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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 168
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In der DDR war die Erziehung von Kindern und Jugendlichen durch staatliche Einrichtungen autoritär, in der BRD hingegen seit den 1960er und -70er Jahren eher tolerant und liberal. Wie genau sich das in den beiden System ausgestaltete und welche Ziele damit verfolgt wurden, ist Thema dieses Buches. Auch der Einfluss außerschulischer Institutionen, wie den Medien, wird berücksichtigt, denn es gibt sehr viele Faktoren, die Wertemuster und Einstellungen eines jungen Menschen prägen. Unterschiede in den Mentalitäten heutiger West- und Ostdeutscher lassen sich daher kaum allein durch die politische Sozialisation erklären. Die Gründe dafür liegen vor allem in den Lebensumständen. Aber auch Ablauf und Folgen der Deutschen Einheit spielen hierbei eine große Rolle…

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.2.2.3, Wehrerziehung: Die Nationale Volksarmee (NVA) übernahm zum einen den Bereich der Landesverteidigung, war zum anderen aber auch für die innere Sicherheit und polizeiliche Angelegenheiten zuständig. Sie war jedoch nur ein Teil des staatlichen Wehrkonzeptes, denn Partei- und Staatsführung sahen die Landesverteidigung nicht allein als eine Sache der Streitkräfte, sondern als Obliegenheit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Daher war die Gesellschaft in vielen Bereichen militarisiert und die DDR erwies sich bei der Umsetzung ‘als gelehrige Schülerin erprobter Psychotechniken’ (Dengel, 197). Maßnahmen zur ‘mentalen Manipulation’ (ebd.) von Kindern und Jugendlichen waren Kinderbücher mit militärischem Inhalt und für die Älteren der Wehrkundeunterricht. Ziel war es, die Legitimität von Streitkräften und Staat zur Geltung zu bringen und die militärische, politische und ideologische ‘Erziehung der DDR-Bürger zu ‚sozialistischen Soldatenpersönlichkeiten’’ (a.a.O., 198) im Wehrdienst vorzubereiten. Darüber hinaus sollte die ‘Verteidigungswürdigkeit des Sozialismus’ herausgestellt und alle Jugendlichen zur Wehrbereitschaft und -fähigkeit erzogen werden. Dazu kam, dass die NVA zunehmend Nachwuchsprobleme hatte und gehofft wurde, v.a. durch den Wehrunterricht mehr Berufssoldaten anwerben zu können. (Vgl. Lemke, 147) Außerdem wurde die Vergabe eines Studien- oder Ausbildungsplatzes oft an die Bedingung geknüpft, über die üblichen 18 Monate hinaus Dienst in der NVA zu verrichten. (Vgl. Bunke, 69) Die in den 80er Jahren verstärkte vormilitärische Erziehung diente letztlich ‘der Festigung einer Identifizierung mit der DDR als eigenem Staat’ (Lemke, 150). Prinzipiell wurde nicht zwischen militärischer Erziehung von Armeeangehörigen und ziviler Bevölkerung unterschieden. Wehrerziehung wurde ‘verstanden als dialektische Verknüpfung von politisch-ideologischer Arbeit, Vermittlung militärisch-technischer Kenntnisse und Fähigkeiten und wehrsportlicher Aktivität’ (a.a.O., 200). So sollte ein sozialistisches, staats- und herrschaftskonformes Bewusstsein und die Entwicklung militärpolitischen Denkens bei allen Bürgern gefördert werden, die deshalb in zahlreiche parteieigene und staatliche Organisationen eingebunden waren. Für Jugendliche erfolgte eine wehrpolitische und -sportliche sowie vormilitärische Ausbildung und Erziehung in den Pionierorganisationen, der FDJ und der paramilitärischen Gesellschaft für Sport und Technik (GST). Von letzterer wurden für die Acht- bis Zehntklässler seit 1967 die ‘Hans-Beimler-Wettkämpfe’ ausgerichtet: Militärpolitische Informationsveranstaltungen mit Zehntklässlern, Orientierungsmärschen und Schießübungen. In gezielten Gesprächen sollten interessierte Jugendliche währenddessen für eine militärische Laufbahn gewonnen werden. (Vgl. Ohse, 291 f.) Auch im regulären Sportunterricht zeigte sich das Prinzip der Wehrerziehung: Für Jungen in der Oberstufe waren Kampfsportarten wie Judo, Ringen und Boxen vorgesehen wodurch ‘mutiges Verhalten, Selbstbeherrschung, Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit’ ausgeprägt werden sollten. Trainiert wurden auch militärische Techniken wie gezielter Handgranatenwurf oder Hindernislauf im Gelände. Schon Kinder sollten sich an den Ton im