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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Ausbruch der europäischen Schuldenkrise im Jahr 2009 markiert das Abdriften des europäischen Gemeinschaftsprojekts in eine tiefe ökonomische wie politische Krise. Die Hellenen bildeten dabei nur das erste Glied einer ganzen Kette von Staaten, die sich bis heute in ihren Refinanzierungsmöglichkeiten an den Kapitalmärkten eingeschränkt sehen. Trotz der enormen Geldbeträge, welche zur Stabilisierung der Märkte aufgeboten wurden, ist die Krise keineswegs überwunden. Ein weiterer Schuldenschnitt in Griechenland scheint unvermeidbar, Europas Bankensystem ist mehr denn je abhängig von den offenen Geldschleusen der EZB und die erschreckend hohen Arbeitslosenzahlen an der Peripherie unserer Währungsunion gefährden den sozialen Frieden innerhalb der Staatengemeinschaft. Die derzeitige Schuldenkrise ist somit längst zur größten wirtschaftspolitischen Herausforderung des vereinten Europas geworden. Die vorliegende Studie hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Leser die Hintergründe der Krise näher zu bringen, vergangene wie gegenwärtige Fehlentwicklungen zu analysieren, um schlussendlich konstruktive Lösungswege aufzuzeigen – für und nicht gegen ein gemeinsames Europa.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2.2, Mitgliedschaft in der EWU erhöht Insolvenzrisiko für Staaten: Während die einheitliche Zinspolitik ein allgemeines Problem innerhalb jeder Wäh-rungsunion, die mit einem asymmetrischen Schock konfrontiert ist, darstellt, zeigt sich in der Krise auch ein essenzieller Unterschied zwischen der EWU und anderen Währungsräumen, wie ein Vergleich zwischen Spanien und England verdeutlicht. So lassen sich mit Blick auf die Schuldenentwicklung zwischen beiden Ländern Paralle-len feststellen, dennoch befindet sich das Vereinigte Königreich in einer wesentlich komfortablen makroökonomischen Situation. Solange dessen Schuldtitel auf Pfund Sterling lauten, lassen sich Finanzierungsengpässe der öffentlichen Hand grundsätzlich vermeiden. Die Rückzahlungsbeträge für fällige Staatsanleihen können jederzeit durch die Bank of England zur Verfügung gestellt werden. Die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit ist damit gebannt, gleichzeitig lässt sich bei Bedarf die staatli-che Verschuldung erhöhen, indem zusätzliche Anleihen durch die Notenbank erwor-ben werden. Quantitative Easing (QE), so bezeichnet man dieses Vorgehen, mit dem nicht nur die englische Notenbank im Jahr 2009 de facto die gesamte Neuver-schuldung des Königreichs finanzierte, sondern das bereits zwischen 2001 und 2006 verstärkt von der Bank of Japan zur Überwindung einer Deflationsphase angewendet wurde und seit der Insolenz von Lehman Brothers auch von Ben Bernanke, als Vor-sitzendem der Federal Reserve, in erhöhtem Maße praktiziert wird. Während also die Notenbanken in England, Japan oder den USA dem Staat eine erleichterte Liqui-ditätsversorgung gewähren, sind die Euro-Mitglieder aufgrund der Unabhängigkeit ihrer Zentralbank weitgehend darauf angewiesen, sich über die Kapitalmärkte zu finanzieren. Wie bei der Verschuldung in Fremdwährung ist ein Land dadurch den Unwägbarkeiten der internationalen Finanzmärkte ausgesetzt. In der Literatur mit dem Begriff der Erbsünde (Original Sin) belegt, treten die Folgen eines solchen Ver-fahrens innerhalb der EWU nun immer deutlicher zutage. Verlieren die Marktakteure das Vertrauen in den Schuldner, besteht die Gefahr für fällige Staatsobligationen keine Anschlussfinanzierung mehr zu erhalten und das Insolvenzrisiko für Staaten steigt. Ein Problem, dem bei der Konstruktion der Währungsunion offenbar nicht zu Genüge Rechnung getragen wurde. Ob QE und die damit provozierten höheren Inflationsraten andererseits zu einer nachhaltigen Verbesserung der ökonomischen Situation eines Landes beitragen