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Kunst & Kultur

Cornelia Thate

Der Umgang mit dem Erbe der Nasca-Kultur in Vergangenheit und Gegenwart

ISBN: 978-3-8428-9351-1

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Abb.: 20
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Wie zu den Lebzeiten vergangener Völker rufen deren Kulturdenkmäler noch immer große Bewunderung hervor. In Peru sind die alten Inkafestungen mit Machu Picchu an der Spitze ein Anziehungsmagnet für zwei Millionen Touristen, die jährlich aus der ganzen Welt anreisen. Aber auch die Erkundung des Erbes noch älterer Kulturen ist eine Reise wert. Die rätselhaften Figuren und Linien im Pampaboden bei Nasca ziehen den Besucher in ihren Bann und wecken dessen Neugier nach mehr Informationen zu deren Entstehung. Seit der Entdeckung der Wüstenzeichnungen in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, beschäftigen sich Wissenschaftler mit dieser Frage und vor allem dem Zweck der Scharrbilder, die 1994 als UNESCO-Weltkulturerbe deklariert wurden. Einen großen Beitrag leistete die Dresdnerin Maria Reiche mit ihrer vierzigjährigen Forschung in der Pampa von Nasca. Dennoch ist das Geheimnis um die Linien bis heute nicht gelüftet und im Laufe der letzten Jahrzehnte tauchten über zwanzig Theorien dazu auf. Das zunehmende Interesse von Touristen an diesem Thema ist nicht zuletzt dem Schriftsteller Erich von Däniken zuzuschreiben. Seit der Publikation seines Buches Erinnerungen an die Zukunft reisten immer mehr Menschen ins Nascatal, wo Jahrhunderte vor der Ankunft der Spanier angeblich Außerirdische gelandet sein sollen. Durch den wachsenden Tourismus ist in der Wüstenregion eine neue Einnahmequelle entstanden. Allerdings nimmt im gleichen Zuge die Zerstörung des Erbes zu und der Bezug zu früheren Kulturen und peruanischen Wurzeln könnte immer mehr verloren gehen, da in einem Land mit über vierzig Prozent armer beziehungsweise extrem armer Bevölkerung, vor allem der Profit in den Vordergrund gerät. Andererseits hat der Tourismus auch das Potenzial, die kulturelle Bedeutung vergessener Erbstücke wieder ins Bewusstsein zu rufen. Ein Blick in die Geschichte und Gegenwart der Nasqueños soll diese Entwicklungen beleuchten und Aufschluss über den Umgang mit dem jahrtausendealten Erbe der Nasca-Kultur geben. Da bisherige Arbeiten über Nasca vor allem den Zweck der Scharrbilder ergründen, ist nur wenig über deren aktuelle Bedeutung für die einheimische Bevölkerung zu finden. Diese Studie basiert auf einer ausführlichen Literaturrecherche und einem direkten Bezug zum Thema durch den Aufenthalt in Peru.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.3, Was treibt Einheimische dazu, die Spuren ihrer Vorfahren zu zerstören? Mit Sicherheit spielen bei der Erklärung der Grabräuberei und anderer Zerstörungen des kulturellen Erbes von Nasca zahlreiche Faktoren zusammen, die sich nicht alle bestimmen und ergründen lassen. Zwar verbesserten sich in den letzten Jahren sowohl ökonomische als auch soziale Indikatoren innerhalb Perus, doch im weltweiten Vergleich sind diese noch immer im unteren Bereich anzusiedeln. Das nationale Pro-Kopf-Bruttoeinkommen betrug 2005 in Peru beispielsweise 2.920 $, der weltweite Durchschnitt lag bei 4.406 $ und in den industrialisierten Nationen bei 37.217 $. Die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren lag 2006 in Peru bei 25 