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Geisteswissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Was ist Popliteratur, und ist sie - wie oft behauptet - Anfang des neuen Jahrtausends tatsächlich gestorben ? 2001 erklärten Feuilleton und Kritiker die deutsche Popliteratur für tot . In einer Vielzahl nach 2001 erschienener Werke finden sich aber weiterhin scheinbar popliterarische Merkmale und es stellt sich somit die Frage, ob nach dem Tod der Popliteratur noch bestimmte Schreibweisen weiterleben oder ob die Todesverkündung gar verfrüht war und Popliteratur weiterhin existiert. Neben der Darstellung der neuesten Entwicklungen wird ein breiter Überblick über die Phänomene Pop und Popliteratur geboten und die wichtigsten Werke seit den 60er Jahren werden vorgestellt. Besonderes Augenmerk liegt auf den Werken der Neuen Deutschen Popliteratur seit den 90er Jahren, wozu unter anderem Stuckrad-Barre, Kracht oder Meinecke zu zählen sind.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.1, Die wichtigsten Werke: Im Folgenden soll anhand der wichtigsten Pop-Romane der 90er Jahre herausgearbeitet werden, welche popliterarischen Merkmale bei den neuen Literaten tatsächlich vorzufinden sind. Betrachtet werden Faserland, Soloalbum, Relax, Rave, Tomboy und Gut laut. Der besondere Blick auf die Popliteratur der 90er Jahre in dieser Arbeit ist deshalb sinnvoll, weil die beiden zu analysierenden Werke Dorfpunks und Fleisch ist mein Gemüse insbesondere hinsichtlich ihrer Anknüpfungspunkte und Differenzen gegenüber der ‘Neuen Deutschen Popliteratur’, der sie sowohl zeitlich als auch inhaltlich am nächsten stehen, untersucht werden sollen. 4.1.1, Kracht - Faserland: Christian Krachts Roman Faserland eröffnete die Welle der neuen Popliteratur in Deutschland und gilt allgemein als deren Gründungstext. Als eines der ersten Werke in den 90er Jahren war Faserland grundlegend geprägt von einer unablässigen Thematisierung von Konsumgegenständen. Die Warenwelt wurde hier zum eigentlichen Hauptdarsteller und Krachts Leistung besteht vor allem darin, dass er ‘eine Lust an der Oberflächlichkeit in die deutsche Literatur’ einführt. Die Erzählung dreht sich um einen passiven, namenlosen jugendlichen Einzelgänger, der auf der Suche nach einer eigenen Identität und nach dem Sinn des Lebens orientierungslos durch Deutschland streift. Tatsächliche Handlung findet dabei wenig statt, auch Spannungsbögen sucht man vergeblich. Der Text setzt sich größtenteils aus Betrachtungen und Überlegungen des Protagonisten zusammen. Das Beobachten wird zum Grundmotiv - die Hauptfigur erlebt nur wenig und im Mittelpunkt der Erzählung steht die vom Protagonisten wahrgenommene Außenwelt. Häufig begegnet er unbekannten Personen, die er dann, allein von ihrem Äußeren oder ihrem Musikgeschmack ausgehend, durch gedankliche - klischeebestimmte - Assoziationsketten zu charakterisieren versucht. Seine Überheblichkeit nimmt ihm dabei jegliche Möglichkeit, mit diesen Menschen in engeren Kontakt zu treten und der Protagonist wird zum selbstbestimmten Außenseiter. Faserland war der erste deutsche Roman, der sich in den 90er Jahren explizit an den amerikanischen Vorbildern einer neuen Literatur orientierte, zu denen unter anderem Douglas Coupland (Generation X [1991]) und Bret Easton Ellis (American Psycho [1991]) gehörten. Kracht übernahm formale und inhaltliche Motive und initiierte damit in Deutschland eine neue Art des Schreibens. Besonders Ellis‘ American Psycho scheint Kracht als Inspiration gedient zu haben. Der Protagonist, ein reicher gelangweilter Yuppie, klassiert die Leute nach ihren musikalischen Vorlieben und ihrem Kleidungsstil, bevor er sie - aus Langeweile - umbringt. Die Charakterisierung der Hauptfigur als reichen Yuppie sowie die ständige Thematisierung der Konsumwelt finden wir auch in Faserland, Kracht verzichtet aber auf die bei Ellis vorgefundene gesellschaftskritische Ebene. Faserland macht es den Kritikern wesentlich schwieriger, hinter der oberflächlichen Reise des Protagonisten einen tieferen Sinn zu entdecken. Die Handlung dreht sich um Langeweile, Jever-Bier, teure Autos, Barbourjacken , Nobeldiscos, Partys und Drogen und der simple Sprachduktus scheint das Werk von vornherein als Unterhaltungsliteratur zu klassifizieren. Alles dreht sich um die ‘Welt der Oberfläche und [den Konsum von] Insignien populärer Kultur’. Kracht wagte im deutschen Literaturbetrieb als Erster, die Oberflächlichkeit der Warenwelt unkommentiert darzustellen - während die Welt des Konsums bisher in literarischen Werken meist implizit oder explizit negativ konnotiert war, lässt sich eine eindeutige Lesart bei Kracht nicht mehr finden. Im Gegensatz zur popliterarischen Tradition dient die Warenwelt in den 90er Jahren scheinbar nicht mehr als Feindbild, das angegriffen werden müsste, sondern wird wertneutral als Teil des modernen Alltags dargestellt. Die neuen Popliteraten kämpfen nicht mehr gegen die Konsum- und Medienwelt, sondern arbeiten mit dieser zusammen. Zumindest auf den ersten Blick, denn die Plakativität, mit der die Popliteraten vorgehen, macht manchmal nachdenklich. In der übertriebenen Affirmation kann man auch, wie bei der Pop Art, ein Zeichen von Zynismus und Kritik sehen - die Affirmation wird dann zum Protestmittel. Ein Protest gegen die ‘Gegenkultur der 68er’ gelingt wohl am ehesten durch die Überaffirmation der gegenwärtigen Konsumwelt. Vor diesem Hintergrund wird die elitäre, oft leicht arrogante Haltung des ‘popkulturellen Quintetts’ sowie Krachts demonstratives Vorzeigen eines ‘Leatherman aus purem Gold’ beim Literatentreffen im Hotel Adlon verständlich. Ob man den neuen Popliteraten nun pure Naivität oder lustvolles Kritisieren durch Überaffirmation unterstellt, liegt im Ermessen des Lesers - die Kritik hat sich größtenteils, auch bedingt durch die simple sprachliche Ausdrucksweise der Literaten, für Ersteres entschieden. Abseits der Debatte um intendierte Kritik oder Affirmation der modernen Konsumwelt seitens der Popliteraten ist festzuhalten, dass die häufige Nennung von Markennamen in den neuen Werken auch auf dem Anspruch der Popliteraten, die gegenwärtige Alltagswelt zu archivieren, beruht. Da die moderne Welt grundlegend durch Konsum und Markenartikel geprägt ist, müssen diese Phänomene auch in der neuen Literatur eine tragende Rolle spielen. Gleichzeitig geht es bei der Nennung von Markenartikeln immer auch um die damit verbundenen Assoziationen. Degler erkennt sehr richtig, dass es ‘nicht die Objekte selbst [sind], die diese Relevanz erzeugen, sondern […] ihre semiotische Aufladung durch kulturelle Zuschreibungen, die sich in den Objekten kondensieren’. Wenn Kracht in Faserland ständig von einer Barbourjacke redet, stellt sich der (intendierte) Leser nicht eine beliebige Jacke vor, sondern eine der Marke Barbour und dies führt automatisch zu weiteren Gedankenverknüpfungen, da der Leser in seinem Umfeld Träger von Barbourjacken kennt und diesen Menschen - und somit auch der Jacke - bestimmte Eigenschaften zugeordnet hat. Aus diesem Grund verlässt die Popliteratur der 90er Jahre auch nie ‘die Welt der Kenntnisse und Vorstellungen ihrer Leser’ - die popkulturelle Verständigung kann nur erfolgreich sein, wenn sich Autor und Leserschaft einen kulturellen Hintergrund teilen und die Markennennungen (auch: Musiker, Songs usw.) beim Leser ein Moment des Wiedererkennens auslösen. Da Markennamen immer kulturell aufgeladen sind, führt ihre Nennung beim Leser durch das Gefühl des Bekannten und Vertrauten außerdem zu einer tiefergehenden Identifizierung mit den Figuren der Werke. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Faserland eine Vielzahl popliterarischer Merkmale auftaucht. In der eingängig-umgangssprachlich geschriebenen Erzählung ist der namenlose Protagonist auf der Suche nach einer eigenen Identität und bewegt sich in einer Welt aus Markenartikeln und Oberflächen. Echte Handlung findet dabei kaum statt und der Roman besteht größtenteils aus Gedankengängen und Beobachtungen des Protagonisten. Daneben ist interessant, dass das Werk von einem relativ jungen Autor verfasst wurde, der in der Medienbranche tätig ist - besonders das Merkmal des jugendlichen Autors wird in den 90er Jahren bestimmend.

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