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Geisteswissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 08.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Für das Werk von James Joyce ist die Epiphanie ein wichtiges strukturelles Element. Auch Prousts 'mémoire involontaire'-Episoden können strukturell als Epiphanie-Momente aufgefasst werden. Wilhelm Genazino, für den das Werk beider Autoren von Bedeutung ist, radikalisiert diese Epiphanie-Konzeptionen. Auslöser von Epiphanie-, d.h. Erkenntnismomenten, sind profane Objekte, die Genazinos Protagonisten auf ihren Streifzügen durch die modernen Stadtlandschaften aufspüren. An solch banalen Objekten wie herumliegenden Telefonbüchern entzündet sich ihre Phantasie. Von anderen unbeachtet, gewinnen diese Objekte vielfältige Bedeutung für Genazinos Stadtstreuner. Sie werden dieser Dinge 'habhaft auf Entfernung' (Merlau-Ponty) mittels ihrer Technik des gedehnten Blicks, mithilfe dessen sie Bedeutung erfassen, konstituieren und kreativ mit ihr spielen. Diese kreative Form des Wahrnehmens ist nicht zuletzt Individuations- wie Kompensationsstrategie für Genazinos melancholische Großstadtbewohner. Sie schaffen sich in einer als oftmals entzaubert empfundenen Alltagswelt zauberhafte Momente oder – mit Genazino gesprochen – 'Ihre eigenen Selbstberuhigungsprogramme'. Die Arbeit untersucht beispielhaft die Genese des Epiphaniebegriffs, seine Bedeutung für die literarische Moderne (von Hofmannsthal, Proust, Joyce) und die darin erfolgende Neubestimmung sowie die Bedeutsamkeit des Konzepts für das literarische Werk des Gegenwartsautors Wilhelm Genazino.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Die Epiphanie in der Prosa Wilhelm Genazinos. Zur Ver- und Entzauberung der Alltagswelt: Im nun folgenden Hauptteil der Arbeit soll die Prosa Wilhelm Genazinos im Fokus stehen. In einem ersten Schritt wird die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung (als Voraussetzung) für Genazinos Epiphanien untersucht, um anschließend auf unterschiedliche Aspekte der Epiphanien in Genazinos Arbeiten einzugehen. 3.1, Eine Phänomenologie des Sehens: Zunächst soll hier die Bedeutung des kindlichen Sehens, wie Genazino es auffasst, für die Beobachtungstechnik seiner Protagonisten herausgestellt werden, um anschließend den Beobachtungsraum Großstadt und die Bedeutung des Spazierengehens zu untersuchen. 3.1.1, Sehen wie ein Kind: Maurice Merleau-Ponty formuliert in seinem Essay Das Auge und der Geist: ‘Sehen ist Habhaftwerden auf Entfernung’ und weist dem Sehen damit eindeutig Aneignungscharakter zu. Offen lässt er für den Augenblick, was sich mit dem Akt des Sehens aneignen lässt. Wilhelm Genazino misst der visuellen Wahrnehmung ebenfalls große Bedeutung bei. Die für das Epiphanie-Erlebnis so wichtige Sinneserfahrung ist bei ihm wesentlich an eine bestimmte Art der visuellen Wahrnehmung gekoppelt, die im Folgenden erläutert werden soll. In seinem Essay Der gedehnte Blick geht Genazino von einem Primat des Sehens vor der Sprache aus und erläutert seine These anhand seiner Beobachtungen des kindlichen Sehens. Kinder, so Genazino, verbringen einen Großteil vor allem ihrer frühesten Kindheit damit, ihren Blick durch eine Umgebung streifen zu lassen, die sie (noch) nicht verstehen: ‘Das Sehen des Kindes ist ein Sehen in nicht erklärte Räume.’ Man könne Kinder gerade deshalb oft dabei beobachten, wie sie vollkommen still auf einem Platz sitzen und staunend ein ihnen noch unbekanntes Objekt oder Geschehen betrachten und dabei völlig entrückt erscheinen, weil sie ihre ganze Konzentration auf das beobachtete Objekt gerichtet haben: ‘Das Kind hat seine Physis vorübergehend dazu konditioniert, alle weiteren Körperausdrücke zu unterlassen, weil sie das Sehen stören würden. Wir beobachten an Kindern zum erstenmal das, was wir den gedehnten Blick nennen können.’ Hinter dem sogenannten gedehnten Blick verbirgt sich bei Genazino eine - vor allem beim Erwachsenen - bewusste Versenkung in den betrachteten Gegenstand. Der gedehnte Blick ist ein besonders fokussierter, aussondernder Blick. Mithilfe dieses gedehnten Blicks brächten Kinder eine ‘private Weltblickgeschichte’ hervor, zu der sie immer öfter Ideen und Gedanken entwickelten, die sie irgendwann mitteilen wollten und dann, so Genazino, begännen zu sprechen.

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