Suche

» erweiterte Suche » Sitemap

Kunst & Kultur

Kerstin Haunhorst

Das Bild der Neuen Frau im Frühwerk Irmgard Keuns

Entwürfe von Weiblichkeit am Ende der Weimarer Republik

ISBN: 978-3-8366-6840-8

Die Lieferung erfolgt nach 5 bis 8 Werktagen.

EUR 39,50Kostenloser Versand innerhalb Deutschlands


» Bild vergrößern
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema


» Buch empfehlen
» Buch bewerten
Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Gilgi (1931) und Das kunstseidene Mädchen (1932) werden zu Beststellerromanen der jungen Irmgard Keun. Am Ende der Weimarer Republik sind sie Spiegelbilder der gesellschaftlichen Entwicklung in der jungen Demokratie und liefern mit ihren Protagonistinnen Vorbilder für eine neue Generation von Frauen. Keuns Heldinnen Gilgi und Doris verkörpern den damaligen Modetypus der Neuen Frau und formulieren die gesellschaftlichen Aufstiegswünsche der kleinen Angestellten. Sie sind sportlich, tragen Bubikopf, wirken selbstbewusst und emanzipiert und bestehen auf ihr Recht der vorehelichen Liebesbeziehung. Ihre Entwicklung im Verlauf der Romane lässt aber erahnen, dass Gilgi wie Doris vor allem in Bezug auf ihre Geschlechterbeziehungen keineswegs so modern sind, wie sie vorgeben. Seit den 1980er Jahren gelten Irmgard Keuns Debütromane vor allem in der feministischen Literaturforschung als Vorzeigemodelle der emanzipatorischen Literatur. Allerdings sind die Protagonistinnen in beiden Romanen eher Zerrbilder der zeitspezifischen Weiblichkeitsentwürfe und der damit verbundenen Vorstellungen von Emanzipation. Wie es Irmgard Keun mit ihrer besonderen humorvollen bis satirischen Schreibweise gelingt, ihre Heldinnen einerseits nach Emanzipation strebend, andererseits in alte Geschlechterrollen zurückfallend darzustellen, will diese Arbeit vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Stellung der Frau in der Weimarer Republik und zeitgenössischer Bilder der Neuen Frau kritisch beleuchten. Verbunden werden hierbei sozialgeschichtliche, sozialpsychologische und biographische Deutungsmuster. Ebenso wird eine formalästhetische Deutung - wie die Einordnung in die Neue Sachlichkeit - mit der inhaltlichen Analyse verknüpft. Abschließend wird auch auf die Frage der Aktualität beider Werke unter Bezugnahme der heutigen gesellschaftlichen Stellung der Frau kurz eingegangen.

