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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Aggressives Verhalten von Kindern und Jugendlichen stellt für Lehrer und Pädagogen nicht erst seit der Inklusionsdebatte ein großes Problem dar, sehen sie sich doch im institutionellen Kontext immer wieder mit Konflikten konfrontiert, welche mit gewalttätigen Handlungen einhergehen. Dabei ist – so scheint es - Aggression ein alltägliches Phänomen. In der Literatur finden sich endlose Veröffentlichungen zum Thema Aggressivität. Meist werden verschiedene Erscheinungsformen thematisiert und vor allem Tipps und Handlungsanweisungen zum richtigen Umgang mit aggressivem Verhalten gegeben. In dieser Arbeit wird demgegenüber eher versucht, aus einer verstehenden und Ursachen klärenden Perspektive auf das Phänomen der Aggression zu schauen, nämlich aus Sicht der psychoanalytischen Pädagogik, die sich mit den Fragen nach Prozessen, frühen Erfahrungen oder anderen Ursachen für aggressives Verhalten beschäftigt und somit abgeleitet aus der psychoanalytischen Theoriebildung nicht nur ein tiefes Verstehen aggressiven Verhaltens ermöglicht, sondern auch eigene, aus der psychoanalytischen Konzeption abgeleitete Ideen zum angemessenen Umgang mit Aggression beiträgt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5, Aktuelle psychoanalytische Theorien zur Entstehung von Aggression: Die Theorie des Todestriebes bringt nach Dornes zwei wesentliche Probleme mit sich. Das erste Problem begründet sich in den fehlenden Merkmalen, (…) die Freud zufolge jeden Trieb auszeichnen sollten (Dornes 2000, S. 245). Jeder Trieb sollte nach Freud eine Quelle, ein Ziel, Drang und ein Objekt haben (vgl. Freud 1915a, S. 85). Das Problem bei der Theorie des Todestriebes besteht nun darin, dass die vier Merkmale (…) für den Aggressionstrieb nicht gleichermaßen zutrafen wie für den Sexualtrieb (Dornes 2000, S. 245). Besonders die Bestimmung einer Quelle führt zu Erklärungsproblemen: Der Aggressionstrieb konnte nicht auf bestimmte Körperzonen zurückgeführt werden wie die Sexualität (ebd., S. 245). Es gab nur die Möglichkeit, etwas über die Abfuhrorgane zu sagen, nicht aber über den Ort der Entstehung. Dieses Problem ist nach Dornes bis heute nicht gelöst worden, weshalb er die Triebtheorie auch als unbrauchbar für die Erklärung des Affektlebens von Säuglingen hält (vgl. ebd. 1992, S. 149). Das zweite Problem ist die Frage nach der Unterscheidung von destruktiver und nichtdestruktiver Aggression. Auf diesen Aspekt möchte ich kurz näher eingehen. 5.1, Konstruktive und destruktive Ausdrucksformen der Aggression: Wie bereits dargestellt (s. 3.3), unterscheidet die Psychoanalyse zwischen destruktiver und nicht- destruktiver Aggression. Diese Position leitet sich zunächst von der Bedeutung des Wortes ab. Diese Trennung ist allerdings bei Freud in seinen späten Arbeiten nicht mehr existent. Er sah in der Aggression eine ausschließlich destruktive Kraft, die sowohl Umwelt als auch das Individuum zerstört (vgl. Dornes 2000, S. 246). Damit die Aggression nicht frei wirken könne, müsse sich ihr der Lebenstrieb entgegenstellen und sie so umwandeln, dass sie eine adaptive Funktion erlangen könne. Auch das Ich könne dazu beitragen, dass Aggression gezähmt werde und sich produktiv auswirken könne. Da ein Ich, welches für die beschriebenen Prozesse die Voraussetzung ist, allerdings im Säuglingsalter noch nicht vorhanden ist, fällt es mit dieser theoretischen Überlegung schwer, z.B. die Neugier von Säuglingen zu erklären. Das führte dazu, dass neue Überlegungen angestellt wurden. Hartmann sprach sich in diesem Zusammenhang für das Vorhandensein einer zusätzlichen Energie neben Libido und Aggression aus. Nun gab es von Geburt an drei Energien: libidinöse, aggressiv- destruktive und neutrale (Dornes 2000, S. 247). Diese eher konstruierte Idee wurde von der Mehrzahl der Autoren nicht geteilt. Es bildete sich die Meinung, (…) daß es von Anfang an zwei Aspekte im Aggressionstrieb gebe, die miteinander koexistierten: einen konstruktiven und einen destruktiven (ebd., S. 247). Aggression wird so (im Sinne der Wortherkunft) als Motor betrachtet, der für sämtliche aktiven Handlungen