Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

Geisteswissenschaften


» Bild vergrößern
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 07.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Seit über 30 Jahren empfiehlt die Kultusministerkonferenz, digitale Medien in die Lehr- und Bildungspläne zu integrieren, diese fächerübergreifend im Unterricht einzusetzen und die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend fortzubilden. Trotzdem wird der PC in keinem Land so selten im Unterricht eingesetzt wie in Deutschland, so die ICILS 2013. Gründe für die seltene PC-Nutzung im Unterricht beleuchtet diese Arbeit. Neu ist, dass sich diese Untersuchung nicht nur auf die schulische IT-Ausstattung, die Fachkenntnisse der Lehrer und deren beruflichen Habitus beschränkt, sondern zusätzlich auch semiberufliche Motive, rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen betrachtet. Denn auch hier lassen sich Ursachen für die Medienabstinenz im Unterricht finden. Im Ergebnis zeigt diese Arbeit erdrückend viele Gründe dafür auf, warum Lehrer den PC im Unterricht nicht nutzen können, wollen und dürfen. Dabei erhebt die hier vorliegende Arbeit jedoch nicht den Anspruch, dieses komplexe Thema vollständig darzustellen. Vielmehr bietet sie viele Anregungen zum Weiterdenken und -forschen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.2.5, Negative temporäre Anreize: Neben dem privaten, finanziellen Engagement erwartet der Dienstherr auch ein erhebliches privates, zeitliches Engagement. Dass dieses Engagement zwingend privat sein muss, lässt sich daraus schlussfolgern, dass die Lehrer auch ohne IT-Fortbildungen bereits bis zu 50 Stunden pro Woche arbeiten (Mußmann & Riethmüller, 2014, S. 26) und während der Dienstzeit für umfangreiche Fortbildungen einfach keine Zeit ist. Wie groß der vom Dienstherrn gewünschte private, zeitliche Einsatz tatsächlich ist, lässt sich erahnen, wenn man sich vor Augen führt, wie umfangreich sich Lehrer fortbilden müssten, um die KMK-Empfehlung im Unterricht umzusetzen: Bereits in der ICILS 2013 wurde der unterrichtliche Einsatz von Übungssoftware oder Trainingsprogrammen, Textverarbeitungs- oder Präsentationsprogrammen, Simulations- und Modellierungsprogrammen, Sozialen Medien, Kommunikationsprogrammen und computerbasierten Informationsquellen abgefragt (Anlage 2). Im Bereich der beruflichen Bildung sind darüber hinaus häufig Excel-, Outlook- und Access-Kenntnisse nötig. DATEV- oder SAP-Kenntnisse werden in Abhängigkeit vom Ausbildungsberuf genauso verlangt wie Programmierkenntnisse. Und falls im Unterricht mit Wikis gearbeitet wird, wäre es sinnvoll, wenn die Lehrer zumindest über rudimentäre HTML-Kenntnisse verfügten. Wenn die Schüler im Unterricht mit ihren eigenen mobilen Endgeräten arbeiten, müssen die Lehrer zudem die Software der Schüler kennen, um die Lerner bei Bedarf unterstützen zu können. Das bedeutet, dass die Lehrer sich mit den diversen Microsoft-, Apple-, OpenOffice- und Linux-Produkten auskennen müssen, die ihre Schüler mit in den Unterricht bringen. Ergänzend scheinen Kenntnisse in der Menüführung der verschiedenen Smartphones sinnvoll, um BYOD auf allen Wegen unterstützen zu können. Denn auch wenn die Lehrer die Tasten der Schüler-Smartphones nicht selber drücken sollen (Kapitel 4.3.4), so sollen sie hier doch beraten können. Dass Lehrer sich diese Kenntnisse neben einer bis zu 50-Stunden-Woche privat aneignen, scheint kaum möglich und ist vom Dienstherren auch nicht so gewollt. Denn eigentlich soll ein Beamter gemäß § 2 Abs. 1 AZVO durchschnittlich nur 41 Stunden pro Woche arbeiten. 5.2.6, Faktor Alter: Immer wieder werden Studien veröffentlicht, die eine negative Korrelation von ansteigendem Lebensalter und abnehmendem schulischen PC-Einsatz von Lehrern belegen (BITCOM, 2011, S. 16 Eickelmann, Gerick, & Bos, 2014, S. 20). Offen bleibt in diesen Studien jedoch, warum die Lehrer mit zunehmendem Alter den PC seltener nutzen. Vor dem Hintergrund, dass ältere Menschen – unabhängig davon, ob sie Lehrer sind oder nicht – im Durchschnitt über weniger technisches Know-how als jüngere Menschen verfügen, erwecken solche Studien nicht selten implizit den Eindruck, dass ältere Lehrer wegen ihres unzureichenden technischen Verständnisses die PC-Nutzung scheuen. Ausgeschlossen werden kann diese Möglichkeit nicht. Doch handelt es sich hierbei sicher nicht um die einzige Erklärung. So besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass insbesondere ältere Lehrer vom didaktischen Mehrwert digitaler Medien nicht überzeugt sind (Kapitel 5.2.1). Bis heute können sie sich auf Studien stützen, die einen durchschnittlichen Null-Effekt belegen (Falck, Mang & Wößmann, 2015, S. 22). Insofern besteht die Möglichkeit, dass gerade ältere Lehrer, die über viele Jahre erfolgreich ohne Medien unterrichtet haben, an ihren bewährten, medienlosen Unterrichtskonzepten festhalten – unabhängig von ihrem technischen Know-how (ISB, 2007, S. 33). Ein weiterer Erklärungsansatz ist, dass die Berufszufriedenheit mit der schulischen PC-Nutzung korreliert. Denn nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach schätzen ältere Lehrer und Lehrer mit größerer Berufserfahrung ihren Beruf weniger attraktiv ein als jüngere und unerfahrenere Lehrer (2012, S. 14). Als Gründe für eine mangelnde Attraktivität des Lehrerberufs werden in dieser Studie u. a. folgende Punkte aufgeführt: Eine hohe psychische Belastung, zu wenig Anerkennung, eine zu große Arbeitsbelastung, unrealistische Vorgaben der Lehrpläne, dass Leistung nicht angemessen belohnt wird, ein geringes Gehalt, wenig Perspektiven und Freiheiten (2012, S. 16). Solche als unattraktiv erlebten Rahmenbedingungen können zusätzlich zu den im Alter nachlassenden Kräften dazu führen, dass es Lehrern mit zunehmendem Alter immer schwerer fällt, ein volles Stundendeputat zu erfüllen. 2005 wiesen Weber, Weltle & Lederer darauf hin, dass nur ca. 6 Prozent aller verbeamteten Lehrer bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren arbeiteten. Und von denjenigen, die bis zum Schluss arbeiteten, unterrichteten damals viele nicht mehr das volle Deputat, weil es sich bei diesen Lehrern zumeist um Funktionsträger handelte (Weber, Weltle & Lederer, 2005, S. 23). Heute scheiden zwar weniger Lehrer vor der Regelaltersgrenze aus dem Schuldienst aus. Doch lässt sich dies nicht zwingend darauf zurückführen, dass die Lehrer heute gesünder oder zufriedener sind als noch vor 10 Jahren. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich heute mehr Lehrer durchwurschteln und Unterricht auf Sparflamme machen, um die Versorgungsabschläge auf ihr Ruhegehalt zu vermeiden, die mittlerweile auch bei Dienstunfähigkeit zur Anwendung kommen. Somit wäre ein dritter Erklärungsansatz für die negative Korrelation von ansteigendem Lebensalter und abnehmendem schulischen PC-Einsatz, dass Lehrer, die ihre berufliche Situation als unattraktiv erleben und mit zunehmendem Alter immer häufiger ihre Belastungsgrenzen erreichen oder überschreiten, sich nicht über die Maßen beruflich engagieren, indem sie z. B. ohne Not (Kapitel 5.2.3) digitale Medien in ihren Unterricht integrieren.