kön-nen, ist umstritten, eine Bewertung dieser Option in anderen Währungsräumen fällt eher verhalten aus. Wohl aber stellt es eine Möglichkeit der preiswerten Liquidi-tätsversorgung für finanziell angeschlagene Staaten dar, der nicht nur das Handels-blatt in einem Zehn-Punkte-Plan zur Rettung des Euros Tribut zollt. Auch Öko-nomen wie Paul de Grauwe, Hickel oder Eichengreen sprechen sich für eine solche Politik durch die EZB aus, um der fortschreitenden Destabilisierung des Euro-Raums und spekulativen Attacken gegen Problemländer Einhalt zu gewähren. Hatte Jean-Claude Trichet als Präsident der EZB entsprechende Forderungen nach Staatsanleihenkäufen am 6. Mai 2010 noch mit den Worten ‘we did not discuss this option’ brüsk zurückgewiesen, ging die EZB nur vier Tage später doch dazu über im Rahmen des frisch aufgelegten Securities Markets Programme (SMP) Staatsanleihen, am Sekundärmarkt aufzukaufen. Bereits bis Ende 2010 wurden so Gelder im Um-fang von 67 Mrd. Euro in griechische, portugiesische und irische Staatsanleihen investiert. Obwohl ein solches Vorgehen von der Satzung der EZB gedeckt zu sein scheint, stellt der binnen eines Wochenendes vollzogene Gesinnungswechsel ein ernsthafter Reputationsverlust für die Zentralbank dar. Der Vorwurf, die Staatsdefizite der Schuldensünder zu finanzieren, schwächt die Glaubwürdigkeit der EZB als unabhängige, allein der Preisstabilität verpflichtete Institution. Weber, der sich aufgrund dieser Politik veranlasst sah, von seinem Posten als Bundesbankpräsident zurückzutreten, sieht mit dem Anleihenkauf die Grundprinzipien der Währungsunion unterlaufen, auch deshalb, weil die Verantwortlichkeiten zwischen Geld-und Fiskalpolitik zusehends zu verschwimmen drohten. Für Markus Kerber geht die neue Offenmarktpolitik mit Wettbewerbsverzerrung und versteckter Ressourcenumverteilung zwischen den Mitgliedsländern einher. Der Finanzwirtschaftsexperte stellt sowohl die Legalität wie auch fachliche Legitimität dieser Maßnahme infrage und verweist darauf, dass der von Trichet zwischen dem 6. und 10. Mai an den Tag gelegte Schlingerkurs die Spannungen an den Märkten erst provoziert und anschließend die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik untergraben hätte. Auch Sinn und Henkel stehen dem SMP kritisch gegenüber. Nicht nur der Haftungsumfang solider Euro-Staaten werde vergrößert auch die eigens für Wertpapierpensionsgeschäfte aufgestellten Bonitätskriterien würden über Bord geworfen. Kai Konrad indes gibt zu bedenken, dass die EZB, von ihrem ersten Präsidenten Wim Duisenberg einst als die von der Politik unabhängigste Zentralbank der Welt gerühmt, nur noch einen kleinen Schritt von der direkten Finanzierung des Fiskus mit Geld aus der Notenpresse entfernt sei. Tatsächlich muss man sich die Frage stellen, ob das von Trichet in aller Eile aufge-legte Programm wirklich dem Wohle und der Stabilität des gesamten Euro-Raums oder nur der Sanierung einiger nationaler Staatshaushalte auf Kosten der Gemeinschaft dient, insbesondere wenn dadurch die Gefahr einer schleichenden Ummodellierung der EZB in eine supranationale Bad Bank für Staatspapiere minderer Qualität betrieben wird, an der Deutschland immerhin mit 28 % beteiligt ist. Vielmehr über-tüncht die überstürzte Aktion nur das tiefer liegende Problem. So ist unbestritten, dass die mit dem Eintritt in die Währungsunion abhandengekommene Möglichkeit einer Finanzierung der Staatsschuld durch die Notenbank im Zuge der Finanzkrise zu einer ernsthaften Belastung für die GIPS-Staaten geworden ist. Die Vermutung liegt nahe, dass England bis heute nicht wegen einer solideren Haushaltspolitik von einem Vertrauensverlust der Märkte verschont blieb, sondern weil es sich erstens weniger im Ausland verschulden musste und zweitens die Bank of England für die Zahlungs-fähigkeit des Staates gegenüber seinen Schuldnern garantierte. Umgekehrt kamen