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Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 114
Abb.: 33
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In meiner vorliegenden Studie bin ich einigen Fragen sozialer Wirksamkeiten von Farbiger Architektur nachgegangen. Dabei erarbeitete ich Kriterien und Aspekte dieser Wirkungen. Während meiner Recherchen wurde mir einmal mehr bewusst, dass Farbige Architektur nicht nur als Gestaltungsmittel wirkt, sondern auch soziale und politische Aussagen beinhaltet. Farbigkeiten an Gebäuden sind unter anderem Aussagen von menschlichen Gesellschaften und Gemeinschaften. Dabei ist die historische Entstehung von Farbigen Gebäuden ein sehr wichtiger Aspekt meines Themas. Die Farbigkeit im Arbeiter- und Sozialen Wohnungsbau hat mich dabei besonders interessiert. Ein geschichtlicher Einblick in so manche Wohnkaserne Anfang der 1920'er Jahre zeigt, dass es Bestrebungen gab die Bewohner durch sozial wirkende architektonische Mittel geistig zu befreien. Diese Befreiungsansätze fanden insbesondere auch durch Farbige Architektur statt. Die politische Entstehung des einfachen Bürgertums vermischt sich mit dem Thema vom Befreiten Wohnen und der Farbigkeit an Architektur. Die intensive Basis der Gartenstädte hatte ihren großen Anteil am Entstehen von Arbeitersiedlungen und Wohnsiedlungen des einfachen Bürgertums. In der Architektur der Moderne entstanden durch die Protagonisten Bruno Taut und Le Corbusier bemerkenswert narrative Bauwerke. Der Architekt Bruno Taut (1880 - 1938) hatte bereits 1914/15 in Berlin Falkenberg eine farbige Gartenstadt errichtet. Eines seiner erklärten Ziele war es mit den farbigen Gebäuden eine innere Befreiung einfacher Bürger zu unterstreichen. Damit prägte Bruno Taut auch sein Ideal: Farbe ist Lebensfreude. Le Corbusier (1887 - 1965) hatte nach dem ersten Weltkrieg zwischen 1923 und 1926 in Pessac (Aquitanien) eine Werksiedlung für die Arbeiter des Zuckerfabrikanten Frugès errichten lassen. Le Corbusier plante die Gebäude und theoretisierte eine eigens für Pessac entwickelte Farbengrammatik. Zudem wurde durch Le Corbusier eine der ersten Serienbauten für Wohnsiedlungen mit dem Material Beton realisiert. Um eine gegenwärtige Wohnanlage geht es bei dem Siedlungsbau von Otto Steidle (1943 - 2004). Die Wohnsiedlung Mainz-Lerchenberg wurde in der Blütezeit der Volksdemokratie und im Zuge der Wiedervereinigung (1990 - 1994) in Deutschland errichtet. Die Wohnanlage ist laut Aussage von Otto Steidle der demokratisch gebaute Ansatz von Freiheit und Bewegung im tektonischen wie sozialen Außenraum. Die sozialen Entwicklungen von Farbiger Architektur haben ihren eigenen historischen Hintergrund. Beginnend mit dem Polychromiestreit im 18. Jahrhundert und den Folgen daraus sind soziale Begebenheiten entstanden. Vor allem die daraus entstandenen Restriktionen für die arbeitende Bevölkerung ist bemerkenswert. Diese farbigen Einschränkungen für die Arbeiterschaft ist ein umfangreiches Thema der Protagonisten in der Architektur der Moderne gewesen. Es war vor allem auch deswegen ein Thema weil der Arbeitersiedlungsbau eine eigenständige Architektur-Aussage bekommen sollte. Nicht zuletzt sind im Zuge dieser architektonischen Errungenschaften auch die Baugenossenschaften in Deutschland entstanden. An den Entwicklungen hatte die Farbigkeit an Wohnsiedlungen ihren Anteil. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich außerdem damit, ob und wie die zukünftige Farbigkeit an Architektur positive soziale Wirksamkeiten hervorrufen könnte.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1.2, Missionierende Farbwirkung: Die Werksiedlung Pessac ist von dem Alleinunternehmer Henri Frugès in Auftrag gegeben worden. Le Corbusier und sein Cousin Pierre Jeanneret hatten ein breites Experimentierfeld zur Verfügung gestellt bekommen. Für Le Corbusier war es in Pessac, schwierig, mit seiner selbst entwickelten Farbengramatik eine missionare Farbwirkung bei den Bewohnern zu erreichen. Le Corbusiers Traditionsbruch mit alten regionalen Baustilen wurde von den meisten Bewohnern in Pessac missgünstig betrachtet. Für die zukünftigen Bewohner war keine direkte Verbindung zu einer für sie gewohnten Architektur und Gebäudegestaltung auszumachen. Henri Frugès hatte die voraussichtlichen Wirkungen auf die Menschen, schon zu Beginn der Bebauung an Le Corbusier vermitteln wollen. Die Menschen in diesem Landstrich lebten bevorzugt in ihren kleinen Häusern, den échoppe bordelaise. Das waren kleine Häuser mit Erdgeschoss und einem kleinen Dachboden, unter einem Satteldach. Sie waren meist in hellen Farben bzw. weiß gestrichen. Die Tatsache des langsam fortschreitenden Annehmens der neuen Bauwerke in Pessac, war den zukünftigen Bewohnern drei Jahre nach dem Entstehen noch verwehrt. Denn auch die örtlichen Beamten