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Geisteswissenschaften

Thomas De Filippi

Found in Translation: Interkulturelle Verständigung durch die Synchronisation

ISBN: 978-3-95820-056-2

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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 56
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Blockbuster, Telenovela, Filmbiografie, Dramenfilm… Die meisten Spielfilme durchlaufen nach der Fertigstellung einen weiteren Prozess - die Synchronisation. Als wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand kaum beachtet, spukt sie zugleich vor den Augen und Ohren des dispersen Publikums durch die Wohnzimmer und Kinosäle. Und gerade weil diese Form kultureller Vermittlung so allgegenwärtig ist, gilt es, sie näher ins Licht theoretischer Reflexion zu rücken, als dies bisher geschah. Zudem gewinnt die Empirie durch die technische Reproduzierbarkeit audiovisueller Medien auf einzigartige Weise eine Basis, auf der die parole nicht mehr flüchtig ist. Erstmalig wird die gesprochene Sprache durch ihre Fixierung in audiovisuellen Medien in ihrer Gänze exakt wiederhol- und somit besser beschreibbar.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.4, Die soziokulturelle Betrachtungsweise: Hönig und Kußmaul abstrahieren die Übersetzung von Texten um ein Weiteres und sehen die Kriterien einer ‘guten’ Übersetzung in der Überwindung kultureller Diskrepanz zwischen Ausgangs- und Zieltext respektive zwischen Ausgangs- und Zielkultur. Demnach hat sich eine Übersetzung mehr nach der spezifischen Situation zu richten, in der sie rezipiert und somit interpretiert wird als nach der Textform oder gar des einzelnen Wortes. Ein ‘AS-Text [ist] nicht als ein fertiges Bedeutungsgefüge, sondern im Wesentlichen als ein Angebot von linguistischen Instruktionen, das je nach Interesse und Situation des Übersetzers verschieden als Bedeutung realisiert wird, [zu sehen.]’ Sprache wird somit primär als Werkzeug kommunikativer Pragmatik angesehen, die abhängig von kulturellen Konventionen unterschiedlich angewendet wird. Im Gegensatz zur Betrachtungsweise des prototypologischen Ansatzes wird das bestehende Bedeutungsgefüge durch die Interpretation zielsprachlicher Konventionen überlagert. Nehmen wir, wie im vorangegangen Kapitel, wieder die Übersetzung eines Beipackzettels als Beispiel, zeigt sich, dass die Spezifikation, es handle sich um eine inhaltsbetonte Textform, nicht ausreicht. Selbst diese scheinbar sehr simpel zu übersetzende Textform ist im Deutschen detaillierter ausformuliert als dies im Englischen der Fall ist. Würde ein solcher Text – aus einer etwaig übertrieben perfektionistischen Intention den Inhalt exakt übertragen zu wollen – satzweise übersetzt werden, klänge das Ergebnis befremdlich. Somit wäre nicht nur eine Übersetzung entstanden, die ‘schlecht’ klingt, sondern ein Text, der zudem die ‘Autorität der Texthandlung’ verliert. Um dies zu vermeiden, muss vor einer ‘gelungenen’ Übersetzung somit immer ein bestimmter Grad kultureller Differenzierung vorgenommen werden, der von Text zu Text neu festgelegt werden muss. Der Differenzierungsgrad ist hierbei ‘abhängig von der ersten strategischen Entscheidung des Übersetzers, nämlich der des Übersetzungszwecks, also der Funktion des ZS-Textes. […] Aus dieser kommunikativen Funktion leitet er den notwendigen Grad der Differenzierung ab, indem er die relevante Grenze zwischen Verbalisierung und soziokulturellem Situationshintergrund im AS-Text bestimmt, und dann als Sender des ZS-Textes auf dem Hintergrund der soziokulturellen Situation seiner Adressaten den notwendigen Grad der Differenzierung seiner Verbalisierung festlegt.’ Wenden wir diese Definition auf die Übersetzung audio-medialer Texte an, zeigt sich zum einen, dass auch bei einer solchen Übersetzung der Differenzierungsgrad von AS-Text und ZS-Text, bzw. wie zu Anfang umformuliert, von Ausgangs- zu Zielszene immer neu angepasst werden muss. Des Weiteren muss hierbei gleichermaßen beachtet werden, dass etwaige kulturelle Konventionen nicht nur schriftlich, sondern auch visuell und auditiv wahrgenommen werden. Neben der Beachtung einer entsprechenden Verbalisierung kommt daher eine entsprechende Beachtung der Artikulation des Habitus‘ und allgemein des gesamten Bild- und Tongeschehens bei der Übersetzung zum Tragen. Um diese Unterscheidung kultureller Konvention, die Teil des Bild- und Tongeschehens sind, zu verdeutlichen, sei hiermit nochmals auf die Frage nach einer adäquaten Übersetzung eines audiovisuell formulierten ‘bulgarischen Nein’ ins Deutsche verwiesen. In solch einem Fall wäre es nicht nur befremdend, eine direkte Entsprechung rein auf der Wortebene zu suchen, sondern schlicht falsch. Nehmen wir zum Abschluss dieser Überlegung ein diffizileres und weniger offensichtliches Beispiel aus der Synchronisationsarbeit, das die zu beachtende Autorität der Texthandlung illustriert. Am Ende des Dialogs zwischen Preston und Zack äußert Preston den Satz: ‘Zack, you can buy yourself twenty girls for all of that” während Zack bereits von Preston abgewendet sein eben erhaltenes Geld zählt. Von den spezifischen in Kapitel 4 beschriebenen Aspekten der Synchronisation wäre es passender gewesen, die Aussage Prestons abzuändern und ihn im Deutschen den Satz ‘du kannst es gerne nachzählen, wenn du willst’ sagen zu lassen – was auch kurzzeitig die Überlegung war. Dieser Satz hätte die leichten Auffälligkeiten der Lippensynchronität vermieden, die im Endprodukt zu sehen sind. Allerdings hätte zugleich die Information gefehlt, dass Preston genau weiß, wen er vor sich hat. In diesem Satz wird deutlich, dass Preston sich Zack nicht unbedingt zufällig rausgesucht hat, sondern es sich bei ihm um eine Person handelt, die auf schnelles Geld aus ist, was danach in welcher Art auch immer verschleudert wird. Dementsprechend ist auch in diesem Fall die Autorität der Texthandlung von Bedeutung, um die Szene ‘richtig’ zu interpretieren. 4, Ausgewählte Aspekte der ‘parole-Übersetzung’: In den folgenden Abschnitten werden wichtige Aspekte hervorgehoben, die bei der Synchronisation beachtet werden müssen. Da es sich – wie bereits festgestellt – bei der Synchronisation nicht um eine reine Übersetzung der langue handelt, zieht dies die Konsequenz nach sich, ‘daß es sich neben der adäquaten lexikalischen, syntaktischen und semantischen Wiedergabe des Originaltextes auch darum handelt, den Ausdruck des Originals phonetisch angemessen wiederzugeben, dem Zusammenhang zwischen gestischem Ausdruck und sprachlicher Vermittlung Rechnung zu tragen und die Funktion der Figuren im Zusammenhang der Figurenkonstellationen nicht zu verändern.’ Zu Müller-Schwefes Feststellung kommt hinzu, dass vor allem paralinguistische Merkmale nicht universell übersetzbar, sondern sprachen- bzw. kulturspezifisch sind. Von daher muss im Allgemeinen zwischen paralinguistischer Synchronität und paralinguistischer Äquivalenz bei der Synchronisation unterschieden werden. Es werden bei der nachfolgenden Darstellung einzelne Aspekte behandelt und somit kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Stattdessen wird auf die Aspekte Wert gelegt, die beim erstellten Werkstück besonders zum Tragen gekommen sind. Unterteilt wurden diese Aspekte in auditive Aspekte, wozu Stimme Dialekt und Akzent zählen und visuelle Aspekte, zu denen die Lippensynchronität, die Mimik und die Gestik gezählt werden. Eine Unterteilung in auditive und visuelle Aspekte dient hierbei nicht nur der besseren Übersichtlichkeit: Ist von einer Übersetzung der parole die Rede, bildet die Synchronisation zunächst nur eine Unterkategorie der parole-Übersetzung, die neben auditiven Aspekten um visuelle erweitert bzw. mit der visuellen Ebene verknüpft ist. Daher sei vorab angemerkt, dass selbstredend auch bei der Wiedergabe einer Rede, eines Bühnenstücks etc. auditive Aspekte wie Sprechweise, Dialekt, Akzent usw. bei der Übersetzung beachtet werden müssen, ohne jedoch dabei an die visuelle Darstellung des Originals – wie beispielsweise das Bühnenbild – gekoppelt zu sein. 4.1, Auditive Aspekte: 4.1.1, Die Stimme: Ein in der Synchronisationsforschung häufig diskutiertes Problem, ist der (unumgängliche) Austausch der Originalstimme. Hierbei muss beachtet werden, dass die Stimme als Persönlichkeitsmerkmal angesehen wird. Die wichtigsten Eigenschaften, die hierbei beachtet werden müssen, wenn eine Originalstimme durch eine Synchronstimme ersetzt wird, sind biologische Faktoren und eine äquivalente Übertragung des Charakters. Während die Beachtung