steht. Dazu gehören auch Bewegung und Wahrnehmung. Die Destruktivität ist nur eine Erscheinungsform der Aggression ihre Quelle ist mit den konstruktiven Anteilen gleich . Wichtigster Vertreter dieser Theorie ist H. Parens, der sich intensiv mit der Entwicklung von Aggression beschäftigt. Parens unterscheidet in seinem Verständnis von Aggression vier Formen, die sich nacheinander entwickeln: die unlustbezogene Destruktivität, die nicht- affektive Destruktivität, die nicht- destruktive Aggression und die lustbezogene Destruktivität (vgl. Parens 1996, S. 18). Während er die nicht- affektive Destruktivität in Abhängigkeit zu den ihnen vorausgehenden physiologischen Bedürfnissen (z.B. Hunger: Saugen an der Brust) sieht und die lustbezogene Destruktivität erst später ansiedelt, sind für ihn nicht- destruktive Aggressionen Verhaltensweisen, die zum Schutz oder zur Behauptung der Person dienen, denen aber nichts Feindseliges innewohnt (vgl. ebd. 1995, S. 19). Diese Form der Aggression setzt Parens als grundsätzlich gegeben und als bereits nach der Geburt wirksam voraus. Nicht- destruktive Aggression soll helfen, dem Menschen seine Wünsche zu erfüllen. Im Gegensatz dazu steht die unlustbezogene, oder auch feindselige Destruktivität (vgl. ebd., S. 19). Auch wenn es zunächst so scheint, als bestünden Parallelen zwischen beiden Formen der Aggression (immerhin dient auch die feindselige Destruktivität dem Schutz der Person), sieht Parens doch einen zentralen Unterschied zwischen beiden Aggressionsformen: Die feindselige Destruktivität ist bei der Geburt noch nicht existent es gibt nur einen von Geburt an vorhandenen Mechanismus, der die feindselige Aggression auslöst (vgl. ebd., S 20). Entscheidend ist nun, welche Faktoren für die Auslösung dieses Mechanismus maßgeblich sind. Was diesen Mechanismus aktiviert und feindselige Destruktivität in ihrer primitivsten Form in der Kleinkindzeit hervorruft, ist die Erfahrung von extremer Unlust (in Form von Schmerz und Kummer) (ebd., S. 20). Mit dieser Vorstellung verabschiedet sich Parens (…) von der Idee einer spontan entstehenden, primären Destruktivitätsneigung des Menschen (Dornes 2000, S. 248). In der Theorie von H. Parens finden sich sowohl schlüssige als auch unschlüssige Aspekte. So versteht er weiterhin die Reaktion auf eine mit Unlust erlebte Situation als Trieb und konstruiert den Begriff vom reaktiven Trieb (vgl. Dornes 2000, S. 248). Parens spricht deshalb von einem Trieb , weil der Mechanismus zur Auslösung feindseliger Destruktivität von Geburt an vorhanden sei. Dem Freud’schen Triebbegriff entspricht diese Vorstellung allerdings nicht, da bei Freud die Triebe eben (…) nicht erst durch Umwelteinflüsse aktiviert werden müssen (ebd., S. 248). 5.2, Säuglingsforschung und Aggression: Ein Hauptproblem der psychoanalytischen Erklärung der Aggression ist ein zu starres Festhalten am grundlegenden Konzept der Triebe und der damit verbundenen These, der Mensch sei ausschließlich triebgesteuert. Für Dornes war die Triebtheorie, (…) historisch und wissenschaftlich betrachtet, die Stärke der Psychoanalyse und zugleich ihre Schwäche (ebd. 1992, S. 162). Viele Autoren haben versucht, mit Erweiterungen oder Abwandlungen eine Theorie zu formulieren, in der die Grundgedanken Freuds ihren Platz haben und die dennoch neue Erklärungsmuster zur Entstehung von Aggression bereithalten. So entstand allerdings ein uneinheitliches Bild, welches durch Revisionen oder Beliebigkeiten immer unklarer wurde.

Über den Autor

Axel Ramberg studierte im Anschluss an seine Tätigkeit als Erzieher in der Kinder- und Jugendpsychiatrie das Lehramt für Sonderpädagogik mit dem Schwerpunkt Verhaltensgestörtenpädagogik und arbeitete im Anschluss daran als Förderschullehrer mit dem Arbeitsschwerpunkt Beratung. Seit 2009 ist er als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Leibniz Universität Hannover im Institut für Sonderpädagogik in der Lehramtsausbildung tätig. Themenschwerpunkte der universitären Arbeit sind Beratung sowie psychische Störungen der frühen Kindheit. Seit 2014 ist er approbierter Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (TfP).

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