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Soziologie


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Mal affektiert, mitunter versteckt, manchmal auch scheinbar beiläufig passiert sie, die Selbstinszenierung des Autors Christian Kracht. Ob im medialen Verwirrspiel um sein wahres Ich, bei der ästhetischen Selbststilisierung in seinen Texten oder als Grenzgänger zwischen Autor, Figur und Erzähler in Romanen wie Faserland : Kracht beherrscht die Mechanismen der Aufmerksamkeit auf vielfältige Weise. Wie inszeniert sich Kracht auf den Fotos seiner Bücher? Welche Spuren zur Autor-Figur kann man auf den Umschlagseiten entdecken? Und welche Strategien verfolgt der Autor in Facebook? Die vorliegende Studie analysiert diese Aspekte auf Grundlage des nach Gérard Genette entwickelten Konzepts des Paratextes. Besondere Beachtung schenkt die Untersuchung dem Wikipedia-Eintrag des Schriftstellers. Daraus geht hervor, dass Christian Kracht wahrscheinlich sein Profil an signifikanten Stellen heimlich selbst geändert hat. Die Studie zur Autor-Inszenierung gehört zu den wenigen ihrer Art, die sich auf eine breite theoretische Grundlage zur Theorie der Autorschaft und Performanz stützt - von Roland Barthes und Michel Foucault bis zu Gabriele Klein, Dirk Niefanger und Erika Fischer-Lichte.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.7, Forschungsstand zur Autorinszenierung Christian Krachts: Auf den ersten Blick sind Einwände innerhalb der traditionell analytisch-textlastigen literaturwissenschaftlichen Disziplin durchaus berechtigt, weshalb ‘Oberflächenphänomene’ wie das mise en scène des Autors Kracht überhaupt als relevante Gegenstände eines Ansatzes akzeptiert werden können. Doch der lange wie in Stein gemeißelte Glaubenssatz vom Tod des Autors ist seit wenigen Jahren im Begriff zu bröckeln. Forscher wie Till Huber oder Moritz Baßler, die sich mit deutschsprachiger Popliteratur befasst haben, erkennen hinter der vermeintlich belanglosen, zur Schau gestellten Hülle ein komplexes, semiotisches Spiel mit kulturellen Symbolen und Rekursen, eine ‘Poetik der Oberfläche’ , die Bezüge zwischen den sogenannten popliterarischen und popkulturellen Autorschaftskonzepten und dem ästhetischen Kompositionsprinzip des Dandyismus herstellt. Insbesondere Christian Kracht ‘als dem wohl einflussreichsten und vielgestaltigsten unter den 'Kiwi-Popliteraten'‘ wird in vielen Aufsätzen große Beachtung geschenkt. Dabei befassen sich die Untersuchungen - und das kann in diesem sensiblen Forschungsfeld, um Missverständnisse vorzubeugen, nicht oft genug betont werden - nicht mit psychologisierenden oder positivistischen Mutmaßungen, etwa, welche ‘Privatperson’ sich hinter Christian Kracht verbirgt oder welche versteckten Antriebe des Krachtschen Seelenlebens für Inszenierungen und dessen Roman- und Textproduktion verantwortlich gemacht werden können. Im Großen und Ganzen sehen jene Untersuchungen in Krachts Selbstentwürfen ein Verfahren kompositorischer Autorpoetik, die sich in an der Oberfläche manifestierten Motiven äußert, als komponierte und inszenierte Identität, die sich der poetischen Funktion der Ästhetik, der sozialen Distinktion und Provokation und des Non-Konformismus verpflichtet. Davon zeugen unter anderem Titel wie Der postmoderne Dandy – die Figur Christian Kracht zwischen ästhetischer Selbststilisierung und aufklärerischem Sendungsbewusstsein (Lettow) oder Dirk Niefangers Aufsatz Provokative Posen. Zur Autorinszenierung in der deutschen Popliteratur . Will man mehr über einzelne Kracht-Inszenierungen erfahren, ist die Anzahl an wissenschaftlichen Aufsätzen relativ ergiebig. Auch wenn die Lektüre keine kritischen Betrachtungen bereithält, ist hier in erster Linie die Aufsatzsammlung ‘Christian Kracht. Zu Leben und Werk’ zu nennen. 