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Geisteswissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Durch den Zweiten Weltkrieg wurde das Leben einer ganzen Generation mehr als nur auf den Kopf gestellt: Tod, Krieg, Einsamkeit und Exil sind Thematiken, mit denen sich auch die Autoren dieser Zeit auseinandersetzen mussten. Stefan Zweig und Anna Seghers, zwei deutschsprachige jüdische Schriftsteller, sind Teil dieser Generation ‚Sklaven des Nichts‘. Sie wurden mit dem Antisemitismus des Dritten Reiches konfrontiert und sahen sich dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und ins Exil zu gehen. Stellvertretend für eine ganze Generation von Autoren, denen es ähnlich ergangen ist und dank denen es die Exilliteratur als solche gibt, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit dem Aufbau und den Thematiken der ‚Schachnovelle‘ und des ‚Ausflugs der toten Mädchen‘. Was versteht man unter dem Begriff der ‚Exilliteratur‘ und inwiefern kann man die oben genannten Texte als solche bezeichnen? Was bedeutet es für einen Autor, unter der Bedingung der Isolation und des Exils zu schreiben? Waren die Veröffentlichungsmöglichkeiten dieselben, wurde die Publikation durch das Asyl erschwert oder gar erleichtert?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1., Forschungslage: 1.3, Stellenwert der beiden Texte innerhalb des Forschungsgebietes: Sowohl Zweig als auch Seghers Werke prangern ganz klar die politischen und sozialen Umstände Deutschlands und Österreichs unter dem Nazi-Regime an. Zweig geht auf die psychische Tortur an unter der die Figur des Dr. B zu monatelang zu leiden hat. Er stellt ein vernünftiges menschliches Wesen einem rational nicht begreifbaren Regime und einem zumindest menschlich versagendem Schachspieler entgegen. Er warnt nicht nur vor der Entmenschlichung, die seine Figur im Exil fast zu Grunde gehen lässt, sondern prangert sie an, indem er Czentovic fast schon lächerlich macht. Zuletzt klagt er durch seine Dokumentation der Gefangenschaft und der Verhöre im Hotel Metropol die Vorgehensweisen der Nationalsozialisten an. Die politische Haltung des Autors geht ganz klar aus der Novelle hervor. Stefan Zweig wäre laut Sterns Typenkategorien wohl eher als egozentristisch isolierte Person anzusehen, da er im Exil sitzt und durch seine Depressionen in Verbindung mit dem ungeheuren Druck des Kriegs nicht mit der Situation zurecht kommt. Er rettet sich indem er den Freitod wählt, denkt aber nicht an seine soziale Rolle und Wichtigkeit, die er sich bereits vor seinem Exil aufgebaut hat. Dr. B hat sein gesamtes altes Leben verloren: der einst angesehene Geschäftsmann findet sich in Isolationshaft wieder und erkämpft sich seinen neuen Lebensraum dadurch, dass er nicht an Einsamkeit stirbt oder in den Verhören zusammenbricht. Sein ‘neuer Lebensraum’ ist zum einen das Schachspiel, das für ihn Segen und Verdammung zugleich bedeutet, zum anderen die Befreiung aus der Haft, hervorgerufen durch das ‘Schachfieber’. Letzteres fällt unter die Kategorie von Krankheit und Tod von Vortriede. Die Schiffsmetaphorik, auf die an anderer Stelle noch einmal eingegangen wird, unterstreicht das Nicht-Ankommen, zwischen Isolation und Assimilation. Ernst Bloch hat die oben erwähnten assimilierten beziehungsweise isolierten Typen von Autoren fast schon stilisiert: ‘auf den Typus, der den Deutschlandhaß bis zum Selbsthaß getrieben hat und die Vollassimilation wohl nicht erreicht, so doch anstrebt und auf den zweiten Typus, der sein ‘altes sein und Bewußtsein behalten’ will, ‘als wäre mit der Einreise in die U.S.A. nichts geschehen.’ Czentovic ist sehr klar ein Beispiel für den Ignoranten, welcher überall gleich funktioniert und welcher wohl kaum Unterschiede zwischen New York und Buenos Aires merken wird, solange es an beiden Orten Schachbretter gibt. Dr. B hingegen wird es wohl immer unmöglich bleiben sich komplett irgendwo zu integrieren, da er durch seine unfreiwillige Isolation unter einer gewissen Spannung steht, die durch Impulse, wie etwa das Schachspielen immer wieder aufgerufen wird. Rein äußerlich ist er ein, zwar schnell gealterter, aber normaler Mann, seine seelischen Narben entstammen aber ganz eindeutig dem Krieg und dem Exil und haben aus ihm erst