von 1.000 Kindern, weltweit waren es 72 und in den Industrienationen 6. Knapp 40 Prozent der peruanischen Bevölkerung lebten 2007 in Armut, 14 Prozent in extremer Armut. Dies sind nur einige Beispiele, die verdeutlichen sollen, dass die Peruaner vor allem finanziellen Schwierigkeiten und einer unzureichenden Gesundheitsversorgung ausgesetzt sind. Auch innerhalb Perus unterscheidet sich die Lebenssituation der Bevölkerung in den drei Zonen Costa, Sierra und Selva, wobei erstere die beste Wirtschaftslage aufweist. Betrachtet man beispielsweise Statistiken zur Armut und extremen Armut, waren 2007 im Küstenbereich ‘nur’ 22,6 beziehungsweise 2,0 Prozent der dort ansässigen Bevölkerung betroffen. In der Sierra hingegen lebten in jenem Jahr 60,1 beziehungsweise 29,3 Prozent der Menschen unter diesen Bedingungen. Zwar ist die Bestimmung solcher Daten auf Grund wechselnder Maßstäbe stark umstritten, in diesem Falle veranschaulichen sie dennoch das Ungleichgewicht innerhalb des Landes. Auch die ländliche Bevölkerung ist mit 64,8 beziehungsweise 32,9 Prozent armer und extrem armer Menschen viel stärker betroffen als die städtische mit 25,7 und 3,5 Prozent. Der Bezirk Ica liegt zwar in der Küstenregion und weist insgesamt mit 15,1 und 0,3 Prozent die geringsten Armutsraten des Landes auf, aber auch um Nasca und Palpa wohnen 18,1 beziehungsweise 50,4 Prozent der Bevölkerung in den betroffeneren ländlichen Gebieten. Dort ist vor allem der Zugang zur Bildung erschwert, wodurch die Analphabetenrate viel höher ausfällt als in der Stadt. In Folge ist es oft schwierig, Arbeit zu finden und die eigene Familie zu ernähren. Früher fanden viele Einheimische eine Beschäftigung in den Metallbergwerken und verdienten zumindest das nötige Geld zum Überleben. Doch der Einsatz neuer Maschinen drängte sie zur Suche nach anderen Erwerbsmöglichkeiten, zu denen neben anderen Dienstleistungen wie Schmuckverkauf oder Tourismusangeboten leider auch die Grabräuberei zählt. Starke Erdbeben erschweren die Lebenssituation zusätzlich und stellen die Bewohner immer wieder an den Rand des Existenzminimums. 1996 wurde fast ein Drittel von Nasca zerstört. 2005 folgte das nächste schwerere Beben, dessen Schäden zum Teil noch heute behoben werden. Das auf das Kulturerbe bezogene fehlende Bewusstsein der heutigen Nasca-Bevölkerung wird ebenso häufig als Grund für Zerstörung und fehlende Schutzmaßnahmen genannt. Doch woran liegt es, dass vor Ort und in entsprechenden Institutionen zwar viel von geplanten Projekten geredet wird, letztendlich aber nicht viel passiert? Ein wichtiger Einflussfaktor ist die in den letzten Jahren sehr hohe Migrationsrate, die im Zusammenhang mit der vorher genannten Armut und Arbeitslosigkeit steht. Dabei erhoffen sich vor allem Bevölkerungsgruppen aus den sehr armen benachbarten Sierra-Bezirken Ayacucho und Huancavelica bessere Verdienstmöglichkeiten und Lebensverhältnisse in der Küstenregion. Durch Zuwanderungen verändert sich die Zusammensetzung der ansässigen Bevölkerung. Somit ist es verständlich, dass den Neuankömmlingen der Bezug zu den Bildern im Wüstenboden oder anderen Ruinenstätten fehlt. Auf der Suche nach Arbeit oder bereits in eine Tätigkeit eingespannt, bleibt ihnen im Gegensatz zu den täglich anreisenden Touristen keine Zeit, sich mit der näheren Umgebung zu beschäftigen und diese besonders wertzuschätzen. Wenn das Geld für Essen und Unterkunft reichen