Militär und an Disziplin gewöhnen. Gelehrt werden sollten etwa im Sportunterricht der 4. Klasse: Marschordnung, Meldung, Marschieren, auch mit Formänderungen in der Gruppe oder im Klassenverband. Großer Wert muss auf exakte Kommandosprache und -ausführung gelegt werden. Disziplin und Ordnung als Attribute kollektiven Verhaltens sind damit bedeutungsvoll sowohl für den Sport als auch für den Wehrdienst. Ein straffer Sportunterricht, eine klare Kommandosprache, konsequente Kontrolle der Forderungen mit entsprechenden Sanktionen bei ihrer Erfüllung werden bei den Schülern die emotional gesteuerte Anteilnahme und die innere Bereitschaft für ein diszipliniertes Verhalten schaffen. Im Musikunterricht sollten ‘Lieder im Kampf um den Frieden’ intoniert und ‘Marschlieder selbständig, in der richtigen Tonart’ angestimmt werden, wobei darauf zu achten war, dass ‘beim Marschieren nach Gesang und nach Marschmusik bewusst laut, deutlich und kämpferisch gesungen, aber nicht geschrien’ wurde. In Mathematik begannen Sachaufgaben zuweilen mit ‘Eine 200-kg-Napalmbombe verwandelt in ebenem Gelände eine annähernd kreisförmige Fläche von 2.000 m2 in ein zusammenhängendes Flammenmeer’. (Vgl. Bergem, 177 f.) Der eigentliche Wehrunterricht in Schulen wurde 1980 für die Neunt- und Zehntklässler obligatorisch. Unterrichtet wurden sie von ehemaligen Offizieren oder Staatsbürgerkundelehrern in Uniform. Alle Schüler sollten nach Maßgabe des Bildungsgesetzes veranlasst werden, das sozialistische Vaterland und die sozialistische Staatengemeinschaft zu schützen. Die ‘klassenmäßige, patriotische und internationalistische Haltung’ der Schüler sollte ausgeprägt und die Wehrmotivation gefestigt werden. Außerdem sollten die Schüler auf die Anforderungen des Wehrdienstes und der Zivilverteidigung vorbereitet werden. Inhalte waren die Aufgaben der Streitkräfte, der Dienst in der NVA, die Militärpolitik des Imperialismus, die Rolle der Bundeswehr in der NATO und die Militärdoktrin des Warschauer Vertrages. Weiterhin mussten eine Schießausbildung und Wehrbereitschaft durchlaufen werden. Die Inhalte spiegeln ‘das extreme Legitimations- und Sicherheitsbedürfnis der DDR wider’ (Lemke, 148). Zu einer hohen Verteidigungsbereitschaft und Mobilisierung der Jugend sollte die FDJ beitragen, die die militärischen Ziele der Staatsführung zu sichern hatte. In den Mitgliederversammlungen wurden ‘Kampfmeetings’ und andere der Massenschulung dienende Veranstaltungen abgehalten. Die Ziele der wehrerzieherischen Tätigkeit der FDJ werden im 1987 gefassten Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates genannt: - die Überzeugung von der Gerechtigkeit und Sieghaftigkeit unserer sozialistischen Sache zu festigen. - [...] die bedingungslose Hingabe zur Partei der Arbeiterklasse, zum sozialistischen Staat und zur militärischen Führung der DDR auszuprägen. - das Vertrauen in die Kraft des Warschauer Vertrages, die Freundschaft zur Sowjetarmee und die Liebe zum sozialistischen Vaterland zu stärken, Klarheit über die Kriegsschuld des Imperialismus zu schaffen und den Hass auf den Feind zu vertiefen. - der Aufrechterhaltung und Festigung von Ordnung, Disziplin und Standhaftigkeit zu dienen sowie die Bereitschaft, alle Befehle und Weisungen widerspruchslos, initiativreich, auch unter Einsatz des eigenen Lebens auszuführen, zu festigen. - den Kampf für den Erhalt revolutionärer Wachsamkeit und Geheimhaltung sowie gegen Panikmacherei zu unterstützen. Die vormilitärische Ausbildung war an Jungen der EOS gerichtet - Mädchen absolvierten eine Sanitäts- bzw. Zivilverteidigungsausbildung, die ‘zur Leistung der Ersten Hilfe nach Waffeneinwirkungen und bei Katastrophen’ befähigen sollte. (Vgl. Baske, 212) Aufgaben der FDJ waren die Organisation der Ausbildung, die Unterhaltung von Kontakten zu Militär und Volkspolizei und massive Überzeugungsarbeit für den Wehrdienst und militärische Berufe. Die Versuche, die Jugend ‘zum unversöhnlichen Hass gegen die Feinde des Volkes zu erziehen’ (Honecker, 92) waren nach Ansicht Walters so unpopulär, ‘dass es eine der ersten Maßnahmen des Ministeriums für Volksbildung nach dem Rücktritt Margot Honeckers war, den Wehrunterricht einzustellen’ (Walter, 82).

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