die Figur gemacht, die er ist. Czentovic steht stellvertretend für eine ganze Generation, deren Verhalten oft logisch aber nicht menschlich nachvollziehbar ist. Er ist en gefühlskalter Automat, der von vielen Interpreten als Personifizierung des Faschismus angesehen wird. Er mag eine Koryphäe auf dem Gebiet des Schachs sein, ist aber menschlich unterentwickelt und zeichnet sich nur durch negative Charaktereigenschaften, wie etwa seine Arroganz, aus. Im Dritten Reich gab es ganz gewiss viele Intellektuelle, welche schulisch gebildet waren, trotzdem menschlich und emotional so verkümmert waren, dass sie sich dem Hitler-Regime anschlossen. Die Schachnovelle zeichnet sich im Großen und Ganzen wohl eher durch Sprachreduktion aus. Czentovic redet kaum, während Dr. B auf realistische Art und Weise darstellt, wie die Monate in Gefangenschaft für ihn waren und was sie mit ihm gemacht haben. Seghers‘ Erzählung prangert die politische Situation und ihre Folgen auch an, dies geschieht allerdings im Gegensatz zu Zweig nicht durch Konzentration auf einige wenige Charaktere, sondern durch eine Art von ihr erstellte Panorama. Die Autorin zeigt, was der Nationalsozialismus aus den Leuten gemacht hat: Freundschaften werden durch Verrat zerstört, Resistenzler werden umgebracht, Mitläufer verlieren ihre Ehre und treiben andere vor Scham in den Tod. Nora wird zur Leiterin der Nationalsozialistischen Frauenschaft, Marianne verliert ihren Verlobten Otto, welcher im Ersten Weltkrieg fällt, und heiratet Gustav Liebig, ein engagiertes SS- und SA-Mitglied. Seghers klagt auch indirekt den Ersten Weltkrieg an: hätte dieser nicht stattgefunden, wäre ihr Verlobter dort nicht gefallen sie hätte Liebig nie geheiratet und somit ihre ehemals beste Freundin nicht an die Gestapo ausgeliefert. Die als so paradiesisch beschriebene Rheinlandschaft wird zerstört nichts bleibt, wie es ist. Anna Seghers und mit ihr die Erzählerin Netty, welche starke autobiographische Züge trägt, lässt sich nicht eindeutig in Sterns Raster einfügen. Zum einen ist sie durch das Exil isoliert das Wissen, über das sie allerdings verfügt (alle einzelnen Schicksale der mittlerweile ‘toten Mädchen’ und deren Partner sind ihr bekannt), macht sie doch nicht zu einer Außenseiterin. Gleichzeitig wird sie dadurch, dass sie als Einzige nicht das Schicksal ihrer Klassenkameradinnen teilt, wiederrum isoliert: sie hat überlebt. Auf der anderen Seite hasst sie das Exil dies bemerkt man auch ohne dass sie es ausdrücklich schreibt. Allein ihre Beschreibung Mexikos mit seinen Bäumen, die ‘eher zu brennen als zu blühen’ scheinen, zeigt ihr Unwohlsein in dieser Umgebung. Strelkas Aussage über das Verlieren des Altbekannten und das Kämpfen um einen neuen Platz treffen vollkommen auf den Ausflug der toten Mädchen zu. Die ganze Erzählung hat eigentlich nur den Verlust zum Thema, seien es Freunde, Familie oder die Heimat. Zwar kämpft Netty nicht um einen neuen Lebensraum, sondern eher mit ihm, da sie ihren Wunsch nach der eigenen Kultur in der Fremde nicht ausleben kann. Auch die beiden anderen von Vortriede angeführten Aspekte, nämlich Tod und Krankheit werden zur Genüge thematisiert: sei es direkt durch das Mitteilen der ‘Todesursache’ oder durch das Beschreiben der unnatürlich schnell alternden Figuren: ‘Nicht nur das Haar der Lehrerin,[…], auch das Haar der Schülerin Sophie,[…],sollte über und über weiß sein, als sie zusammen im vollgepferchten plombierten Waggon von den Nazis nach Polen deportiert wurden. Sophie war sogar völlig verhutzelt und veraltert, als sie in den Armen von Fräulein Sichel wie eine gleichaltrige Schwester überraschend abstarb’. Durch das paradiesische Beschreiben der Rheinlandschaft betreibt Seghers nichts anderes als das von Feuchtwanger beschriebene ‘Sicheinschließen in die tote Vergangenheit’. Es gelingt sowohl der Autorin als auch Netty nicht loszulassen, sie sind nicht assimiliert in ihrer neuen Umgebung und sind gedanklich noch immer an einem Ort, den es mittlerweile so nicht mehr gibt. So können sie nicht im Gastland ankommen, und stehen unter einer permanenten Spannung zwischen imaginärer und echter Welt. Die Erzählerin versucht durch das Aufschreiben des Ausflugs die alte, heile Welt festzuhalten und zum alten zurückzukehren obschon sie sich bewusst ist, dass dies nicht möglich sein wird. Seghers Schreibstil ist eine Mischung aus realistisch und romantisch. Zum einen beschreibt sie sehr graphisch, wie ihre Altersgenossen und die Lehrer zu Tode kommen, zum anderen sind ihre Beschreibungen des Dekors in Deutschland während dem Ausflug mit positiven Konnotationen, wie mit Ornamenten, ausgeschmückt. 