auf dem Kontinent mit dem Vertauensverlust der internationalen Märkte die Nachteile einer unabhängigen Zentralbank für die Problemländer voll zum Tragen. Was ursprünglich der Stabilität des Euro-Raums dienen und Staaten vor einer ausufernden Verschuldung bewahren sollte, hat sich so ins Gegenteil verkehrt – wohlgemerkt erst im Zusammenspiel mit anderen Faktoren. Wer die Original Sin auf sich nimmt, sollte sich darum bemühen, dass seine Fundamentaldaten keine Angriffsfläche bieten. Innerhalb einer Gemeinschaft müssen daher entsprechende Vorkehrungen zum kollektiven Schutz getroffen und durchgesetzt werden, was unmittelbar zum nächsten Punkt überleitet. 2.2.3, Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts: In dem 2010 erschienenen Sammelband ‘Europe and the Euro’ liest sich ein Zitat Issings wie folgt: ‘the project of monetary union, the ambition to be allowed to par-ticipate, and after entry, the need to adapt to the new framework of a single monetary policy […] strengthened structural reforms and fiscal consolidation.’ Noch im selben Jahr musste der renommierte Ökonom feststellen, dass eben dies in Griechenland aber auch anderen Staaten nicht der Fall gewesen war. Die Hoffnung, mit einer Währungsunion würde die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Länder steigen, hat sich über weite Stecken als Wunschdenken erwiesen. Aber nicht nur der erste Chefvolkswirt der EZB hat sich diesbezüglich geirrt. Henkel bezeichnet sein Engagement für den Euro heute gar ‘als größte Fehleinschätzung [s]einer beruflichen Laufbahn’, und Romano Prodi gab sich 2001 noch überzeugt: ‘Der Euro beruht auf derselben Art von Stabilität wie die Mark. Dafür haben wir mit dem Stabilitätspakt gesorgt.’ Entsprechend erzürnt war der damalige EU-Kommissionspräsident und Wirtschaftswissenschaftler, als er zwei Jahre später hilflos mit ansehen musste, wie ausgerechnet Deutschland und Frankreich eine Aussetzung des Defizitverfahrens bewirkten, womit der Ausgangspunkt für einen weiteren Grund der Schuldenkrise gefunden wäre: die sukzessive Aushöhlung des SWP, ein Missstand, den Henkel und Wim Kösters besonders kritisieren. Beide verweisen dabei auf erstaunliche Parallelen zwischen der Haushaltspolitik der beiden Großen und den heutigen Defizitsündern. So hätten auch Deutschland und Frankreich dem aus Brüssel vorgegebenen Stabilitätskurs nur solange Folge geleistet, wie es für die Aufnahme in die EWU Voraussetzung gewesen sei. In dieser Zeit allerdings erlangten sie für die kleineren Staaten, die mit dem Sparkurs zu kämpfen hatten, eine Vorbildfunktion. Doch diese kurzfristige Disziplin erreichte mit der Einführung des Euro ihr vorläufiges Ende. Da sich der traditionellen Musterschüler Deutschland ein um das andere Mal mit einem blauen Brief aus Brüssel konfrontiert sah und im Gleichschritt mit ihm auch Frankreich zum Defizitsünder geworden war, entschlossen sich Schröder und Chirac nicht nur den gegen ihre Regierungen eingeleiteten Sanktionsprozess zu stoppen, sondern setzten 2005 auch eine erhebliche Schwächung des Euro-Stabilitätspakts durch, indem viele neue Ausnahmetatbestände mit aufgenommen wurden. Die nötige Unterstützung hierfür fanden sie bei anderen Regierungschefs, denen die strengen Kriterien des SWP selbst ein Dorn im Auge waren. ‘Die Europäische Union war plötzlich zur Komplizenschaft geworden, die sich gegenseitig den Bruch von Regeln gestattete, die man zuvor unter Mühen aufgestellt hatte.’, stellt Henkel treffend fest und verweist damit auf ein grundlegendes Problem des Paktes: die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit von Sanktionen aufgrund der Tatsache, dass einerseits die Angeklagten den Prozess gegen sich nur allzu oft unterlaufen können und anderer-seits die Richter selbst nicht wissen, wann sie auf der Anklagebank sitzen. Dass die Lockerung des SWP die Glaubwürdigkeit dieses institutionellen