und einige Behörden haben diese Siedlung, sozusagen mit einem Bann belegt. Die Wirkung dieser Siedlung auf die öffentlichen Institutionen war derart, dass die anzuschließenden Wasserzustellungen, schlichtweg vergessen wurden. Drei Jahre nachdem die Siedlung Pessac gebaut wurde, war es nicht möglich, die Hausanschlüsse per Regelwerk mit Wasser zu versorgen. Erst als der Minister de Monzie, seitens Frugès eingeschaltet wurde, konnte allmählich daran gedacht werden, die Häuser in Pessac zu beziehen. Le Corbusier hatte in der Arbeitersiedlung Pessac als Ästhet den dortigen Bewohnern, eine bewohnbare Architektur auf einer höheren Ebene vermitteln wollen. Die höhere Ebene war die nächst mögliche Gesellschaftsform. Dazu benutzte er zum einen wie Bruno Taut das kostengünstige Mittel der Farbe bzw. Farbigkeiten und den noch nicht sehr verbreiteten Serienbau mit Beton. Das geistig-planerische Konzept welches Le Corbusier angewendet hatte, war nach seinen eigenen Aussagen, von dem Gedanken der Gleichbehandlung gegenüber den Arbeiterfamilien beseelt. Die Gleichbehandlung bestand darin, dass Le Corbusier die Arbeitersiedlungen mit gleichen stilistischen Mitteln und vermittels bestimmter Farbigkeiten ausstatten wollte, wie er es schon in den gebauten Villen für die Reiche Klientel getan hatte. Die Aufgabe eine umfangreiche Wohnsiedlung für Arbeiter zu planen und zu bauen, war auch für Le Corbusier eine neue Erfahrung. Le Corbusier beschrieb die Farbwirkung von Pessac auf die Bewohner und Institutionen im Jahre 1929 als eine Geschichte wie sie in Balzac`s Romanen vorkommen würde: Pessac hat etwas von einen Roman von Balzac, Ein großzügiger Mann will seinem Land zeigen daß die Wohnungsfrage gelöst werden kann, die öffentliche Meinung revoltiert, […] schon nach Fertigstellung der Gebäude im Jahre 1926 entstand ein passiver Widerstand [in Pessac] Le Corbusier war davon überzeugt, das ihm seitens der Bewohner in Pessac und den Behörden übel mitgespielt wurde. Er bezeichnete die ganzen negativen Verhaltensweisen als eine Art fehlgeleitete Verstrickung. Die [...]immer dann für die Ideenstifter auftreten, wenn sie Neues umsetzen und die Menschen damit vor den Kopf stoßen. Le Corbusier hatte mit seinen entwickelten Farbwirkungen den Bewohnern in Pessac einen Genuss seiner Salonästhetik , wie Bruno Taut einmal die farbige Architektur von Le Corbusier nannte, präsentieren wollen. Le Corbusier forderte durch seine farbig-didaktische Reformierung das Prekariat auf, einen Schritt in das 20. Jahrhundert zu tun. Eine soziale Wirkung der farbigen Gebäude in Pessac war, dass sie als eine Arbeitersiedlung mit dem Anspruch, einer neuen Architekturform und einer neuen ästhetischen Farbengramatik mit psychisch-physischer Wirkung gebaut wurde. Dazu bediente sich Le Corbusier verschiedener Techniken von Farbtonbenutzung, besser gesagt einem jeweils für das Gebäude und deren Auswirkungen ergiebigen Farbschema. Zum Beispiel der Camouflage, dem Tarnen, dem Verbergen. Diese Technik diente unter anderem dazu, den Betrachter zunächst in einen Zustand -gespannter Aufmerksamkeit- zu versetzen, damit er dann am nächsten Fassaden-vorsprung oder Hausecke den wechselnden Farbton ausmachen kann. Diese Psychologischen Effekte hatte Le Corbusier ja schon in dem von ihm verfassten Artikel in der L 'Esprit Nouveau von 1921 angedeutet. Le Corbusier belegte diese Arbeitersiedlung mit den Privilegien die er sonst nur seinen gebauten Villen zu gestand. Zwar baute Le Corbusier jetzt für ärmere Familien ökonomisch erschwingliche Häuser in Pessac, jedoch nicht aus sozial idealisierten Gründen. Die Wohnungen sollten günstig erstellt und dann frei vermietet werden, daran waren keine genossenschaftlich-gemeinschaftlichen Bedingungen geknüpft.

Über den Autor

Lutz Gogoll, Dipl.-Ing. (FH) wurde 1969 in Bielefeld geboren. Nach seiner Berufsausbildung als Maler- und Lackierermeister sowie der Teilnahme am Werkstudium Gestalter im Handwerk in Münster (Westfalen), entschied sich der Autor, seine fachlichen Qualifikationen im Bereich der Architektur und Innenarchitektur durch ein Studium weiter auszubauen. Das Diplomstudium der Innenarchitektur an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe schloss er im März 2009 sehr erfolgreich ab. Vor und während seines Studiums sammelte der Autor umfassende Erfahrungen in der Architektur- und Innenarchitektur-Branche. Bereits während seines Studiums, als Tutor am Lehrstuhl Architekturtheorie, entwickelte Lutz Gogoll ein besonderes Interesse am theoretischen Thema: Farbigkeit und Architektur. Insbesondere soziale Wirksamkeiten und historische Entwicklungen Farbiger Architektur interessieren den Autor. Der Autor ist freiberuflich als planender, wissenschaftlich-theoretischer und beratender Diplom Ingenieur tätig.

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