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Geisteswissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag: Bachelor + Master Publishing
Erscheinungsdatum: 10.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 44
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Einem Werk, das die Öffentlichkeit in einem solchen Maße zu spalten vermochte, wie es Michel Houellebecqs Roman 'Les particules élémentaires' beschieden war, muss ein Kern innewohnen, der den Menschen betroffen macht, der ihn zum Nachdenken bewegt und zum Weiterdenken animiert. Dementsprechend reicht die Spanne der Rezensionen in den wichtigsten Feuilletons von hymnischen Elogen über die Erneuerungsfähigkeit der französischen Literatur bis hin zu völlig entnervten Verrissen eines 'zweifellos misslungenen Buches'. Auch die in der Sekundärliteratur hergestellten Bezüge sind widersprüchlicher Natur. Diese Heterogenität des Urteils mag zunächst dahin gestellt bleiben - nur allzu oft ist das heute von den Kritikern geschmähte Machwerk der Geniestreich von morgen. Thematisch aufgenommen seien vielmehr verschiedene Aspekte der Betroffenheit, die durch die Lektüre, durch die Ängste und Hoffnungen der an dem Roman Beteiligten provoziert werden - beteiligt sind in diesem Sinne nicht nur die Figuren des Romans, sondern auch der Autor und seine Leser. Aufgenommen wird damit die Frage nach der Kraft, die die Romanfiguren handeln lässt, wie sie handeln, den Autor schreiben lässt, was und wie er schreibt, und die auch den Leser gefangen nimmt und zu einem je eigenen Erleben und Urteilen führt. Es wird gefragt nach der Kraft der Sehnsucht und der Rolle, die sie in Houellebecqs Roman einnimmt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.4, Hinführung zum Sehnsuchtsbegriff in Auseinandersetzung mit Houellebecq: Im Zentrum des houellebecqschen Romans steht das Problem der menschlichen Egozentrik und in deren Folge die Auflösungserscheinungen der Urzelle der Gesellschaft, der Familie, und der Gesellschaft selbst in ihrem sozialen Gefüge. Das entworfene Bild der westlichen Wohlstandsgesellschaft, Ausgangspunkt dabei das Jahr 1968, ist ein Frontalangriff auf eben jene vom Gedanken an die Freiheit des Individuums geprägte Gesellschaft. Diese Idee hat der Autor auch in seinem vorhergehenden Werk Extension du domaine de la lutte schon postuliert dort heißt es: Si les relations humaines deviennent impossibles, c’est bien entendu en raison de cette multiplication des degrés de liberté […]. In Les particules élémentaires wird nun die Lösung für das materialistische Zeitalter dargeboten: Der eugenisch neu gezüchtete Mensch, frei von allen sexuellen Trieben und individuellen Differenzen. Diese neue, genetisch manipulierte Art, nach Houellebecq von den Quellen des Unglücks ihrer Vorgänger befreit, kennt die Egozentrik und ihre Folgen nicht mehr. An die Stelle der zerstörerischen Individualität tritt reine Freude: Maintenant que nous vivons dans la lumière, et que la lumière […] enveloppe nos corps, dans un halo de joie. Das Grundübel des menschlichen Problems identifiziert Houellebecq in dem Triebleben des Menschen, in seinem evolutionären Erbe als Säugetier. Dem gegenüber stünde, konsequent weitergedacht, der Geist des Menschen als Teilhabe an der göttlichen Vernunft. Traditionellerweise wird das Triebleben mit einer Erdverbundenheit und niedrigem Genuss- und Machtstreben gleichgesetzt. Die Teilhabe am Göttlichen dagegen entspricht dem Streben nach dem Guten und Schönen, nach wahrer Liebe und ethischer Perfektion. Dementsprechend kann dieses Kräfteverhältnis als ein Antagonismus angesehen werden, in dem sich die beiden Seiten gegenseitig behindern. Die Vernunft strebt nach reiner Liebe und nach Handlungsmaximen, die das Wohl des Mitmenschen beachten. Perfektion wird dem Menschen in dieser Hinsicht nie gegeben sein, da sich die Triebe, und sei es über das Unterbewusstsein, ihr Recht verschaffen. Vernunft und Bewusstsein sind letztlich nicht Herr im eigenen Haus. Umgekehrt wird das Ausleben der Triebe durch vernünftige Erwägungen unterbunden. Da der Mensch unhintergehbar dieses Mischwesen aus Körper und Geist ist, sind diese beiden Seiten immer gleichzeitig präsent, wie in einer Melange sind immer beide Teile am Werk. Aus dieser Dichotomie vermag der Mensch nicht heraus zu gelangen. Er befindet sich in einem Dilemma, dessen Zerreißproben nicht selten an physische und psychische Grenzen stoßen, an denen das Moment der Sehnsucht nur zu deutlich zu werden vermag. Wohin diese Sehnsucht den einzelnen Menschen auch führen will, er fällt immer wieder auf sein Hybrid-Wesen aus Körper und Geist zurück. Dass diese Abfolge der Gedankengänge durchaus auf der Linie Houellebecqs liegt, lässt sich durch den Brückenschlag zu Werner Heisenbergs Biographie Der Teil und das Ganze zeigen, die bereits auf den ersten Seiten des Romans als Lieblingslektüre der Hauptfigur eingeführt wird, und deren philosophische und naturwissenschaftliche Sichtweisen im Verlaufe des Romans immer wieder in die Diskussionen einfließen. So z.B. finden sich bei Heisenberg, wenn auch in anderem Zusammenhang, die Gedanken des französischen Philosophen Malebranche zur Teilhabe des Menschen an der göttlichen Vernunft wieder. Im Laufe der folgenden Untersuchungen wird diese Herleitung des Sehnsuchtsbegriffs in enger Anbindung an die Romanfiguren und den Autor das Raster bilden, vor dem die Motive der einzelnen Handlungsstränge betrachtet werden.

Über den Autor

Anna Bockhoff, M.A., wurde 1983 in Steinheim (Westfalen) geboren. Nach dem Abitur zog die Autorin zunächst nach Frankreich, wo sie an der Université d'Orléans moderne Literaturwissenschaft studierte. 2008 schloss sie ihr Studium mit einem Bachelor in Romanistik und germanistischer Linguistik an der Universitär Paderborn ab. Ihre Masterarbeit schrieb sie 2011 zu einem vergleichenden kunst- und kulturwissenschaftlichen Thema bei Prof. Dr. Hartmut Böhme an der Humboldt Universität zu Berlin. Die Autorin lebt und arbeitet bis dato in Berlin, Prenzlauer Berg.

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