ob es in den einzelnen Fällen bereits zu finanziellen Belastungen gekommen ist, bzw. ob es noch ausstehende Arbeitsgerichtsprozesse diesbezüglich gibt. Die Kücükdeveci -Entscheidung führte auf europäischer Ebene nicht nur dazu, dass die nationalen Gesetze in Deutschland einer Änderung bedürfen, sondern vielmehr müssen auch die einzelnen Tarifverträge dahingehend abgeändert werden. Hierzu werden im Gliederungspunkt F die für das Handwerk relevanten Tarifverträge näher betrachtet und einer Auslegung hinsichtlich der nicht gesetzeskonformen Passagen zu § 622 BGB unterzogen. Ferner erfolgt in diesem Buch eine Darstellung von Aussagen ausgewählter Arbeitgeberverbände, wie diese in der Praxis mit der durch den Europäischen Gerichtshof empfohlenen Nichtanwendung von § 622 Abs. 2 S. 2 BGB bis zur Gesetzesänderung umgehen werden. Das gesamte Werk wird demzufolge in seinem Grundanliegen einen großen Überblick über die rechtliche Genese des § 622 BGB geben, aber zugleich auch die für die Praxis relevanten Auswirkungen dieser europarechtlichen Entscheidung in den Handwerksbetrieben des Kammerbezirks Halle aus Sicht der Autorin vermitteln.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Instanzenzug in Sachen ‘Kücükdeveci’: a) Deutscher Instanzenzug bis zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof: aa) 1. Instanz - Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 15.06.2007 (Aktenzeichen: 7 Ca 84/07): Am 09. Februar 2007 reichte die Klägerin Kücükdeveci Klage beim Arbeitsgericht Mönchengladbach gegen die Arbeitgeberin ein. Hintergrund war, dass die 29-jährige Klägerin seit dem 05. Juli 1996 als gewerbliche Arbeitnehmerin im Standort (Versand) O. bei der Beklagten beschäftigt war und sie mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 zum ‘…31. Februar 2007…’ , hilfsweise zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt, betriebsbedingt gekündigt wurde. Die Klägerin führte in ihrer Klagebegründung aus, dass die Kündigung zum einen nicht sozial gerechtfertigt sei, schließlich ist sie 2 Kindern unterhaltsverpflichtet und zum anderen ist die Kündigungsfristenberechnung falsch, da § 622 Abs. 2 S. 2 BGB auf Grund der Altersdiskriminierung gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Die Beklagte führte an, dass auf Grund der Standortschließung in O. leider auch keine Stelle in F. frei wäre, die der Klägerin hätte angeboten werden können. Darüber hinaus verfüge sie auch nicht über die nötigen EDV-Kenntnisse und das flüssige Maschinenschreiben, welche am Standort F. im Kundenberatungszentrum Voraussetzung sind. Das Gericht stellte fest, dass hier keine betriebsbedingte Kündigung der Klägerin vorlag und das Arbeitsverhältnis somit nicht durch das Kündigungsschreiben vom 19. Dezember 2006 aufgelöst ist. Die gerichtliche Prüfung des betriebsbedingten Kündigungsgrundes erfolgte erstens durch die Betrachtung der unternehmerischen Entscheidung hier wurde weder eine offensichtliche Unsachlichkeit noch Willkür durch den Beklagten festgestellt. Als zweiten Punkt betrachtete das Gericht die soziale Rechtfertigung der Kündigung und kam zum Ergebnis, dass eine Weiterbeschäftigungsverpflichtung gem. § 2 Abs. 2 KSchG gegeben ist. Dies resultiert daher, da die Klägerin eine Stellenausschreibung eines freien und zumutbaren Arbeitsplatzes, welcher auch im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Kündigungsausspruch stand, vorlegen konnte. Auch dem Beklagtenvorbringen, dass die Klägerin nicht über ausreichend EDV-Kenntnisse und das flüssige Maschinenschreiben verfügt entgegnet das Gericht, die Klägerin wäre in der Lage, sich die fehlenden Kenntnisse anzueignen. Hierfür hält die Kammer eine Einarbeitungszeit von wenigen Monaten für realistisch. Allerdings kann i.d.R. keine feste Frist genannt werden. Das Gericht sieht regelmäßig eine Einarbeitungszeit für ausreichend und zumutbar an, sobald diese im Zeitraum der Kündigungsfrist erfolgen kann. Sodann schwenkt es auf den Kündigungszeitpunkt um und ist der Ansicht, dass der 30. Mai 2007 der Kündigungstermin wäre, was die Kammer aber trotz alledem offen lässt. Zur Begründung führt sie