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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Jahr 1848 brachte, ausgehend von der Februar-Revolution in Frankreich, Unruhe und Revolution in weiten Teilen Europas. Gesellschaftliche Umbrüche, die im engen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in den Jahren der Neuordnung Europas nach den Napoleonischen Kriegen im Rahmen des Wiener Kongresses standen, konnten sich bis dahin nicht ihren Weg in eine konkrete Umgestaltung und Erneuerung der Formen von politischer Partizipation größerer Teile der Bevölkerung bahnen. Das metternichsche reaktionäre System der Kontrolle und Repression der Untertanen hatte bis dahin alle Staaten des Deutschen Bundes fest im Griff. Auch in Kopenhagen gab es einen Regierungswechsel, die nationalliberalen, sogenannten Eiderdänen wurden vom König, wenn auch widerstrebend, in die Regierung eingesetzt. In Schleswig-Holstein bildete sich daraufhin eine provisorische Regierung, welche, aufbauend auf einem zumindest gewagten legitimistischen Konstrukt einer angeblichen Unfreiheit des in Kopenhagen residierenden Landesherren, reklamierte, in dessen Namen die Regierung zu übernehmen, bis dieser wieder frei sei, um bis dahin die Herzogtümer vor dem Zugriff der Eiderdänen zu schützen. Diese ganz spezielle Situation Schleswig-Holsteins im Spannungsfeld zwischen Dänemark und Deutschland, zwischen den Entwicklungen im zumindest theoretisch noch intakten dänischen Gesamtstaat und den im Deutschen Bund zusammengefassten deutschen Ländern, ist Gegenstand dieses Buches.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.3.1, Das Parlament in der Paulskirche: Der durch die Revolution geweckte Einheits- und Freiheitswille manifestierte sich am greifbarsten in der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Die Bedeutung für Schleswig-Holstein ergibt sich schon daraus, dass nicht nur Holstein, sondern auch das bisher nicht zum Deutschen Bund gehörende und damit von den Bundesgesetzen nicht direkt berührte Schleswig hier vertreten war. Gleichfalls erweist sich die besondere Bedeutung der Schleswig-Holstein-Frage darin, dass die Angelegenheiten der Herzogtümer mehrmals Gegenstand der parlamentarischen Verhandlungen waren. Hier ist der Blick besonders auf den September 1848 zu richten, der mit der widersprüchlichen Behandlung der Frage der Anerkennung des Malmöer Waffenstillstands durch die Nationalversammlung einen Wendepunkt nicht nur der Reputation der Paulskirche in der Öffentlichkeit, sondern der ganzen 1848er Revolution brachte grundlegend für das spätere Dilemma der Paulskirche war der Beschluss vom 9. Juni 1848, in dem die Schleswig-Holstein-Frage zur Sache der deutschen Nation und damit der Nationalversammlung erklärt worden war. Vorbereitet von einem siebenköpfigen Ausschuss, der auf dem Heidelberger Treffen der führenden Liberalen und Demokraten am 5. März 1848 eingesetzt worden war, trafen am 31. März 1848 574 Abgeordnete zum sogenannten Vorparlament zusammen. Bereits hier spielte die Schleswig-Holstein-Frage eine bedeutende Rolle, was sich im folgenden Beschluss des Vorparlaments unter dem Punkt ‘Das Bundesgebiet’ zeigt: ‘Schleswig, staatlich und national mit Holstein unzertrennlich verbunden, ist unverzüglich in den deutschen Bund aufzunehmen und in der constituirenden Versammlung gleich jedem andern deutschen Bundesstaate durch freigewählte Abgeordnete zu vertreten.’ Versuche der Linken, das Vorparlament zu einer dauerhaften Einrichtung zu machen, wurden von der liberalen Mehrheit abgeblockt, so dass schließlich als eigentliche Aufgabe die Vorbereitung einer durch Wahlen legitimierten Nationalversammlung blieb. Es wurde ein ‘Fünfzigerausschuss’ gebildet, der mit der Bundesversammlung zusammenarbeiten sollte, und falls erforderlich das Vorparlament wieder einberufen konnte. Ein Symbol für die geänderte Lage waren schon die Wahlen zur Nationalversammlung: Erstmals wurde im gesamten Deutschen Bund ein freies Parlament gewählt, nach von Staat zu Staat unterschiedlichem Wahlrecht zwar, aber in freier, wenn auch in den meisten Staaten indirekter Wahl. Eine der wenigen Ausnahmen, wo die Wähler direkt über ihren Kandidaten abstimmen konnten und nicht Wahlmänner wählten, war Schleswig-Holstein. Gewählt wurde auch in Territorien, die bisher nicht zum Deutschen Bund gehört hatten: neben Ost- und Westpreußen, Teilen Posens auch in Schleswig. Die einzige Einschränkung beim Wahlrecht war das Kriterium der ‘Selbständigkeit’. Dieses wurde nicht näher definiert, so dass in den meisten Ländern zur Klärung der Frage, wer denn nun wahlberechtigt sei, die Wahlgesetze für die jeweiligen Landtage angewandt wurden. Grund für diese Ungenauigkeit in den Wahlbestimmungen zur Nationalversammlung, und der daraus resultierenden Tatsache, dass nicht nach einem einheitlichen, sondern vielen verschiedenen Wahlgesetzen gewählt wurde, war zum einen der Zeitdruck, zum anderen das Bewusstsein der Vertreter des Vorparlaments, nicht demokratisch legitimiert zu sein. Das Dilemma zwischen der Notwendigkeit sorgfältigen Handelns und dem Zwang zu einem schnellen Vorgehen sollte sich im Folgenden wie ein roter Faden durch die Geschichte des ersten deutschen Parlaments ziehen. Auch bei dem Kriterium der ‘Selbständigkeit’ gehörte Schleswig-Holstein zu den wenigen Ausnahmen, denn dieses wurde hier - wie auch in Preußen und Österreich - nicht angewandt. Politische Parteien waren in diesem frühen Stadium der Revolution noch kaum ausgeprägt, so ‘daß die Abstimmungen in der Mehrzahl der Wahlkreise reine Persönlichkeitswahlen waren.’ Die Wahlbeteiligung schwankte zwischen 40 und 75 %. Entscheidend für die politische Zusammensetzung des Parlaments war, dass es erst nach dem ersten Überschwang der revolutionären Ereignisse im März und April 1848 gewählt wurde das drückte sich in den Wahlergebnissen aus, es wurden weniger Demokraten und Republikaner ins Parlament gewählt, als es zweifellos in der Zeit des Höhepunkts der Revolution der Fall gewesen wäre. Die Nationalversammlung trat schließlich am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammen. In dem gut einen Jahr ihres Bestehens bemühte sich die Paulskirche, die Ergebnisse der Revolution festzuschreiben. Dies sollte insbesondere durch eine gesamtdeutsche Verfassung geschehen. Auf deren Basis war auch die Wahl eines Reichsoberhauptes und die Bildung einer Reichsregierung vorgesehen. Alle diese Bemühungen scheiterten letzten Endes, und mit ihnen die gesamte Revolution. Im Umfeld der oft schwierigen und langatmigen Debatten in der Paulskirche bildeten sich jedoch die Anfänge einer politischen Parteienlandschaft und einer Diskussionskultur, die über die Paulskirche hinaus fortwirkten. Für die Bedeutung der Nationalversammlung sprechen diese fortwirkenden Elemente andererseits ist zu bedenken, dass das offensichtlich vergebliche Bemühen, konkrete Ziele nicht nur zu formulieren, sondern auch durchzusetzen, nach einer kurzen Phase der Euphorie die Reputation der Nationalversammlung deutlich sinken ließ, und mit ihm das Vertrauen der deutschen Öffentlichkeit auf ein parlamentarisches System. Auch diese Tatsache sollte noch lange in der deutschen Geschichte nachwirken.

Über den Autor

Andreas von Bezold, M.A., wurde 1970 in München geboren. Er studierte Osteuropäische Geschichte, Slavische Philologie und Philosophie in Göttingen und Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie an der Fernuniversität in Hagen. Inzwischen lebt er in Schleswig-Holstein und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte Schleswig-Holsteins sowie Preußens und Dänemarks, die in weiten Teilen eine wesentliche Rolle für Schleswig-Holstein spielen.

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