biologischer Faktoren wie Alter, Geschlecht, Statur etc. relativ eindeutige Kategorisierungen bieten, nach denen eine entsprechende Synchronbesetzung erfolgen kann, ist die Charakterisierung einer Figur aufgrund einer Synchronstimme bzw. einer gewissen Sprechweise deutlich komplexer und weniger eindeutig. Die Verknüpfung von Figur und Stimme zeigt sich bereits daran, dass es zu Irritationen kommt, wenn die Synchronstimme einer bekannten Figur ausgetauscht wird. Ein relativ aktuelles Beispiel, bei dem es nicht nur zu Irritationen, sondern zur krassen Ablehnung kam, die sich in einem Kaufboykott manifestierte, findet sich beim Film Escape Plan. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich in so einem Fall generell um eine fehlerhafte Besetzung handelt. Laut Herbst kann man ‘mit Sicherheit davon ausgehen, daß die neuen Synchron[stimmen] vom Publikum ohne weiteres akzeptiert worden wären, wenn sie die Rollen von Anfang an gesprochen hätten.’ Derartige Irritationen können auch dann auftreten, wenn man zuerst die Originalfassung und später die Synchronfassung gesehen hat und umgekehrt. Dies führt uns wiederum zu der Annahme, dass gewisse stimmliche Merkmale weniger charakterbezogen, sondern eher gewohnheitsmäßig mit einer Figur verknüpft werden. Trotz dieser Gewöhnung an eine Synchronstimme und den relativ eindeutigen biologischen Faktoren, die bei der Auswahl der Synchronstimmen zum Tragen kommen, können sich dennoch Äquivalenzverletzungen der Persönlichkeit ergeben. Dies lässt sich zum einen auf die Aufnahmetechnik einzelner Takes zurückführen. Durch das Sprechen einzelner Sätze und einen dadurch fehlenden Redefluss kann die Synchronstimme häufig monoton klingen. Zum anderen muss bei der Übertragung paralinguistischer Merkmale zwischen Synchronität und Äquivalenz unterschieden werden. Im Gegensatz zu biologischen Faktoren sind paralinguistische Merkmale sprachen- bzw. kulturabhängig. Dementsprechend wäre es beispielsweise falsch, ‘die extrem starken Tonhöhenbewegungen, die für den Sprechstil aufgeregter englischer Schulmädchen charakteristisch sind, bei der Synchronisation ins Deutsche durch ebenso starke Tonhöhenbewegungen wiederzugeben im Deutschen ist nämlich eine solch starke Variation mit Exaltiertheit verbunden.’ Eine paralinguistische Synchronität zielte demnach vor allem darauf ab, eine Synchronrolle mit einem/r Sprecher/in zu besetzen, dessen/deren Stimme und Sprechweise der Originalstimme möglichst ähnlich ist. Wichtiger jedoch ist die Wahrung paralinguistischer Äquivalenz. Die Synchronstimme muss daher zwar passend, aber nicht zwingend ähnlich sein. Ein Drang nach einer möglichst hohen paralinguistischen Synchronität kann somit dazu führen, dass paralinguistische Äquivalenzkriterien eher verletzt als gestützt werden. Im Falle des erstellten Werkstücks wurde in Einzelbeurteilungen mehrfach die Stimme Ron Spiess´ zur Synchronisation der Figur Preston als leicht unpassend kritisiert. Dies kann legt man die Schemata Scherer und Fährmanns zu Grunde, durch folgende Verletzung paralinguistischer Äquivalenzkriterien erklärt werden: In der Originalfassung spricht die Figur Preston in einer eher hohen Stimmlage und mit einer größeren Tonhöhendynamik, was laut Scherer im Englischen mit einem ‘personality syndrome of competence and dominance in male American’ verknüpft wird. Demgegenüber steht die deutsche Synchronstimme, die eher als tiefe Stimmlage einzuordnen ist und zudem ein langsames Tempo besitzt. Dies wird jedoch im Deutschen eher mit Verflachung und Spannungslosigkeit assoziiert, der außerdem eine stärkere Klischeehaftigkeit anhaftet.

Über den Autor

Thomas De Filippi wurde 1984 in Italien geboren. Durch den Umzug nach Deutschland im Kindesalter und die damit einhergehende Zweisprachigkeit begann er früh sich für die Manifestation kultureller Unterschiede in der Kommunikation zu interessieren. Nach dem Abschluss seiner Lehrzeit und mehreren Auslandsaufenthalten in Südamerika begann er das BA-Studium der Medienwissenschaften an der Universität Tübingen, das er 2014 mit sehr gut abschloss. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen in der Film- und Fernsehbranche - vorwiegend in den Bereichen Tontechnik, Sounddesign und Tonmischung.

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