Über den Autor

Markus Niederastroth, Jahrgang 1968, ist Diplom-Kaufmann und unterrichtet am Ludwig-Erhard-Berufskolleg der Bundesstadt Bonn. Herr Niederastroth hat die Befähigung zum Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Wirtschaftswissenschaft, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Absatz und Marketing. Digitale Medien bilden seit vielen Jahren einen festen Bestandteil seines Unterrichts. Projektarbeiten wurden 2006 von Schulen ans Netz, 2009 vom eco Verband der deutschen Internetwirtschaft und 2011 von der Gesellschaft für Informatik ausgezeichnet. Darüber hinaus arbeitete Herr Niederastroth an der Webseite Ethos mit, die 2012 den Max-Weber-Preis für Wirtschaftsethik in der Kategorie Schul- und Lehrbuchprojekte” erhielt. 2014 erschien diese Arbeit dann als Schulbuch und wurde Ende desselben Jahres von der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT als Schulbuch des Jahres – Ökonomische Bildung 2014/15 ausgezeichnet. An der FernUniversität in Hagen führt Herr Niederastroth im Master Bildung und Medien - eEducation seine praktischen Erfahrungen mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen. Ein Ergebnis dieses Prozesses ist die vorliegende Arbeit, die 2015 für das Lehrgebiet Internationalisierung von Bildungsprozessen entstand und für diese Veröffentlichung überarbeitet wurde.

weitere Bücher zum Thema

Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.