soll, können sich viele einen Besuch der archäologischen Stätten auch nicht leisten. Ein 45minütiger Flug über die Pampa kostet ungefähr fünfzig Dollar. Zwischen 1995 und 2005 lebten in Peru elf Prozent der Bevölkerung mit weniger als einem Dollar täglich. Davon bleibt nichts übrig, um einen Museumsbesuch geschweige denn die Busfahrt zu einer der Anlagen zu bezahlen. Bei einer Umfrage über archäologische Stätten der Region in zwei Schulen in Nasca gaben 99 der 122 befragten Schüler den Wunsch an, eines Tages über die Wüstenbilder zu fliegen. Knapp ein Fünftel der Interviewten hat sich diesen Traum schon erfüllt, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die korrekte Zahl auf Grund falscher Angaben noch niedriger ist. Doch gerade der bei Touristen so beliebte Blick aus der Luft ist so einprägsam und beeindruckend, dass er auch der einheimischen Bevölkerung die Augen für das so genannte ‘Achte Weltwunder’ öffnen könnte. Schließlich sind die damaligen Nasca trotz ihres Verschwindens über die Jahrtausende Vorfahren der heutigen Peruaner und bieten mit ihren Hinterlassenschaften allen Grund, stolz darauf zu sein. Besonders das Bewusstsein der jüngeren Generation für einen schützenden Umgang mit kulturellen Erbstücken könnte gestärkt werden, wenn zukünftig vor allem im Bildungssektor mehr Wert auf regionale Kulturgeschichte gelegt wird. Momentan gewinnen Schüler in ganz Peru im Fach Sozialwissenschaften nur einen generellen Überblick über die zahlreichen Völker, die noch vor den Inka im Lande lebten und herausragende Erbstücke hinterließen. So wird in Nasca häufig genauso wenig über deren damalige Bewohner gelehrt wie beispielsweise in der Hauptstadt Lima. Doch die lokale Stärkung scheint besonders lohnenswert, da sich fast alle befragten Kinder in Nasca und Umgebung sehr wohl fühlen. Die Kleinstadt sei sehr entspannt und weniger gefährlich als andere Orte Perus. Hier können sie ohne Angst mit ihrer Familie leben und Freunde auf der Straße treffen. Aber auch die archäologischen Stätten in der näheren Umgebung lassen sie Stolz empfinden, in einer Stadt zu wohnen, die so viele Menschen aus der ganzen Welt täglich besuchen. Diese persönlichen Verbindungen zum Weltkulturerbe spielen eine wichtige Rolle, wenn es um den Schutz der noch vorhandenen Spuren vergangener Kulturen geht. Mit dem Bewusstsein, wie wertvoll und einzigartig die jahrtausendealten Überreste sind, werden diese Schüler möglicherweise andere Wege suchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und somit ihre eigene Vergangenheit zu schützen. Dennoch sehen viele ihre Zukunft außerhalb Nascas oder Perus, da sie sich in Lima oder im Ausland bessere Chancen auf Arbeit erhoffen. Immerhin ein Drittel der Schüler kann sich vorstellen, in ihrer Heimatstadt zu bleiben und in verschiedensten Bereichen tätig zu werden.

Über den Autor

Cornelia Thate studierte Romanistik, Slavistik und Psychologie mit dem Schwerpunkt der spanischen und lateinamerikanischen Kulturwissenschaft an der TU Dresden. Während mehrmonatiger Auslandsaufenthalte von 2005 bis 2011, welche in Spanien, Argentinien, Chile, Bolivien, Peru und Mexiko stattfanden, beschäftigte sich die Autorin mit den unterschiedlichen Lebensrealitäten einzelner Bevölkerungsgruppen. Im Mittelpunkt standen vor allem die Auswirkungen der Globalisierung auf die lokalen Systeme.

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