Leseprobe

Kapitel 6., Das kunstseidene Mädchen (1932): Das kunstseidene Mädchen ist - anders als der Roman Gilgi - klar in drei Teile gegliedert, die die einzelnen Stationen und damit den Entwicklungsprozess der Protagonistin Doris kennzeichnen: 1.: Ende des Sommers und die mittlere Stadt, 2.: Später Herbst – und die große Stadt, 3.: Sehr viel Winter und ein Wartesaal. Die Jahreszeiten stehen symbolisch für Doris´ Gefühlsleben und markieren den sozialen Abstieg, den ihr der Weg von Köln nach Berlin bringt. Wie beim Vorgängerroman ist die erzählte Zeit identisch mit dem Jahr der Veröffentlichung des Werkes. In der Erzählhaltung gibt es Unterschiede zu Gilgi: Das kunstseidene Mädchen ist als reine Ich-Erzählung im tagebuchähnlichen Stil verfasst. Allerdings sind die tagebuchartigen Aufzeichnungen nur Teil der Handlung: Der Romantext ist nicht voll identisch mit Doris´ Taubenbuch - schon dadurch verdeutlicht, dass die ersten Sätze des Tagebuchs erst einige Seiten nach dem Romananfang beginnen. Zudem ist der häufige Gebrauch des Präsens, der beim Leser den Eindruck der Unmittelbarkeit hinterlässt, für ein Tagebuch nicht üblich. Zeitliche Verschachtelungen und Rückblenden sind darüber hinaus häufig, genauso wie der Gebrauch wörtlicher Rede. Näheres zu Erzählhaltung und stilistischen Parallelen zu Gilgi wird im Kontext des Kapitels 6.5 behandelt. Ich werde ein Glanz: der Traum vom Ruhm: Beginnend mit einer Rückblende, erzählt die 18-jährige Protagonistin Doris von ihrer Motivation, ihr Leben aufzuschreiben: Sie liegt um Mitternacht wach in ihrem Bett, der Mond scheint ihr ganz weiß auf den Kopf, aus dem Nebenzimmer dringen Klänge eines Grammophons zu ihr. In dieser romantisch geschilderten Situation befallen Doris wehmütige Erinnerungen an ihre erste große Liebe Hubert, dessen Trennung von ihr sie nicht verkraftet hat und der ihr Männerbild prägen wird. In diesem Moment fühlt sie, dass etwas Großartiges in ihr vorgeht, das sie von anderen Mädchen unterscheidet und sie berechtigt, ihre Erlebnisse schriftlich festzuhalten. Ein Tagebuch empfindet sie aber als lächerlich für ein Mädchen in ihrem Alter, sie möchte vielmehr schreiben wie Film, denn so soll ihr Leben sein: Sie wünscht sich ein Glanz zu werden, eine Karriere als Mannequin. Doris vergleicht sich dabei mit Filmstars wie Colleen Moore, die dem Typ des Girls entsprach und deren glamouröses Leben für viele weibliche Angestellte Vorbildfunktion hatte, verbanden sie doch Wohlstand und Bewunderung mit ihr. Im Vergleich zu Gilgi ergibt sich eine ähnliche Ausgangssituation: Beide Mädchen sind Stenotypistinnen, Doris in einem Anwaltsbüro, und voll Energie und Lebenshunger. Während Gilgi aber anfangs in ihrer Arbeitshaltung äußerst diszipliniert ist, befällt Doris bei ihrer Tätigkeit, aus deren Routine sie gern ausbrechen möchte, eher Langeweile und Frustration. Aktiv, selbstbewusst, frech und eher hedonistisch veranlagt, genießt sie alle sich ihr bietenden Freizeitvergnügungen, ganz dem zeitgenössischen, städtischen Vorbild des Girls entsprechend, denn es fällt ihr immer schwer, nein zu sagen. Parallelen zum Vorgängerroman ergeben sich auch im kleinbürgerlichen Familienbild, das sich, genauso wie bei Gilgi, als wenig harmonisch erweist. Ihr arbeitsloser Vater wird von Doris herablassend als faul und ungebildet bezeichnet. Zu Hause führt er ein starres, patriarchalisches Regiment, noch weitaus dominierender und aggressiver als Gilgis Vater. Zudem trinkt er. Ihre Mutter, Garderobiere im Theater, schätzt und bedauert Doris und kann nicht verstehen, warum sie als Klassefrau diesen Popel genommen hat. Wie Gilgi betrachtet sie ihre Eltern als abschreckendes Beispiel und möchte das spießbürgerliche, öde Umfeld am liebsten verlassen. Die beiden Romanfiguren sind also insofern einander sehr ähnlich, als sie sich von dem Weiblichkeitsbild ihrer Mütter distanzieren, eine Abhängigkeit von Ehe und Hausfrauendasein zumindest anfangs strikt für sich ablehnen und unabhängig ihren Weg gehen wollen, wenn auch mit völlig unterschiedlichen Zielsetzungen. Auch die Position einer Geliebten wird von Doris sehr kritisch bewertet. Am Beispiel ihrer besten Freundin Therese, die in ihrer Beziehung zu einem verheirateten Mann wenig glücklich, sogar nervlich belastet ist, stellt Doris die Auswirkungen einer derart einseitigen Liebe dar. Sie möchte nicht - wie Therese - mehr geben müssen, als sie bekommt, sondern fordert die kompromisslose, wahre Liebe. Dennoch schätzt Doris Thereses zurückhaltende, bescheidene Art, die für sie von blasser Beruhigung und eine Wohltat ist. So ist die Freundin Gegenpart und Ausgleich zu Doris´ ausgeprägtem Temperament.

Über den Autor

Kerstin Haunhorst, M.A., Studium der Literaturwissenschaft und Anglistik an der Universität Osnabrück, Abschluss 2007. Derzeit tätig bei der Deutschen Angestellten-Akademie.

weitere Bücher zum Thema

Bewerten und kommentieren

Bitte füllen Sie alle mit * gekennzeichenten Felder aus.