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  • Entwicklung durch Grenzüberschreitung im "Parzival" Wolframs von Eschenbach: Eine Textanalyse auf Basis der Lotmanschen Raumtheorie

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 12.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Aufgabe, die sich die vorliegende Untersuchung am höfischen Erzähltext Wolframs von Eschenbach stellt, orientiert sich an der Fragestellung, wie die sowohl psychisch-mentale als auch religiöse Entwicklung des Protagonisten vonstattengeht und in welch größeren Kontext der Reifungsprozess des Helden eingeordnet werden muss. Als literarisches Analysewerkzeug dient die Theorie der semantischen Räume, welche auf den baltischen Semiotiker Jurij M. Lotman zurückgeht. Vor dem Hintergrund der seelisch-geistigen Entwicklung Parzivals erscheint die Grenzüberschreitungstheorie als adäquates Arbeitsmittel, um die Tiefenstrukturen des höfischen Epos nach außen zu kehren. Analog hierzu wird mit Blick auf Wolframs Parzival die These überprüft, inwiefern Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung durch Grenzüberschreitungen vonstattengehen kann. Konkretisiert bedeutet dies für die Analysearbeit, dass das vom Text generierte Netz aus Ordnungsstörungen und Störungstilgungen systematisiert und in den Gesamtkontext eingebunden wird. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern einen Beitrag dazu, das Kunstwerk Parzival ein Stück besser zu verstehen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.8, Die Sujetstruktur des höfischen Epos: Um die theoretischen Überlegungen der vorliegenden Untersuchung zu komplettieren, soll abschließend die charakteristische Sujetstruktur des höfischen Epos einer genaueren Analyse unterzogen werden. Vorteilhaft für diese Untersuchungen erscheinen die von Andreas Mahler vorgenommenen Spezifizierungen der lotmanschen Sujettheorie, welche den sujethaften Text noch weiter untergliedern. Mahlers duale Typologie von Sujettexten unterteilt sich in Texte, die Ereignisse nur inszenieren, um sie symbolisch zu bannen und so ‚ungeschehen‘ zu machen (welche er als ereignislos bezeichnet) und Texte, die Ereignisse ‚geschehen‘ sein lassen (welche als ereignishaft zu benennen sind). Im ersten Fall, dem ereignislosen Sujet, wird die vom Text generierte Ordnung nach der Phase der Störung wiederhergestellt und bestätigt. Für ereignishafte Sujets gilt jedoch, dass am Ende der Erzählung die textinterne Ordnung verändert bleibt. Rückt man nun das höfische Epos ins Zentrum der Betrachtung, so kann festgestellt werden, dass dessen Sujetstruktur, die auf einer [v]ertikal[] ausgerichteten Weltmodellierung gründet, aus einer in mehrfachen ‚Kursus‘ ablaufenden ordnungsstörenden Versetzung des ‚Helden‘ über die Grenze nach ‚unten‘ und der ordnungsrestituierenden Annullierung dieser Versetzung über das erfolgreiche Bestehen von Einzelabenteuern besteht. Die Helden eines höfischen Romans, die i.d.R. das strukturelle sowie emphatische Heldenkonzept in sich vereinen, können auf diese Weise hinsichtlich der modellierten Welt als Garanten der Ordnung und Helden einer im Resultat ereignislos bleibenden Restitution bezeichnet werden. Erzähltexte des Mittelalters folgen daher in der Gesetzmäßigkeit ihrer Erzählstruktur überwiegend einer dominant ‚zyklischen‘ Textbildungsmethode, was demzufolge ‚dominant‘ zyklische Sujets nach sich zieht: Als Agenturen paradigmatischen Sinns rekodieren sie [somit] rituell das Gegebene . Lotman selbst spezifiziert diesen dem ‚linearen‘ Textbildungsprinzip gegenüberstehenden Sujettyp folgendermaßen: Ein solches Erzählen hat keineswegs zum Ziel, dem Zuhörer etwas ihm Unbekanntes mitzuteilen, sondern stellt einen Mechanismus dar, der den ununterbrochenen Ablauf zyklischer Prozesse in der Natur selbst sichert. Wichtig vor diesem Hintergrund ist, dass diese Gegebenheiten zwar auf das vom Text generierte Weltmodell zutreffen, etwaige Aspekte bezüglich der Identität des Helden jedoch nicht tangieren. Helden des höfischen Epos sind somit Restitutionshelden in bezug auf die modellierte Welt, nicht aber in bezug auf sich selbst als Aktanten stellen sie zirkulär Ordnungen her, als Charaktere aber gewinnen sie über das Prinzip der steigernden Reprise linear die Werte und Eigenschaften höfischer Identität . Diese Entwicklungsstufen des Helden im höfischen Roman betreffend, formuliert Rainer Warning: Auf dem Rücken der Abenteuersequenz operiert ein Bezugssystem von Oppositionen, denen das Prinzip der Steigerung im Sinne eines Fortschritts in der Selbstsuche und Selbstfindung des Helden wesentlich ist. 3., Grenzüberschreitungen im Parzival Wolframs von Eschenbach - Eine Textanalyse: Der Isolationsraum: 3.1, Kontextuierung der zu untersuchenden Textstellen: Vom Tod Gahmurets bis zur selbstgewählten Isolation Herzeloydes: Im Zentrum der ersten beiden Bücher stehen die Geschichten von Parzivals Vater Gahmuret, der als zweitgeborener Sohn des Königs von Anschouwe ohne Anrecht auf ein Erbe in die Welt aufbricht, um zu ritterlichen Ehren und heldenhaftem Ruhm zu gelangen. Zunächst im Orient in den Diensten des Baruc von Baldac kämpft Gahmuret im weiteren Verlauf für die schwarze Königen Belakane, deren Stadt Patelamunt mit seiner Hilfe von ihren Feinden befreit werden kann. Die anschließende Ehe zwischen Belakane und Gahmuret sowie die damit errungene Herrschaft über Zazamanc und Azagouc dauert nur wenige Monate. Noch bevor Gahmurets erster Sohn, der spätere Halbbruder Parzivals Feirefiz, geboren ist, bricht der Ritter heimlich zu weiteren aventiuren auf. Als nächstes nimmt Gahmuret, inzwischen in Spanien angelangt, an einem Turnier vor Kanvoleiz teil, das die dortige Königin Herzeloyde ausgeschrieben hat. Der Sieger gewinnt die Hand der Königin sowie die Gewalt über die Herrschaftsgebiete Waleis und Norgal. Auch hier erweist sich Gahmuret als der tapferste aller Kämpfer und ehelicht, wenn auch unter Vorbehalten, die Königin. Bedingung für die Ehe zwischen Herzeloyde und dem Turniersieger ist die Erlaubnis, dass Gahmuret auch weiterhin an Turnieren teilnehmen darf. Diese verhängnisvolle Abmachung zerstört nach einer kurzen Zeit des gemeinsamen Glücks die noch junge Ehebeziehung. Gahmuret findet, zum Leidwesen Herzeloydes, schon bald den Tod im Kampf und macht sie zum zweiten Mal zur Witwe. Von diesem Verlust zutiefst erschüttert, beschließt die Königin, ihren gemeinsamen Sohn Parzival in der Einöde von Soltane großzuziehen und die Herrschaft sowie die gesamte höfische Welt hinter sich zu lassen. Zu Beginn des dritten Buches konstituiert sich somit Soltane als neuer Lebensraum der königlichen Familie, in dem sich außer Herzeloyde und Parzival nur noch wenige Gefolgsleute der Königin befinden. Parzival soll als Präventivmaßnahme ohne den Einfluss des Hofes und des Rittertums großgezogen werden, um einem weiteren, nicht verkraftbarem Verlust Herzeloydes vorzubeugen.

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