2.8, Christian Kracht und der Dandyismus: Für viele Kritiker und Literaturwissenschaftler ist der schweizerische Autor ein Mysterium, eine Autorfiguration, die sich aus Charakterzügen seiner Romanfiguren und einer artifiziellen Identitätskomposition zusammensetzt. Die Entität Christian Kracht repräsentiert ein nonkonformistisches Label. Ein avantgardistisches Räderwerk, immer einen Tick den Beobachtern seines Ziffernblatts voraus, ein Räderwerk, dessen voranschreitende Dynamik sich im Inneren stets auf der Flucht vor der vorschnellen Sondierung von außen befindet. Kurz gesagt: Christian Kracht ist ein Dandy. Wie der Dandy mit sozialen Distinktionsversuchen gegen das Konventionelle vorgeht, hat Susan Sontag in ihrem berühmten Aufsatz Notes on ‘Camp’ pointiert dargelegt. Deren Vorstellung von ästhetischem Geschmacksempfinden firmiert unter dem Namen Camp. Der ‘Geist der Extravaganz’, das ‘Kunstmäßige als Ideal, das Theatralische’ und die Aufwertung von Low-Culture zeichnen dieses Kunstkonzept aus. Gleichzeitig fungiert Camp als ein ästhetisches Legitimationskonzept für jenen subkulturellen Anhänger, den Dandy, dessen elitäres Geschmacksempfinden alles gesellschaftlich vulgäre, normale oder langweilige angreift. Der Dandy ist an einer Stilsicherheit zu erkennen, ein Anhänger einer Subkultur, die sich mit einem selbstkomponierten ästhetischen Lebensentwurf gegen den Strom des Massengeschmacks wendet. In Zeiten der ‘Bewusstseinsindustrie’ (Gnüg), in der kulturelle vorgefertigte Identitätsangebote jede Form von genuiner Individualität torpedieren, zirkuliert die selbst gesetzte Existenzberechtigung des Dandys um eine zentrale Frage: ‘How to be a dandy in the age of mass culture?’. In ihren Erklärungen zum Selbstverständnis des Dandys setzten die ersten Theoretiker unterschiedliche Schwerpunkte. Honoré de Balzac legt sich auf die äußerlich sichtbare Eleganz fest, Barbey d’Aurevilly versucht die Figur mit der Biographie George Bryan Brummells in Einklang zu bringen und akzentuiert die dandyistischen Charakterzüge. Die Affektkontrolle und Selbstreflexion des Dandys stellt Charles Baudelaire in den Vordergrund, sieht eine Entsprechung zwischen Dandy- und Künstlerexistenz und hebt die Dandyattribute in den Portraits der von ihm geschätzten Maler und Schrifsteller hervor . Es ist gerade Baudelaires Maxime und die darin enthaltene Spiegel-Metaphorik, welche die Lebensästhetik der Romanfigur Dorian Gray, den Titel dieser Studie und der Lebensentwurf Christian Krachts zusammenführt: ‘Der Dandy hat danach zu streben, ununterbrochen sublim zu sein, er muß vor einem Spiegel leben und schlafen’.

Über den Autor

David Fischer wurde 1987 in Bad Saulgau geboren. Sein Studium der Germanistik und Soziologie an der Universität Stuttgart (B.A.) schloss er im Jahr 2012 ab. Zu seinen Schwerpunkten zählten unter anderem deutsche Pop-Literatur und Systemtheorie. Momentan arbeitet der Autor als freier Journalist in Hamburg. Seinen akademischen Weg setzt er parallel im Master-Studiengang Deutschsprachige Literaturen an der Universität Hamburg fort.

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