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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 344
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Vor langer Zeit gab es einmal ein heiliges Tier der Großen Göttin - den Fuchs. Deshalb im alten deutschen Volksglauben als Tier der Hexen oder als Teufelstier verschrien, von den Jägern noch in heutiger Zeit erbarmungslos verfolgt und getötet, steht dieser Canide mit oftmals geheimen und tabuisierten Kulten in Verbindung, die sich um die empfindlichen Bereiche Tod, Sexualität und Fruchtbarkeit ranken. Auf den Britischen Inseln, wo die Fuchsjagd bis heute besonders grausam betrieben wird, nennen sich starke und selbstbewusste Frauen gerne Füchsin, sei es als Nickname im Web oder als Name von Sportvereinen – Erbe einer einstmals starken Bindung zu diesem schönen Tier, das entweder für die sexuelle Kraft des Göttlich-Weiblichen oder aber ihres Geliebten stehen kann. Selbst im Sinnbild des Reineke Fuchs und seinen Vorläufern ist dies noch erkennbar. Mit diesem Themenkreis nun befasst sich das Buch Der Fuchs und die Göttin . Es offenbart die Gründe unserer Ahnen für die Verehrung des Fuchses wie auch seines Vetters, des Schakals, ebenso wie für die Verteufelung. Die Arbeit zeigt auf, dass Fuchs und Schakal nahezu überall in der Welt fast immer mit Kult und Brauchtum von Frauen zu tun haben. Anhand der germanischen und nordischen Mythologie und Sagenwelt wurden Fakten und Zusammenhänge herausgearbeitet, die bis dato ein Schattendasein fristen mussten. Diese Zeit der Ignoranz soll nun vorbei sein, und der Fuchs soll wieder an den Platz rücken, an den er gehört - zu Füßen der Großen Mutter, und sei es nur deren christliches Abbild als Mutter Gottes.

Leseprobe

Der Fuchs in mongolischen Epen: Die Füchsin Müri?en und die Dolo?an ebügen: Bei Heissigs Arbeit zu den Fuchsopfer-Gebeten der Mongolen wird ein langes Gebet wiedergegeben, das, wenngleich noch von archaischen Vorstellungen geprägt, bereits buddhistisch beeinflusst ist und deshalb Sutra genannt wird. Darin ist noch die Rolle einer göttlichen Füchsin zu erkennen – und zugleich auch ihre Unterordnung unter patriarchalische Götter. Aus dem von Heissig übersetzten und veröffentlichten Text des Sutras des Fuchsrauchopfers geht zunächst der bemerkenswerte Vergleich hervor, dass der Schneefuchs gemeinsam mit dem Löwen mit nicht aufwärts fließenden Strömen verglichen wird (2.5) – ein wichtiges Indiz auf einen weißen Fuchs als heiliges Tier aus der Zeit vor dem Müri?en-Mythos. Die Sünde aber, mit der Müri?en belastet ist, trägt den Charakter der Erbsünde: Es ist lediglich ihre Abstammung und ein inzestuöses Verhalten ihrer Ahnen, das sie belastet: Der Vogelkönig Tngri sündigte mit einer Tochter (3.1), und dieser blutschänderischen Verbindung entspringen neun befleckte Füchse, acht Männchen und ein Weibchen, welches explizit als Rotfüchsin benannt wird (3.2). Wir haben hier also die Vorstellung vom Fuchs als Sinnbild des Inzestes – aber auch des Todes vor uns. Denn durch diese Ereignisse kommt der Tod in die Welt und dies ist auch der Anfang der irdischen Völker: Mongolen, Tibeter und Chinesen, deren drei Stammväter die drei Söhne Müri?ens sind. Müri?en ist, wie Birtalan schreibt, somit die Urahnin besagter dreier