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  • Diaspora und Identität in der Literatur des Postkolonialismus: Eine Analyse anhand des Romans La maravillosa vida breve de Óscar Wao von Junot Díaz

Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Roman La maravillosa vida breve de Óscar Wao (2007) von Junot Díaz zeigt den großen Einfluss, den der koloniale Diskurs im modernen Zeitalter des 20. und 21. Jahrhunderts auf die kulturelle Identität der Dominikanischen Republik hat. Dabei spiegelt der Roman die postkoloniale Kritik berühmter Theoretiker wie Fanon, Said, Bhabha, Hall oder Gilroy wider. Der theoretische Ausgangspunkt des Postkolonialismus, dass die kulturelle Identität ein diskursives Konstrukt ist, wird am Beispiel von Ernest Gellners und Benedict Andersons dekonstruktivistischen Theorieansätzen über die Idee der Nation gezeigt. Neben der Diaspora werden hybride Identitäten thematisiert, für die der Kulturraum der hispanischen Karibik ein besonderes Gebiet darstellt, da sie seit den Anfängen der Kolonialzeit als Migrationsraum fungiert. Die kulturelle Vielfältigkeit der Identität kann demzufolge nicht auf einen homogenen Ursprung reduziert werden. Im Rahmen der Literaturanalyse wird gezeigt, wie es der neuen Generation der ehemals Kolonialisierten gelingt, sich von ihrem kolonialen Erbe zu lösen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2 Diaspora und Identität: Etymologisch stammt der Begriff Diaspora aus dem Griechischen und wurde ausschließlich für die im Exil lebende hellenistische - jüdische Gesellschaft angewandt. Seit dem 20. Jahrhundert erlebt der Begriff eine Art Hochkonjunktur und wurde im Zuge des postkolonialen Diskurses kontextualisiert. Diaspora bezieht sich heute auf ethnische Minderheiten, die aus politischen und wirtschaftlichen Gründen gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen und im Aufnahmeland eine ethnische Minderheit bilden. Das Interesse an der Diaspora innerhalb der postkolonialen Kultur- und Literaturwissenschaften, die sich vor allem mit der Repräsentation ethnischer Minderheiten auseinandersetzen, hängt eng mit der Massenmigration und den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen zusammen, die mit dem Prozess der Globalisierung einhergehen. So erarbeitet Robin Cohen in seinem Werk Global Diaspora (1997) eine Typologie, die die verschiedenen Arten von Diasporabewegungen nach bestimmten Merkmalen kategorisiert. Diese Herangehensweise läuft jedoch Gefahr, das Modell der Diaspora zu vereinfachen. Die Reduzierung der indischen Diaspora auf den Kontext der Arbeitsmigration schließt letztlich andere Faktoren, wie zum Beispiel Sprache und Religion, die ebenfalls ausschlaggebend für die Diaspora der indischen Bevölkerung sind, aus: […] to reduce an Indian diaspora to labour migration immediately anticipates that this is the key factor in shaping the contours, cultures and settlement of the entirety of that diaspora. This is, of course not true, as there are a myriad of other factors that got into such processes of creation. To talk of an Indian Diaspora in these terms loses sight of other aspects of Indian migration and settlement which constitute the diasporic form”. Darüber hinaus besteht durch die Kategorisierung ebenfalls die Gefahr die Diasporaerfahrungen zu verallgemeinern, zumal ein großer Unterschied besteht zwischen den Indern, die im 19. Jahrhundert als Zwangsarbeiter gezwungen waren ihre Heimat zu verlassen und denen, die als gut ausgebildete IT-Spezialisten ins Ausland gingen um Karriere zu machen: To collapse and conflate these different eras, reasons for migration and process of settlement into a single Indian diaspora renders the concept sterile (Kalra/ Raminder/ Hutnyk 2005: 