kurz an, das § 622 Abs. 2 S. 2 BGB gegen das europäische Primärrecht verstoße und dass das Verbot der Altersdiskriminierung zum Grundsatz des Gemeinschaftsrechts zähle. Sodann nimmt es Bezug auf die europäische Gerichtsentscheidung ‘Mangold’ und führt aus, dass nationale Regelungen, welche gegen europäische Grundsätze verstoßen, von nationalen Gerichten nicht mehr angewandt werden dürfen. Darüber hinaus sieht das Gericht die Frage der richtigen Kündigungsfrist nicht mehr als für entscheidend an. Wichtig für die Urteilfindung war, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ein freier, zumutbarer Arbeitsplatz am Standort F. gegeben war und die Beklagte die Klägerin hätte dort weiterbeschäftigen können. Somit war die Kündigungsschutzklage erfolgreich. bb) 2. Instanz - Vorlagebeschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.11.2007 (Aktenzeichen: 12 Sa 1311/07): Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 20. November 2007 die Kündigungsschutzklage abgewiesen, allerdings hierbei offen gelassen, ‘ …ob die Kündigung zum 31. Januar 2007 oder erst zum 30. April 2007…’ erfolgt. Daraufhin wurde das Verfahren ausgesetzt und ein Vorlagebeschluss an den EuGH gefertigt. Gem. Art. 267 AEUV (Art. 234 EGV a.F.) formulierte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf folgende Fragen: ‘1. a) Verstößt eine nationale Gesetzesregelung, nach der sich die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen mit zunehmender Dauer der Beschäftigung stufenweise verlängern, jedoch hierbei vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers unberücksichtigt bleiben, gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, namentlich gegen Primärrecht der EG oder gegen die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000? b) Kann ein Rechtfertigungsgrund dafür, dass der Arbeitgeber bei der Kündigung von jüngeren Arbeitnehmern nur eine Grundkündigungsfrist einzuhalten hat, darin gesehen werden, dass dem Arbeitgeber ein – durch längere Kündigungsfristen beeinträchtigtes – betriebliches Interesse an personalwirtschaftlicher Flexibilität zugestanden wird und jüngeren Arbeitnehmern nicht der (durch längere Kündigungsfristen den älteren Arbeitnehmern vermittelte) Bestands- und Dispositionsschutz zugestanden wird, z.B. weil ihnen im Hinblick auf ihr Alter und/oder geringere soziale, familiäre und private Verpflichtungen eine höhere berufliche und persönliche Flexibilität und Mobilität zugemutet wird? 2. Wenn die Frage zu 1 a bejaht und die Frage 1 b vereint wird: Hat das Gericht eines Mitgliedsstaats in einem Rechtsstreit unter Privaten die dem Gemeinschaftsrecht explizit entgegenstehende Gesetzesregelung unangewendet zu lassen oder ist dem Vertrauen, das die Normunterworfenen in die Anwendung geltender innerstaatlicher Gesetze setzen, dahingehend Rechnung zu tragen, dass die Unanwendbarkeitsfolge erst nach Vorliegen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die inkriminierte oder eine im wesentlichen ähnliche Regelung eintritt?’ Durch diese Fragestellung, deckt das Landesarbeitsgericht die vorhergehenden unterschiedlichen Auffassungen zur Anwendung bzw. Nichtanwendung von § 622 Abs. 2 S. 2 BGB m.E. gut ab. Weiterhin setzt es einen weit gefächerten rechtlichen Rahmen. Beginnend mit § 622 BGB und dem historischen Bezug zu § 2 AngKSchG, über den aus der RL 2000/78/EG resultierenden § 2 Abs. 4 AGG bis zum Grundgesetz (Art. 3, 20, 100) auf der nationalen Ebene, folgt es weiter der Betrachtung auf der europäischen Ebene über RL 2000/78/EG (Art. 1, 2, 6, 7). Im Gegenteil zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vom 18. November 2008, 4 BvL 4/08, ist diese Begründung inhaltlich, detaillierter und umfangreicher. Darüber hinaus wird nicht nur das nationale Recht, sondern auch das europäische Gemeinschaftsrecht mit betrachtet. Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts beginnt auf nationaler Ebene. Hiernach wäre die Kündigungsschutzklage abzuweisen, da § 622 Abs. 2 S. 2 BGB zur Anwendung kommen würde. Dieser Satz 2 ist zum einen unmissverständlich und zum anderen existiert ein Altersschwellenwert im BGB bereits seit 1969. Zum damaligen Zeitpunkt war es der gesetzgeberische Wille ältere, länger beschäftigte Arbeitnehmer zu schützen . Neben dieser Betrachtung wurde auch Bezug zu § 2 Abs. 4 AGG geschaffen. Hiernach wird allerdings die Anwendung des AGG für den Bereich des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes, also auch den Kündigungsschutzregeln aus dem BGB, herausgenommen. Bei der Betrachtung des Grundgesetzes wurde Art. 20 Abs. 3 GG herangezogen. Es ist auch nachvollziehbar, dass das geltende nationale Recht und Gesetz auch von den nationalen Gerichten anzuwenden ist. Würde es bei dieser Betrachtungsweise bleiben, hätte § 622 Abs. 2 S. 2 BGB angewandt werden müssen. Auch setzte sich das Gericht mit der möglichen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) auseinander. Allerdings kam es nach längerer Argumentation zu dem Entschluss, da es nur Zweifel an der Verfassungswidrigkeit der Norm hatte und nicht von der Unzulässigkeit überzeugt war, dass die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zu richten ist. Bei der Betrachtung des Gemeinschaftsrechts kommt das Gericht zu dem Entschluss, dass die RL 2000/78/EG selbst keine unmittelbare horizontale Wirkung entfaltet. Selbst wenn die Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt ist und nun eine richtlinienkonforme Auslegung möglich wäre, bedarf es hierfür jedoch immer noch einer auslegungsfähigen Norm. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist dies jedoch nicht. Was allerdings durch das EuGH-Urteil ‘Mangold’ aufgeworfen und stark diskutiert wurde, stellt hier die Vorlagefrage 1 dar. Darüber hinaus erklärte der Europäische Gerichtshof durch die Entscheidung ‘Mangold’, dass die nationalen Gerichte die nationalen Regelungen unangewendet lassen sollen, sofern sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts) verstoßen. Jedoch sind sich nicht alle Gerichte (wie die Entscheidungstendenz der Gerichte unter Punkt C. 2. zeigt) hierüber im Klaren und teilweise noch irritiert. Dies kommt offensichtlich daher, dass Art. 20 Abs. 3 GG die nationalen Gerichte zur Anwendung geltender Gesetzesnormen verfassungsrechtlich verpflichtet und § 622 Abs. 2 S. 2 BGB national geltendes Recht darstellt. Selbst wenn man bedenkt, dass sich nationale Gerichte über nationalen Normen hinwegsetzen können, da sie nicht europarechtskonform sind, würde eine Rechtsunsicherheit im Land entstehen. Es würden Gerichte entweder nach geltendem nationalem Recht entscheiden oder sie sehen diese Norm auf Grund des europäischen Primärrechts als nicht europarechtskonform an und lassen diese unangewendet. Ein Vorschlag des Gerichts diesbezüglich wäre, sobald das europäische Primärrecht in Anwendung kommen soll, müsse der Europäische Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren voran geschalten werden. Darüber hinaus stellt das Gericht die Frage des Vertrauensschutzes für die Verwender dieser Normen. Es ist gerade im europäischen Primärrecht schwer nachzuvollziehen, welche Grundsätze gegeben sind und welche nicht. Diese Unsicherheit kommt daher, dass diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgeschrieben waren. Erst seit Ende 2009 wurde diese durch die Europäische Grundrechtscharta entgegengewirkt. Anhand dieser Vorlage obliegt es nun dem EuGH eine Stellungnahme zu dieser Problemfrage abzugeben.

Über den Autor

Jana Henning wurde 1982 in Halle (Saale) geboren. Nachdem sie ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten erfolgreich absolviert hatte, entschied sich die Autorin, ihre fachlichen Qualifikationen im Bereich Recht zu erweitern. Im Jahr 2005 nahm sie sodann das Studium an der Hochschule Anhalt auf. Der Studienschwerpunkt lag während des Bachelor- und auch des Masterstudiums im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Während des gesamten Studiums absolvierte die Autorin kontinuierlich Praktika in unterschiedlichen Rechtsabteilungen und auch Rechtsanwaltskanzleien. Hierdurch gelang es ihr, das erworbene Wissen gut in der Praxis anzuwenden und weitere Erfahrungen zu sammeln.

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