2., Zu den Texten: 2.1, Schachnovelle: ‘Sein literarischer Ruhm reichte bis in die letzten Winkel der Erde – ein merkwürdiges Vorkommnis bei der geringen Popularität, deren sonst deutsches Schrifttum im Vergleich mit französischem und englischem sich erfreut. Vielleicht ist seit den Tagen des Erasmus…kein Schriftsteller mehr so berühmt gewesen wie Stefan Zweig’. Zweigs anfänglicher Optimismus, durch Redekraft etwas in der Politik zu verändern, wich in den 20er und 30er Jahren einem Ohnmachtsgefühl, das ihn in Depressionen verfallen ließ. Er wollte als moralische Instanz gelten und verwies deswegen in seinen Werken oft auf die Vergangenheit und das Altertum, um dem Leser die Gegenwart vor Augen zu führen. Als die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten 1933 stattfindet, exiliert Zweig nach London, wo er an seinen persönlichen Tiefpunkt ankommt. Er muss schmerzlich feststellen, dass er nicht, wie sein Vorbild, Erasmus von Rotterdam, ‘ein Mann der Mitte’ sein kann, sondern klar Farbe bekennen muss. ‘[D]er große humanistische Traum von der Auflösung der Gegensätze im Geiste der Gerechtigkeit, die ersehnte Vereinigung der Nationen im Zeichen gemeinsamer Kultur ist Utopie geblieben, unerfüllt und vielleicht nie erfüllbar innerhalb unserer Wirklichkeit’. Am 22. Februar 1942 wählt er zusammen mit seiner Frau Lotte Zweig den Freitod als Flucht vor seinen immer stärker werdenden Depressionen. Die Schachnovelle ist das letzte Werk, das Stefan Zweig verfasst hat kurz vor seinem Selbstmord brachte er es noch eigenhändig zur Post. Eine Besonderheit des Textes ist die Einfühlsamkeit und die detailgetreue Beschreibung der Charaktere der Autor zeichnet ein wahres Psychogramm seiner Figuren. Veröffentlicht wurde sie zunächst in Buenos Aires, 1942 dann auch im Stockholmer Emigrantenverlag Bermann Fischer. Dr. B. trägt klare autobiografische Züge Zweigs und die Beschreibung des Einbruchs des Nationalsozialismus in die althergebrachte, traditionelle und kulturträchtige Geschichte Österreichs zeigt, wie schlimm das Exil für den Autor gewesen sein muss. Das Schachspiel nimmt eine zentrale Rolle in dem Werk ein, da es Rettung und zugleich Niedergang bedeutet: zuerst bewahrt es den Inhaftierten davor den Verstand zu verlieren, später jedoch raubt es ihm fast zweimal Letzteren. Ersterscheinung des Werkes war der 7. Dezember 1942 hierbei handelte es sich um eine limitierte Auflage. Erst ein Jahr später verlegte der schwedische Exilverlag von Gottfried Bermann die Schachnovelle. Verfasst wurde die Novelle zwischen 1938 und 1941 im brasilianischen Exil, allerdings gab es bis 2013 keine gesicherte Fassung, da er drei Typoskripte versandte. Sie waren für zwei Verleger in New York und einen Übersetzer in Buenos Aires vorgesehen, da das Werk in Amerika, Deutschland und Argentinien veröffentlicht werden sollte. Ein viertes Typoskript, das von einem Freund überlesen und ‘verbessert’ wurde, wurde als das Richtige angesehen. ‘Da er von Stefan Zweig aufgefordert war, die «Schachnovelle» durchzusehen, ging Wittkowski nun davon aus, dass seine besondere Einrichtung dieses Textes auch für die Ausgaben in den anderen Sprachen als verbindlich gelten würde. Das war aber nicht der Fall’. Erst 2013 kam eine kommentierte und auf einer gesicherten Textbasis beruhende Edition der Schachnovelle heraus.

Über den Autor

Claudine Massard wurde 1991 in Luxemburg geboren. Nach ihrem Abitur im Jahr 2010 hat sie Germanistik studiert. Schon während des Gymnasiums entschloss Massard sich dazu, den Schwerpunkt ihrer Ausbildung auf Sprachen zu legen. Im Alter von nur 19 Jahren konnte sie bereits fünf Sprachen fließend sprechen und schreiben. Themen wie etwa der Zweite Weltkrieg oder aber die Philologie an sich liegen der jungen Autorin besonders am Herzen, was in vielen ihrer Arbeiten auffällt.

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