29). Desweiteren ignorieren Cohens Diaspora-Kategorien die wesentliche Problematik der Diasporagemeinde, die sich um die Frage der nationalen Zugehörigkeit dreht und im Kontext des kulturellen Wandels. In den USA wird mit der Einführung des Begriffes Bindestrich-Identitäten versucht, das Dilemma bezüglich der kulturellen Spannungen und der Frage der Zugehörigkeit zu lösen. Der Bindestrich (z.B. bei Cuban-Americans) soll auf die Möglichkeit verweisen, dass die ethnischen Minderheiten auch (bi)nationale und multikulturelle Identitäten besitzen können. Dieser kulturelle Nexus ermöglicht einen neuen Dialog, dass beide Kulturen miteinander synkretisieren. Im Zusammenhang der Bi-Kulturalität beleuchtet Paul Gilroys Werk The Black Atlantic: Modernity and Double Consciousness (1993) einen weiteren Aspekt. Im Kontext der kolonialen Erfahrung der schwarz–afrikanischen Bevölkerung, die vor allem durch gewaltsame Verschleppung und Entwurzelung gekennzeichnet ist, lässt sich im Zeitalter der heutigen Massenauswanderung ein neuer Diskurs verorten, der die kulturelle Homogenität destabilisiert. Metaphorisch stellt Black Atlantic einen transnationalen Raum dar, der zum einen die Vergangenheit und zum anderen die moderne Gegenwart der schwarzen Bevölkerung widerspiegelt. Die kulturelle Identität der Diasporagesellschaft kann dabei nicht im Kontext des Nationalstaates verortet werden, denn der Nationalstaat innerhalb moderner Denkansätze war ursprünglich dazu gedacht – entweder durch geforderte Assimilation oder durch Rückkehr ins Heimatland – den distinktiven temporären Charakter einer zeitlichen Begrenzung von Diaspora zu beenden. Gilroy hält fest, dass die Erfahrungen der Diaspora von heterogener Natur sind, denn die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse lassen die kulturelle Identität der Black Atlantic Diaspora permanent neu formieren: Read as a beginning rather than an ending, it offers an image of hybridity and intermixture that is especially valuable because it gives no ground to the suggestion that cultural fusion involves betrayal, loss, corruption, or dilution. . . . This is not the fusion of two purified essences but rather a meeting of two heterogeneous multiplicities that in yielding themselves up to each other create something durable and entirely appropriate to troubled anti-colonial times. . . . This is a history we would do well to recover and reassess today when the overriding appeal of 'ethnic' sameness has become an obstacle to living with difference”. Desweiteren beschreibt Gilroy die Defragmentierung der Vorstellung von einer homogenen kulturellen Identität am Beispiel der Situation der Intelektuellen afrikanischer Herkunft im Kontext der Diaspora. In Anlehnung an Du Bois, Wright oder Smith bezeichnet Gilroy die erlebten Erfahrungen als doppeltes Bewusstsein (double conciousness), das auch aufgrund einer intensiven Reiseerfahrung entsteht: Am Beispiel ihrer transatlantischen Lebensläufe arbeitet Gilroy eine Vermischung, Umgestaltung und Neuformierung kulturelle Muster heraus, indem diese Schwarzen Theoretiker nicht zuletzt durch ihre Reisen und zahlreichen Atlantiküberquerungen transnationale und transkulturelle Elemente in ihre Biografien einschrieben (Düvel 2009: 185). Gilroys Kritik gegen den ethnischen Absolutismus geht mit einer Umdeutung hybrider Mischungen einher. Die plurale Herkunft wird nicht als Manko oder Verlust, sondern als kulturelle Bereicherung verstanden. Diesen heterogenen Wandlungsprozess der Kultur veranschaulicht Gilroy metaphorisch mit einem Schiff, das sich zwischen all den Territorien hin und her bewegt und die unterschiedlichen Kulturträger miteinander verknüpft: […] ships immediately focus attention on the middle passage, on the