Völker. Den Dolo?an ebügen ( Sieben Sternen ) aber galt sie als Sünderin, die als schmutzig und befleckt bezeichnet wird, die menschliche Söhne, drei an der Zahl, hervorgebracht hatte (3.3). Als Müri?en stirbt, wird diesen von den Sternengöttern verboten, ihren Leichnam im Himmel zu begraben (3.3). Der Verfasser des Textes unterscheidet also sehr deutlich: Müri?en ist die mit Sünde belastete Mutter der Menschen, nicht die Göttermutter. Ein Fuchs wird von den Dolo?an ebügen zu den Menschensöhnen gesandt, um die Botschaft zu übermitteln, doch dieser vergisst es schlichtweg (3.4). So kommt es dazu, dass die drei Menschensöhne ihre Fuchsmutter in Unkenntnis der Botschaft an einem verbotenen Ort bestatten, wodurch die Gottheit Bomra befleckt wird: Es ist der Schatten von Müri?ens Begräbnis, der die Befleckung ausmacht (3.5). Der Schatten aber ist nichts anderes als ein Sinnbild des dunklen Aspekts der archaischen Göttermutter, somit des Todes. Die Folgen davon sind: Die Götter schützen nicht mehr die Menschen, diese schmähen Gott Masan Tnrgri, Kinderzahlen und Herden der Mongolen, Tibeter und Chinesen verkleinern sich (3.6a), die Ursprungsmutter erblindet, der Jayayaci Khan wird taub, der König verwirrt (3.6b). Als die Menschen auf Rat von Mafijusri zu den Dolo?an ebügen beten, schelten diese die Menschen aus, da sie den Fuchs als Boten sandten (3.7a). Dieser Vers steht im Widerspruch zu 3.4, wo es heißt, dass der Fuchs von den Dolo?an ebügen zu den Menschensöhnen gesandt wurde. Der Fuchs aber als Bote der Götter ist uns von Japan her wohlbekannt, nur nicht im Zusammenhang mit dem Sündenfall. Nun, die Dolo?an ebügen raten, König Günci zu rufen, der durch ein Opfer die Elemente Erde und Wasser miteinander versöhnen soll (3.7a). König Günci also kommt und lässt den unreinen Fuchs fangen (3.7b). Der Fuchs erbittet, nicht zerschnitten, sondern mit einem goldenen Seidentuch erwürgt (Variante: mit goldener Ahle/Stachel erstochen) zu werden. Ihn zu töten sei Sünde! Nur einige Haare, ein Stück Fleisch, ein Blutstropfen und ein Knochen seien zu opfern (3.8). Wörtlich heißt es im Haupttext: Töte mich nicht, zerschneide mich nicht! Wenn du mich tötest, ist die Sünde einen Fuchs getötet zu haben, groß. Stich mit einem goldenen Stachel [durch] meinen Hals, mit meiner Haare Schmuck, einem Kügelchen aus Blut, Fuchsfleisch, Blut und Knochen, mit diesen drei opfere dann! Daraus geht hervor, dass Fuchshaar, -blut, -fleisch und -knochen als heilig angesehen wurden. Die Gunst weist eindeutig auf eine göttliche Rolle des Fuchses hin, sowohl was diesen selbst, als auch was Müri?en angeht. Vor allem die Tatsache, dass es Sünde sei, ihn zu töten, spricht eine klare Sprache. Seitdem opferten die Menschen den Füchsen also als Reinigungszeremonie, weil dadurch die Götter- und Menschenwelt gereinigt werde. Vor seiner Opferung gibt der Fuchs genaue Anweisungen – ein Opfer, das sich genau ausbedingt und vorschreibt, wie es zu opfern sei! – für das Zeremonial und erwähnt, wie es heißt, neun Zeichen (wobei es in Wahrheit zwölf sind): 1) Die Spitzen der Ohren sind schwarz geworden durch den Umstand, dass ich ständig unterhalb der Bäume gewesen. 2) Meine Schnauze ist kurz geworden. 