Regelwerks nachhaltig beschädigt hat und die von den politischen Akteuren eingegangenen Selbstverpflichtungen mehr und mehr zur bloßen Absichtserklärung degradiert wur-den, dafür liefern die Entwicklungen in den GIPS-Staaten, allen voran in Griechen-land den Beweis. Trotz Wirtschaftsboom, steigender privater Verschuldung und sich auftürmender Leistungsbilanzdefizite wurden die Staatsfinanzen nicht konsolidiert, sondern eine Hypothek auf die Zukunft aufgebaut, die nun die Stabilität des gesam-ten Euro-Raums gefährdet. Symptomatisch für die Auflösungserscheinungen des Paktes ist dabei, dass eine frühzeitige Sanktionierung der Defizitsünder zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen wurde. Verbale Rügen und im Sande verlaufene Strafverfahren waren das Einzige, mit dem Brüssel aufwarten konnte. Dass die Regeln des Maastricht-Vertrages weder von den Mitgliedsstaaten noch den EU-Organen wirklich ernst genommen wurden, zeigt schließlich auch die ungerechtfertigte Aufnahme Griechenlands in die Währungsunion. War im März 1998 die Bewerbung des Landes noch von EU-Kommission und Europäischem Wäh-rungsinstitut abgelehnt worden, stimmten die Finanzminister der EU schließlich zwei Jahre später für die Aufnahme des Ägäisstaats und ebneten so den Weg für dessen Beitritt im Jahr 2001. Neun Jahre später muss der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel einräumen, dass diese Entscheidung einen Fehler darstellte, weil man einem ‘offenkundigen Schwindel’ aufgesessen war. So hatten die Hellenen bereits vor ihrem Beitritt vorsätzlich gefälschte Defizitwerte nach Brüssel gemeldet, was im Übrigen unter EU-Politikern ein offenes Geheimnis darstellte, und sie setzten diese Politik auch unter dem Euro weiter fort. Axt verweist diesbezüglich auf die Defizite des statistischen Datenerhebungssystems, bei dem sich Eurostat auf die loyale Zu-arbeit der nationalen Behörden verlassen muss. Auch hier scheiterten Verbesserungsvorschläge der Jahre 2004 bis 2005 am Widerstand der Mitgliedsstaaten. Tatsächlich hat Griechenland, wie erst 2010 in vollem Ausmaß bekannt wurde, in jedem Jahr seiner EWU-Mitgliedschaft eklatant gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen. Doch in der zu Beginn des neuen Jahrtausends herrschenden Europa-Euphorie wurden kritische Fragen nach den Auswirkungen des Griechenland-Beitritts auf die Stabilität der gesamten Währungsunion als Nebensache abgetan. Mit einem Anteil von lediglich 3 % am europäischen Gesamteinkommen ließ sich leicht auf die Marginalität des Landes verweisen, den griechischen Statistiken wurde daher lange Zeit weder in Athen noch in Brüssel noch in Berlin größere Aufmerksamkeit zuteil. Dass damit in den ersten Jahren des Euros bereits die Saat für eine schwere Krise gelegt wurde, konnte niemand ahnen oder besser, wollte man nicht wahr haben. Am Ende dieser Entwicklung steht nicht wie erhofft die bereits in der Präambel des EG-Vetrages als Ziel ausgegebene, hoch geachtete Wettbewerbsgemeinschaft, welche sich stets aufs Neue zur Höchstleistung antreibt, sondern ein gespaltenes Europa, das seine eigenen Regeln nicht respektiert. ‘The result of this bad governance in the past showed up now and brought about the crisis’, fasst Kösters zusammen. Wen wundert es daher, dass es nicht die Politik, sondern die viel gescholtenen Finanz-märkte waren, die der Währungsunion wieder mehr Disziplin abverlangten.

Über den Autor

Thomas Rohm, M.A., wurde 1985 in Sulz am Neckar geboren. Sein Studium der Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität der Bundeswehr München schloss der Autor im Jahr 2011 mit Auszeichnung ab. Bereits während seines Studiums zeigte er besonderes Interesse an volkswirtschaftlichen Zusammenhängen, insbesondere am ökonomischen Krisenmanagement. Eine Leidenschaft, der er bis heute treu geblieben ist.

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