various projects for redemptive return to an African homeland, on the circulation of ideas and activists as well as the movement of key cultural and political artefacts: tracts, books, gramophone records, and choirs” (Gilroy 1993: 4). Neben den Biografien untersucht Gilroy auch den Einfluss literarischer, musikalischer und bildender Künste der Schwarzen Diaspora in Großbritannien, die einen kulturellen Beitrag jenseits vom ethnischen Absolutismus leisten. Nachdem die machtvollen Wirkungen des kolonialen Diskurses erläutert und einige dekonstruktivistische Ansätze zur Identitätspolitik im nationalen und diasporischen Kontext präsentiert wurden, richtet sich nun das Augenmerk auf die Situation der Frauen. Ziel ist es dabei anhand der Intersektionalitätskategorien Geschlecht, Rasse , Klasse, die sexistischen, ökonomischen und rassistischen Ausgrenzungen transparent zu machen. 2.3 Gender- Rasse -Klasse und Identität: Unter Intersektionalität versteht man, dass soziale Kategorien wie Gender, Rasse und Klasse nicht getrennt voneinander betrachtet werden können, sondern sie sind miteinander verwoben und stehen in Wechselwirkung zueinander. Der Begriff hat seinen Ursprung in der ersten Debatte um die Bedeutungen der unterschiedlichen Unterdrückungsformen, die in der US-amerikanischen Frauenbewegung der 70er Jahre stattfand. Die Gruppe der Black Feminism kritisierte im Kontext der US-amerikanischen Frauenbewegung die Tatsache, dass die Frauenfrage sich ausnahmslos auf die Situation der bürgerlichen weißen Frauen des Westens bezog. Die afroamerikanischen Feministinnen sahen es für notwendig, dass die dreifachen und in Wechselwirkung zueinander stehenden Unterdrückungsformen Rasse , Gender und Klasse in der Frauenfrage integriert werden, um eine Essentialisierung der Kategorie Frau zu vermeiden. Als Konsequenz dieser Kritik avancierte sich das Konzept der Intersektionalität im Bereich der Gender, Cultural und Queer Studies, um die fortwirkenden (koloniale) Unterdrückung, die den symbolischen materiellen Wohlstand der westlichen Mittel- und Oberschichten sichern , zu dekonstruieren. Die Kanadierin Sherine H. Razack warnt jedoch davor, über das Modell der Intersektionalität, die Diskriminierungen auf den drei Ebenen Gender, Rasse und Klasse beschreibt, Minderheiten erneut essentialistisch zu kategorisieren. Sie argumentiert, dass durchaus weitere Faktoren eine grundlegende wichtige Rolle für die soziale Kategorisierung der Frauen spielen. Laut Razack, reicht es demnach nicht lediglich die soziale Ungerechtigkeit der marginalisierten Frauen zu analysieren, sondern die Probleme der westlich privilegierten und weißen Frauen müssen ebenfalls in den Diskurs mit einbezogen werden, um die Komplexität der Diskriminierungen begreifen zu können: Hierbei geht es Razack nicht um eine politics of blame (Edward Said), sondern darum aufzuzeigen, dass Diskriminierung immer zwei Seiten hat, die nicht getrennt voneinander betrachtet werden können, ohne dabei Einbußen in Schärfe und Effektivität der gegendiskursiven Strategien hinnehmen zu müssen (Castro Varela 2006:106). Ein weiterer Kritikpunkt ist die Repräsentation der Marginalisierten. Spivak sieht in der hegemonialen Repräsentation der Subalternen im kolonialen Diskurs die Gefahr einer pejorativen Identitätszuschreibung. Die symbolische Repräsentation von ethnischen Minderheiten impliziert den Prozess der Distanzierung und Differenzierung, die die individuell empfundene Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestätigt. In der Gegenüberstellung mit einer weiteren Kultur (die Anderen) soll die eigene Kultur (Wir) letztlich die Norm repräsentieren und positiv hervorgehoben werden […].

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