3) Mein Schweif ist lang und gerade geworden als ein Zeichen, dass seine neun Gelenke mit Fell verbunden sind. 4) Die Schwanzspitze ist weiß geworden [das ist des Schwanzes Vorderes], dass sie gekürzt ist, ist ein Zeichen, dass die Füchse glatt gestutzt wurden. 5) Meine Nasenspitze ist schwarz geworden als ein Zeichen meines Befriedens der Tzu-Dämonen und Teufel. 6) Mein Maul ist braun geworden als ein Zeichen, aus dem Rasyana-See getrunken zu haben. 7) Meine Brust ist weiß geworden als Zeichen [meines] Springens [im] Mond[schein]. 8)-Meine Läufe sind schwarz geworden als ein Zeichen für das Aufgraben der Ragyana–Wiese. 9) Mein Bauch ist weiß geworden als Zeichen des Trinkens im weißen Wasser des Himmels. 10) Meine Kruppe ist grau geworden als Zeichen des Fressengehens früh am Morgen. 11) Mein Rücken ist rot geworden als Zeichen des Herumwälzens in Ruß und Zinnober. 12) Meine Rückgrathaare sind wie Sterne geworden als Zeichen, dass der Mutter Zeichen dem Sohne übertragen. Da hier die Fuchsgestalt, wie wir sie heute kennen, beschrieben wird, bedeutet dies, dass der Fuchs in der Vorstellung der Mongolen einst ein etwas anderes Aussehen gehabt haben muss. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei wohl um einen heiligen weißen Fuchs gehandelt hat, etwas kleiner und vor allem rein – ein Polarfuchs, was zu dem eingangs des Kapitels erwähnten Schneefuchs passt. Zu Punkt 5) ist der Bezug zum Begriff Tzu festzuhalten, den der Fuchs in China dazu hat: Die Fuchsdämonin Frau Tzu und die Geisterfüchsin Atzu: Die erste eine sittenlose Frau, die zur Strafe als Füchsin wiedergeboren wurde, mit der Fähigkeit, von Zeit zu Zeit menschliche Gestalt anzunehmen, die zweite eine sukkubische Verführerfüchsin aus dem Taiping-guangji. Zu Punkt 6): Der Rasyana-See deutet aus sprachwissenschaftlichen Gründen auf einen möglichen Ursprung aus Richtung Indien hin, Punkt 8) Das Aufgraben der Ragyana–Wiese ebenfalls: Ma Ragyana ist eine Muttergöttin in Nord–Indien, mit einem Kult in Tulmula im Bundesstaat Srinagar. Ursprünglich soll sie aus Lanka stammen. Das Aufgraben der Ragyana–Wiese ist nichts anderes als eine symbolische Ausdrucksweise für eine kultische sexuelle Handlung, die auf den Verkehr eines Verehrers dieser Göttin mit ihrer irdischen Stellvertreterin hinweist. Vergleichbares werden wir weiter unten im Hohelied antreffen. Es ist anzunehmen, dass der Rasyana-See mit der Muttergöttin Ragyana in Verbindung steht. Punkt 12) ist schwerlich anders als ein Indiz für den gynäkokratischen Ursprung, die matrizentrische Linie zu verstehen. In der Folge wird jedes der Körperteile stellvertretend für eine andere Sünde geopfert, wodurch der Fuchskörper zu einem erlösenden, sakralen Objekt wird, den Leibern von Dionysos, Osiris oder gar Christus in ihren jeweiligen Religionen vergleichbar. Die Verbindung der Rotfüchsin Müri?en, die Mutter der Menschen, die gleichwohl für den Inzest als auch für den Tod steht, ist hier eingebettet in einen Mythos von der Entstehung der irdischen Welt, die von vornherein durch Sünde belastet ist. Wenn aber diese Füchsin mit Schuld beladen ist, dann nur, weil zuvor ein männlicher Gott mit seiner Tochter Inzest betrieben hat. Indem die Frucht dieser Sünde auf die Füchsin und ihre Brüder übertragen wurde, nahmen patriarchale Eroberer die Gelegenheit wahr, ihre neuen Götter