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  • Das Sprachphänomen Türkendeutsch: Eine Varietät der deutschen Sprache unter soziologischen Aspekten

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Türkendeutsch ist eine neu entwickelte, kreative Sprachform, die eine Varietät der deutschen Sprache darstellt. Besonders wird diese Sprache durch ein regelmäßiges Sprachwechselverhalten gekennzeichnet. Es gibt verschiedene Auffassungen für diese Sprache. Während manche Kritiker es als sprachliche Inkompetenz und ‘doppelte Halbsprachigkeit’ bezeichnen, gibt es auch positive Anschauungen, die eine sprachliche Kompetenz und Kreativität im Vordergrund sehen. Ausgehend von diesen Stellungnahmen wurde das Sprachphänomen Türkendeutsch unter dem soziolinguistischen Aspekt untersucht und dargestellt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Der soziolinguistische Hintergrund der Deutschtürken: Das ‘Türkendeutsch’ wird in diesem Werk unter dem soziolinguistischen Aspekt untersucht und dargestellt. Die Soziolinguistik, die sich seit den 60er Jahren zunehmend etablierte und eine weit verzweigte Wissenschaftsdisziplin ist, überschneidet sich mit der Linguistik, der Soziologie, der Anthropologie, der Sozialpsychologie und der Erziehungswissenschaft. Die Sprache wird hierbei konsequent als soziales Phänomen aufgefasst. Sie untersucht das wechselseitige Bedingungsgefüge von Sprach- und Sozialstruktur bzw. die soziale Bedeutung des Sprachsystems und des Sprachgebrauchs. Halwachs stell hierzu fest, dass ‘(…) allen der bisher behandelten soziolinguistischen Studien die Einbeziehung des Handlungsaspekts in die Sprachbeschreibung gemeinsam ist und die Tatsache, dass aufgezeigt wird, dass Sprechergemeinschaften nicht eine homogene ‘Sprache‘ verwenden, sondern mehrere soziokulturell determinierte Sprach(gebrauchs)formen oder Varietäten, die sich auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen voneinander unterscheiden.’ Unter diesem Aspekt kann man die Soziolinguistik auch als Varietätenlinguistik bezeichnen, die den Einfluss soziokultureller Variablen des Sprachverhaltens einzelner Sprechergemeinschaften analysiert. Der Spracherwerbsprozess der Türken in Deutschland steht in unmittelbarer Relation zum sozialen Hintergrund. Aufgrund dessen werden in dieser Arbeit grundlegende Aussagen zur sprachlichen und sozialen Situation der Sprecher kenntlich gemacht, um das Sprachverhalten der Deutschtürken unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte zu begründen. 2.1, Definition des ‘Türkendeutsch’: Der Sprache der Deutschtürken wurden mehrere Bezeichnungen zugrunde gelegt, als Beispiele sind hier einige anzugeben wie ‘Türkendeutsch’, ‘Türkenslang’, ‘Kanaksprak’, ‘Ausländisch’, ‘Ausländerslang’, ‘Streetslang’, ‘Ghettoslang’, ‘Stadtteilsprache’, ‘Mischsprache’ , ‘Lansprache’ usw. ‘Diese Bezeichnungen deuten darauf hin, dass sich eine Varietätenfamilie als eine homogene Varietät gebildet hat.’ Um nicht auf diese diversen Begriffe zurückzugreifen, wird ‘Türkendeutsch’ als Oberbegriff verwendet. Eine einheitliche Definition des ‘Türkendeutsch’ existiert nicht. Androutsopoulos erklärt das ‘Türkendeutsch’ im medialen Ansatz ‘als ein Produkt von miteinander verbundenen Entwicklungen, die in den letzten Jahren in Deutschland zu beobachten waren’. Dem Begriff des ‘Türkendeutsch’ begegnet man auch bei Keim und Hinnenkamp, wobei es im Zusammenhang mit der Sprachalternation und einigen unterschiedlichen sprachlichen Merkmalen erläutert wird. Diese Sprachform setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Zu diesen Bausteinen gehören Entstehungen neuer Ethnolekte von türkischen und türkischstämmigen Jugendlichen der zweiten und dritten Generation. ‘‘Ethnolekt‘ wird hier als Sammelbegriff für Varietäten oder Sprechstile verwendet, die von den Sprechern selbst und/ oder von anderen mit einer oder mehreren nicht-deutschen ethnischen Gruppen assoziiert werden.’ 2.2, Stand der Forschung: Das ‘Türkendeutsch’ ist ein besonders von Inken Keim untersuchtes Sprachphänomen. Dabei beschränken sich unter diesem Aspekt ihre Analysen auf das sprachliche Repertoire der von ihr untersuchten Mädchengruppe ‘der türkischstämmigen Powergirls.’ Es umfasst die Stadtteil-Sprache, standardorientiertes Deutsch, einen türkisch-deutschen Mischstil, einige Formen des Mannheimer Stadtdialekts und das stilisierte Gastarbeiterdeutsch. Aus dem Projekt der ‘Powergirls’ fasst Keim folgende Merkmale zusammen, die sie beobachten konnte: ‘Die deutschsprachigen Anteile haben besondere grammatische und lexikalische Eigenschaften wie Ausfall von Präposition und Artikel z. B. isch geh schule, Generalisierung des neutralen Genus, Bevorzugung bestimmter deutscher und türkischer Wörter (z. B. lan) und Formeln (z. B. isch schwör, isch hass des, siktir lan= ‘verpiss dich’). Dabei werden prosodische und phonetische Eigenschaften aus dem Türkischen übernommen und das Deutsche wird dabei verfremdet, der Sprechrhythmus hat einen ‘stampfenden’ Charakter.’ Keim geht der Annahme nach, dass das ‘Türkendeutsch’: ‘(…) mehr als eine vorübergehende Sprachmode ist. Bei der deutsch-türkischen Sprachmischung handele es sich zwar um eine reduzierte Sprache, aber das hat nichts mit Unsicherheiten oder grammatikalischen Fehlern zu tun. Die türkischstämmigen Jugendlichen sprechen in der Regel Deutsch und Türkisch sehr gut. Indem sie im ‘Türkendeutsch Artikel und Präpositionen wegfallen lassen, zeigen sie, dass sie sich weder zur deutschen noch zur türkischen Gruppe zugehörig fühlen.’ Neben Keim hat auch Volker Hinnenkamp ‘das Türkendeutsch’ näher analysiert. Dabei stellt er ähnlich wie Keim fest, dass das ‘Türkendeutsch’ als Ausdruck der sozio- kulturellen Identität angewendet wird. In Bezug zu den Sprachmischungen im ‘Türkendeutsch’ gibt es unterschiedliche Ansichten, ‘Lehrer und Betreuer von Jugendlichen türkischer Herkunft beispielsweise betrachten die Herausbildung ‘misch-sprachlicher’ Formen eher mit Besorgnis.’ Aytemiz unterstützt diese Auffassung und fügt hinzu, dass bei den Jugendlichen türkischer Herkunft eher die Rede von einer ‘doppelten Halbsprachigkeit’ ist. Er behauptet, dass Kinder türkischer Herkunft, die ausschließlich das Schulsystem in Deutschland durchlaufen haben, weder über gute Türkisch- noch Deutschkenntnisse verfügen. Das Gegenteil belegen Hepsöyler/ Liebe-Harkort, so Banaz, die die Ansicht vertreten, dass man bei der zweiten türkischen Generation nicht von einer Halbsprachigkeit, sondern von dem Wechsel der Sprachdominanz sprechen kann. Sprachwissenschaftler dagegen treten Sprachmischungen eher als Ergebnis sprachlicher Kreativität und als Ausdruck einer eigenständigen sozial-kulturellen Identität entgegen. ‘Diese Sprache hat zwei Aufgaben (…) zum einen soll sie den Jugendlichen Prestige verschaffen, zum anderen dient sie als einfaches Kommunikationsmittel.’ 2.3, Sprachentwicklung der ersten Generation: Die erste Generation der Einwanderer hat zu 90 % keinen organisierten Deutschunterricht genossen. Am Arbeitsplatz und im Wohnviertel haben sie sich recht und schlecht gebrochene, als ausländisch erkennbare Varianten des Deutschen angeeignet. Dieses ‘Gastarbeiterdeutsch’ reicht dazu aus, elementare Kommunikation zu ermöglichen. Ein wichtiger Bestandteil bei der schlechten Sprachentwicklung ist, dass in vielen Großstädten Deutschlands ziemlich schnell nationale Infrastrukturen entstanden: Lebensmittelgeschäfte, Gaststätten, Reisebüros, Versicherungsagenturen usw., in denen Waren und Dienstleistungen in den Sprachen der Einwanderer angeboten werden. Anfangs wurden an mehreren Arbeitsplätzen Dolmetscher für die Gastarbeiter eingesetzt bzw. angeboten. Diese Entwicklungen haben den Druck, Deutsch zu lernen, erheblich abgeschwächt und dazu beigetragen, dass nach wie vor viele Einwanderer nur schlecht und mit vielen Fehlern Deutsch sprechen. Hinzu kommt, dass die meisten Einwanderer mit der Rückkehrabsicht nach Deutschland kamen und somit die Motivation, die deutsche Sprache für einen kurzen Zeitraum zu lernen, nicht existierte. 2.3.1, Das ‘Gastarbeiterdeutsch’ der Eltern: ‘Unter Gastarbeiterdeutsch wird in der Spracherwerbsforschung die ungesteuert erworbene deutsche Sprache von Migranten verstanden, die von Mitte der 50er bis Anfang der 70er Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland kamen.’ Die Vielzahl der Gastarbeiter erwarben ihre Deutschkenntnisse in ihrer Arbeitswelt, so dass das beschränkte Sprachwissen auch in ihrem Alltag ausreichte. Dieses Deutsch ist keine homogene Sprachform. Es besteht aus mehr oder weniger vereinfachten und pidginisierten Varietäten des Deutschen. Ähnlich wie bei Pidginsprachen ist das Lexikon beschränkt, einzelne Sprachformen werden übergeneralisiert und es werden nur einfache syntaktische Strukturen verwendet. ‘Die Gastarbeiterdeutsch-Varietäten reichen von sehr rudimentären deutschsprachigen Strukturen (mit starken Interferenzen im phonetischen und lexikalischen Bereich) bis zu weit entwickelten und bereits gut ausgebauten Strukturen, die der Zielvarietät ‘Regionaldeutsch’ sehr nahe kommen.’ Zwischen diesen beiden Kontrasten nimmt man eine Reihe von Varietäten an, die sich in spezifischer Weise voneinander unterscheiden. Keim stellt fest, dass ‘(…) zum einen eine zunehmende Komplexität in verschiedenen morphosyntaktischen Bereichen erfolgt, wie beispielsweise bei der Bildung der Nominalphrase, die zunächst nur durch das Nomen gebildet werden kann, später aber auch durch ein Nomen, zu dem Determinativ, Adjektiv oder auch Attributsatz treten. Zum anderen erfolgt eine zunehmende Erweiterung und semantische Ausdifferenzierung der Lexik.’

Über den Autor

Nuran Aksoy ist 1980 in Berlin geboren. 2006 schloss sie ihr Studium an der Freien Universität Berlin in Grundschulpädagogik erfolgreich ab.

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