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Geisteswissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 44
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Eine Satire, wie die von Karl Kraus, ist eine ganz bestimmte Textsorte. Beinahe jedes Wort beinhaltet Aussagen, die zugleich jeweils mehreres aussagen. Kraus schafft hier auf sprachlicher Ebene eine ganz eigene Struktur. Diese impliziert bei der Rezeption, potenziell gelegte Verweise auch als solche zu erkennen und lässt offen, womit sie assoziiert werden, woran sie anknüpfen, worauf sie sich beziehen und wozu sie überleiten. Kraus bedient sich dabei eines Arsenals satirischer Mittel - worin sich auch die polemische Wirkungsabsicht wiederfindet. Bereits der Titel seiner Prosa-Skizze lässt erkennen, dass Kraus sich eines spezifischen sprachlichen Mittels bedient, um sich selbst zu positionieren und aus dieser Position heraus zu schreiben. Er verzichtet auf eine Erzählerinstanz, die ihn als Autor und Menschen außen vor lässt. Mithilfe des sprachlichen Mittels gelingt es ihm dennoch, eine differenzierte Position einzunehmen. Indem Kraus seinen persönlichen Standpunkt auf eine andere Ebene überträgt und er die Rolle des Satirikers einnimmt, steht er sozusagen außerhalb und urteilt als eine alles überblickende Instanz, die in dieser Rolle unantastbar ist. Im Unterschied zu einer Erzählerfigur impliziert die Rolle des Satirikers aber stets die Intentionen und den Standpunkt der Person dahinter. Setzt man etwa beim Titel seiner Skizze an, beinhaltet dieser schon, worauf Kraus inhaltlich abzielt. Zugleich wird mit der Formulierung des Titels das stilistische Verfahren augenscheinlich. Mit der Wahl des Wortes 'demoliert' übertreibt Kraus ganz bewusst. Er beabsichtigt nicht, objektiv zu analysieren oder subjektiv zu werten. Seine satirische Sprache ist 'Richter' und 'Vernichter' zugleich. In der vorliegenden Studie wird genau betrachtet, wie Karl Kraus Sprache einsetzt, wie diese Sprache wirkt und welche Bedeutungsebenen sichtbar werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.4.2, Lebensunwirklichkeiten: Dieses rhetorisch-stilistische Verfahren sowie prinzipiell die Thematik der Selbstbespiegelung leiten zudem zu Oscar Wildes Roman Das Bildnis des Dorian Gray über. Auch darin verschwimmen Innen- und Außenwelt, wobei hier dem Protagonisten das eigene ‘Bild, ob verändert oder unverändert […] das sichtbare Wahrzeichen des Gewissens sein [sollte]’. In Bezug zu Kraus’ Skizzierung von Bahr, aber insbesondere der von Andrian, zeigt sich hier die Affinität, aber auch der Unterschied zwischen der Dekadenz und dem Ästhetizismus. Andrian entspricht nach Kraus dem Typus des Dandy, dessen Interesse allein auf die eigene Wirkung bedacht ist. Hierzu findet sich etwa folgender Satz: ‘Die Art des jungen Mannes, der sich einst zufällig in das Kaffeehaus verirrte, gefiel dem Herrn aus Linz.’ Deutlich gibt das die dekadente Lebenseinstellung des Dandy wieder, der seine Rolle als distinguiert betrachtet und dies mit der aristokratischen Absonderung bewusst hervorhebt. Sinnfällig würde sich nach Kraus Andrian niemals dazu herablassen, aus freien Stücken und gezielt das Café zu betreten – vielmehr hat ihn scheinbar ein höheres Schicksal dorthin verschlagen. Hier findet sich der zweite Aspekt, der der Lebensphilosophie des Dandytums zugrundeliegt. Dieser Typus erweckt den Anschein, in allen Situationen gelassen zu bleiben, was jedoch daher rührt, dass er am Leben überhaupt nicht teil hat und sein Dasein somit ein rein ästhetisches Phänomen ist. Andrians Einstellung zum Leben entspricht also der des Protagonisten Dorian Gray in Wildes Roman, der ‘sich seine Unbeflecktheit vor der Welt bewahrt hatte’. Beide nehmen nicht am Leben teil und versuchen auf künstlerischer Ebene, dieses Dilemma zu bewältigen. Auch Andrian zeichnet in seiner Erzählung Der Garten der Erkenntnis einen Protagonisten, der unfähig ist, eine individuelle Persönlichkeit zu entwickeln und einen frühen Tod findet. Dieser Protagonist ist dabei unumstritten mit autobiographischen Zügen Andrians versehen, der seinen eigenen Lebenskonflikt in diese Romanfigur hineinprojiziert. Die Romanfigur Dorian Gray erschafft sich ebenso eine künstliche Gegenwelt, um den Rückzug von der Außenwelt damit zu kompensieren. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch eine starke Analogie zu dem lyrischen Drama Der Tod des Tizian von Hugo von Hofmannsthal, in dem die Thematik des ästhetisierenden Verhältnisses zur Schönheit behandelt wird. Dieses unbedingte Verhältnis entspricht stets einem unreflektierten Verhältnis zum Leben, das Kraus in Andrian wiederfindet und kritisiert. Andrian kann demnach mit dem eigentlichen Protagonisten dieses Dramas, der aber nie in Erscheinung tritt, gleichgesetzt werden. Der Protagonist ist der Meister, der diese absolute Schönheit alleinig beherrscht, wenn es etwa heißt: ‘Er hat die Schönheit stets gesehen’. Diese absolute Einstellung zur Schönheit hat zur Folge, dass er niemals am wirklichen Leben teilhaben kann, da es ihm leer erscheint. Er betrachtet es nur und will sogar noch im Sterben ‘im Unbewußten untersinken’. Genau diese Betrachtungsweise unterstellt Kraus Andrian, die er darüber hinaus in allen Jung Wienern aufzufinden glaubt, da er schreibt: ‘Nicht um Leben aufzunehmen, treten diese Nachempfinder dann und wann aus dem Schneckengehäuse ihres angeblichen Ich heraus nur um dessen kokette Windungen andächtig zu betrachten.’ Dieser Satz klingt auch an Richard Beer-Hofmanns Erzählung Der Tod Georgs an. Dem Rezipienten wird hier zwischen zwei Kapitelübergängen vermittelt, es seien scheinbar acht Jahre vergangen, doch im Nachhinein stellt sich heraus, dass diese erzählte Handlung nur geträumt war. Auch die Nachempfinder suggerieren nach Kraus eine Teilnahme am Leben, die sich bei genauer Betrachtung jedoch als eine eigene Wirklichkeit, die einem Traum nahekommt, enthüllt. Das Schneckengehäuse repräsentiert sinnbildlich die eigene Wirklichkeit und wird selbst beim Heraustreten aus dieser mit denselben Augen wie von innen betrachtet. Kraus deckt diese Empfindungen somit als nur scheinbare Empfindungen auf.

Über den Autor

Silke Wallner wurde 1982 in Salzburg geboren. Zuerst entschied sie sich für einen Beruf in der Gesundheitsbranche und machte eine Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester. Im Jahr 2010 kam dann endgültig der Wunsch auf, die Literatur nicht nur als geliebte Freizeitbeschäftigung zu genießen, sondern sich intensiver und auch aus wissenschaftlicher Sicht damit auseinanderzusetzen. Daher entschloss sie sich für das Studium der Germanistik an der Paris-Lodron-Universität Salzburg.

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