und Helden über die alte Religion der Göttin und ihre Fuchsgötter zu stellen. Der Fuchs musste, wie aus dem letzten Teil der Dichtung hervorgeht, zugleich auch als Bote der Götter gegolten haben. Da dieser Part offenbar fest verankert und nicht ohne Weiteres zu ignorieren war, erfand man wahrscheinlich die Passage mit der vergessenen Botschaft. Paradoxerweise erhielt die Füchsin Müri?en gerade dadurch ihren Platz dort, wo sie in Wahrheit hingehört – bei den Stätten der Götter, nur dass dies nach den neu eingeflossenen buddhistischen Lehren freilich nur eine Sünde sein konnte. Für die Tatsache, dass die Überarbeitung und Umdeutung des Textes durch buddhistisch Gesinnte erfolgte, spricht auch der Rahmen der Wiedergeburt, in dem alles gesehen wird. In der feministischen Theologie wird Eva bekanntermaßen gern als Überbleibsel einer archaischen Göttin wie Heba (Hebe) betrachtet, die auf Grund von Patriarchalisierung zur Sünderin degradiert wurde. Dass dies vermutlich in Zentalasien nicht viel anders war, nur dass hier die Füchsin ursprünglich die Göttin selbst und ihren Boten symbolisierte, dafür spricht besonders die Tatsache, dass der Fuchs im nahezu ganzen nord- und zentralasiatischen Raum mit Tabus belegt ist. Sein Name darf nicht ausgesprochen werden wenn überhaupt, darf er nur unter besonderen Umständen getötet werden sein Fleisch und Fell dürfen nur für bestimmte Zwecke verwendet werden sein Kopf wird geschont, oder sein toter Körper muss, um seine Wiedergeburt zu verhindern, zerteilt und den vier Himmelsrichtungen zugewandt begraben werden, und vieles mehr. Die Aufsätze der diversen AutorInnen bei Walravens und anderswo zum Thema sind voll von entsprechenden Ritualen und Texten, es gibt zahlreiche Opferformen, mit speziellen Zutaten wie Weihrauch und andere, sowie natürlich die Fuchsopfergebete . Sie dokumentieren, dass es nicht nur in Japan und China, sondern auch in Zentralasien einen richtiggehenden Fuchskult gegeben hat. Die Tatsache, dass hier eine mit Sünde belastete Fuchsmutter, um nicht zu sagen eine Fuchsgöttin, die wichtigste Gestalt war, legt nahe, dass sie ursprünglich, im schamanischen Volksglauben, die Große Mutter dieser Völker gewesen sein muss. Als sie verdrängt wurde, erfolgte ihre Degradierung, sprich die Schmähung als Sünderin. Nichtsdestoweniger blieb die Erinnerung an ihre Größe allein schon durch die Bezeichnung der Gebetsformeln als Fuchsopfergebete erhalten.

Über den Autor

Klaus Mailahn wurde am 15.08.1961 in Konstanz am Bodensee geboren. Nach kaufmännischer Ausbildung ist er derzeit in Frührente. Er hat aus Interesse an der Religion einige Abhandlungen und Texte verfasst: - Der Fuchs in Glaube in Mythos, Münster/Wf. 2006, - Göttin, Fuchs und Ostern, Münster/Wf. 2007, - Der russische Ödipus. Die seltsame Marienverehrung des Grigori Jefimowitsch Rasputin, München 2008, - Der Fuchs als Tier der Gottheiten Alt-Perus, München 2009, - Reineke Fuchs und die Göttin. Neue Erkenntnisse über ein heiliges Tier der Großen Mutter, München 2010, - Dionysos, Gott der Frauen. Eine mythologische Spurensuche, München 2011. - Die Göttin des Christentums: Maria Magdalena , Norderstedt 2013. Weitere Informationen auf der Homepage: http://gcmm.jimdo.com

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