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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Abb.: 67
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Seit Anbeginn der Zeit wirkt sich der Tod als allgegenwärtiger Begleiter in vielfältiger Weise auf den Menschen aus. Im Laufe der Jahrhunderte haben Religion, Medizin, historische Ereignisse, technische Neuerungen und dergleichen mehr die Haltungsmodifikation des Menschen gegenüber dem Tod maßgeblich beeinflusst. Dieses gilt gleichermaßen für den schriftlich-medialen Bereich, den die Gesellschaft geschaffen hat. Exemplarisch beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Veränderung der Todesanzeige hinsichtlich diverser gattungsspezifischer Merkmale. Neben formalen Aspekten wie Aufbau, Form, farbliche Gestaltung etc., werden des Weiteren sprachwissenschaftliche Untersuchungen unternommen, die eine chronologische Motivationsveränderung besagter Textsorte aufzeigen. Die Studie schließt mit einem Ausblick auf die hiesige Gesellschaft und die damit einhergehenden Neuerungen und Tendenzen, welche im Zusammenhang mit der beschriebenen Textsortenveränderung einhergehen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 1, Historische Bedingungen, Voraussetzungen, Entwicklung der Todesanzeige: Der Tod eines Menschen ist für gewöhnlich nicht ausschließlich für dessen Kernfamilie von Belang, sondern betrifft oftmals auch außenstehende Personen. Das können ehemalige Klassenkammeraden, Vorgesetzte, Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder, Freunde, entfernte Bekannte und dergleichen mehr sein. All die gilt es über den Verlust in Kenntnis zu setzten. Doch beschränkt sich die Information nicht ausschließlich auf die Bekanntgabe über das Ableben der Person es müssen noch weitere Anweisungen erfolgen: wann ist derjenige gestorben, wo wird er beerdigt, wann findet die Beisetzung statt, werden Blumengestecke, Kränze oder stattdessen Spenden erbeten usw. Diese Informationspflicht nimmt dem Angehörigen heute die Todesanzeige ab. Man stelle sich vor, wie umständlich es wäre, jeden einzelnen anzurufen oder schriftlich über den Tod des Verwandten aufzuklären und wie schnell man Gefahr läuft, jemanden zu vergessen. Noch vor Entstehung der Todesannonce - besonders in ländlichen Gegenden - übernahmen der Leichenbitter und die wöchentliche Predigt die Aufgabe, den Tod eines Menschen publik zu machen. Leichenbitter, die es bis in die 1970er Jahre gab, wurden von der Familie des Verstorbenen beauftragt, von Haus zu Haus zu gehen, die Mitbürger von dessen Dahinscheiden zu unterrichten und gleichsam zum Begräbnis einzuladen. Weiterhin war es nicht unüblich, dass der Leichenbitter auch dafür verantwortlich war, die Leiche für die Beerdigung vorzubereiten, den Leichenschmaus zu organisieren, die Gäste willkommen zu heißen und diese später zu verabschieden. Die Leichenbitter sagten formelhaft, meist ohne zu grüßen, ohne anzuklopfen und ohne das Haus zu betreten, die Neuigkeit auf. Eingeleitet mit: ‚Mit jedem Tag stirbt unser Leben!/Wir müssen das Geleit bald geben/ dem, den man trägt die Grabes-Bahn/ die Zeit des Todes Abgeschickter/ klopft Armer oder Reich-Beglückter/ bey einem wie beym andern an.‘ Dann folgte der Name des Verstorbenen und die Einladung zum Begräbnis. Das unterlassene Anklopfen wurde durch das Schlagen mit einer Gerte oder Rute an die Tür ersetzt. Dieser Brauchtum sollte dafür sorgen, dass der Tod keinen Zutritt zum Haus erhielt. In Zeiten eines vorherrschenden Analphabetentums war der Leichenbitter eine absolute Notwendigkeit, denn ohne ihn wäre die gesamte Arbeit rund um das anstehende Bestattungsprozedere auf die Angehörigen zurückgefallen. Diese Vorgehensweise der vergüteten Hilfestellung ist der heutigen Anzeigenfunktion nicht unähnlich. Die Hinterbliebenen bezahlen dafür, dass ein spezifischer Text erscheint, dessen Aufgabe es ist, die Öffentlichkeit über den Tod eines Familienmitgliedes zu informieren. In der Anzeige ist dann in der Regel zu lesen, wer zu welchem Zeitpunkt verstarb und wann die Beerdigung stattfindet. Die Entstehung der klassischen Todesannonce steht in einem engen Zusammenhang mit dem Aufkommen der Tageszeitungen Mitte des 17. Jahrhunderts. Im Prozess stetig anwachsender Urbanisierung war der Leichenbitter seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen ‘[…] und musste einem neuen Medium Platz machen, das den neuen Bedingungen besser gewachsen war. Als dieses neue Medium erwies sich die Zeitung, und zwar erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Analphabetisierung der Bevölkerung einen hohen Grad erreicht hatte. (GRÜMER 1994: S. 68) Doch dauerte es noch einmal 100 Jahre, bis das Ulmer Intelligenzblatt einen kleinen Dreizeiler veröffentlichte, der den Tod von Herrn Johann Albrecht Cramer bekannt gab. In der Nacht, unterm 14. huj. ist Totl. Herr Johann Albrecht Cramer, weiland des Raths, Zeugherr und Handelsmann allhier, in einem Alter von 70 Jahren an einem Schlagfuss gestorben. Diese aus dem Jahr 1753 stammende Anzeige ist die älteste in einer deutschsprachigen Zeitung zu bezeugende Todesannonce, die noch ohne Trauerrand, Hinterbliebenennennung, exaktem Geburts- oder Sterbedatum, Symbolik etc. auftrat. Es war eine nüchterne Bekanntmachung, deren einziger Zweck die Information war - keine Trauerverarbeitung, keine Einladung zur Beisetzung, keine Versprechen des Gedenkens und dergleichen mehr. Weiterhin bezog sich der Mitteilungsaspekt nicht auf die Familienmitglieder, Verwandten und Bekannten, sondern auf die geschäftliche Ebene. ‘Die Entstehung der Todesanzeige ist auf die Notwendigkeit zurückzuführen, durch den Tod bedingte geschäftliche Veränderungen der Öffentlichkeit bekannt zu geben.’ (MADER 1990: S. 18) Folglich war die Intention, die sich zu Beginn hinter der Aufgabe einer Todesanzeige verbarg, nicht den Tod eines Menschen vor der Gesamtheit zu betrauern, oder sich gesellschaftlichen Erwartungen entsprechend als guter Trauernder zu präsentieren. Das Interesse galt einzig und allein Kollegen und Geschäftspartnern, damit diese den durch das Ableben ihres Kompagnons vermutlich beeinflussten Handel zeitnah umstrukturieren konnten […]

Über den Autor

Anna Stöhr, M.A. wurde 1985 in Grimma geboren. Ihr Studium der Allgemeinen und Angewandten Sprachwissenschaft und der Germanistischen Literaturwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg schloss sie 2011 mit Erlangung des akademischen Grades Magistra Artium erfolgreich ab. Das Interesse für die Sprachwissenschaft und die Beschäftigung mit scheinbar unkonventionellen Fragestellungen trugen maßgeblich zur Entstehung der hiesigen Arbeit bei.

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