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  • Geniale Mörder: Süskinds „Parfum“ und Hoffmanns „Fräulein von Scuderi“ im Vergleich

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 06.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 72
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Patrick Süskinds Erfolgsroman Das Parfum und dessen wichtigster Intertext Das Fräulein von Scuderi von E.T.A. Hoffmann werden in dieser induktiv aufgebauten Forschungsarbeit im Hinblick auf ihre Gattungselemente und intertextuellen Bezüge verglichen. Beide Texte, deren augenscheinlichste Kongruenz der jeweilige geniale Künstlermörder ist, weisen Elemente der Detektiv-, Kriminal- und Künstlergeschichte auf. Die Gewichtung der jeweiligen Aspekte, ihre Bedeutung im Hinblick auf eine entsprechende Gattungsgeschichte und der Vorbildcharakter des Fräuleins von Scuderi für Das Parfum werden diskutiert. Hoffmanns Novelle gilt mit den Untaten des mörderischen Goldschmieds Cardillacs gar als erste Detektivgeschichte, das olfaktorische Genie Grenouille und Das Parfum wurden 2006 sogar erfolgreich einem breiten Kinopublikum nahe gebracht. Die Publikumsresonanz auf beide literarischen Werke war beträchtlich, jedoch gibt es zumindest zum Parfum nur eine überschaubare literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung und nur wenige einschlägige Texte, die sich mit der intertextuellen Verknüpfung zu Hoffmanns Novelle beschäftigen. Die vorliegende Studie versucht, einen Beitrag zur Klärung zu leisten. Bei zwei Primärtexten und drei zu untersuchenden Gattungen bietet sich dazu ein induktiver Aufbau der Forschungsarbeit an, d.h. es wird stets direkt beim Text selbst angesetzt und so gewinnbringende Erkenntnisse erworben. Nicht zuletzt wird auch der Frage nach dem Zusammenhang von Kunst und Mord, versinnbildlicht in den Figuren der genialen Scheusale Cardillac und Grenouille, nachgegangen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2.2. Positive Künstlergegenfigur Scuderi und andere Künstler: Das dichtende Fräulein von Scuderi ist der offensichtlichste Gegenpart zu Cardillac, nicht nur was die Aufklärung und Urheberschaft der Verbrechen angeht, sondern auch das der gegensätzlichen Künstlerideale. Vergessen wird aber dabei oft, dass die Erzählung von zahlreichen anderen Künstlerfiguren mitgetragen wird. Vor allem Olivier ist dabei zu nennen, dazu zählen aber ebenso die diversen Giftmörder der vorgeschobenen Episode. Olivier, Sohn eines Goldschmieds und Geselle bei Cardillac, ist zumindest so begabt in seinem Können, dass er eine Anstellung beim berühmtesten Meister seiner Zeit erreicht. Ihm wird aufgrund der herausragenden Leistung seiner eigenen Arbeit der Rat dazu gegeben: […] das ist ja ganz vortreffliche Arbeit. Ich wüßte in der That nicht, wer Euch noch anders übertreffen sollte als René Cardillac, der freilich der erste Goldschmid ist, den es auf der Welt gibt. Zu dem solltet Ihr hingehen […]. Als Künstler kommt er also augenscheinlich nah an das Können seines Meisters heran. Damit verbunden ist aber auch ein anderer Aspekt, denn nicht nur in der Kunst ist er eine Vorstufe Cardillacs. So ist er auch der Hauptverdächtige über weite Teile der Erzählung, übertroffen wird seine Teilschuld (die durch das Verschweigen seines Wissens um den wahren Mörder entsteht) nur durch die Schuld Cardillacs. Er ist es auch, den die Scuderi zuerst zum Geständnis bewegen muss, dann erst kann Cardillacs wiedergegebenes Geständnis folgen. Nur über den Weg über Olivier kommt das Fräulein an ihr Ziel, eben Cardillac. Darüber hinaus wird auch zuerst Oliviers wahre Identität als ihr Ziehsohn enthüllt, dann Cardillacs Schuld. In all diesen Beispielen zeigt sich, inwiefern der Geselle Olivier der erste, kleinere Gegenpart der Scuderi ist, als Vorstufe zu seinem Meister. Die anderen angesprochenen Künstler sind die Giftmörder, an denen sich ein anderer angedeuteter Aspekt näher erläutern lässt. Unter ihnen finden sich zahlreiche Könner eines bestimmten Gebiets. Zurück geht die Serie auf den Apotheker Glaser, der in alchimistischen Versuchen probiert, den Stein der Weisen zu finden. Sein scheinbar äußerst geschickter Gehilfe Exili erfindet dabei ein nicht nachweisbares, sehr wirkungsvolles Gift – ein Kunstwerk. Exili aber, der Wissenschaftler, forscht als ein Besessener, so wie Cardillac gestaltet auch sein Können ist Kunst. […] Ihn, nicht das Fräulein, müsste man Cardillac gegenüberstellen: Exili strebt wie Cardillac nach einem Absoluten, es soll ihm, wenn nicht Macht über das Leben, so doch über den Tod geben. . Während einer Haftstrafe gibt Exili das Geheimnis an den Hauptmann Croix wieder, der wiederum hat als Geliebte die Marquise de Brinvillier. Zusammen starten sie eine Reihe von Giftmorden, die über lange Zeit niemand aufklären kann. Ähnlich unsichtbar und unaufhaltsam wie später Cardillac, morden sie wahllos. Ganz Paris wird von Misstrauen gebeutelt. Eine Nachahmerin finden sie etwa in der Wahrsagerin la Voisin, die ebenfalls eine Reihe von Giftmorden beginnt. Meister ihres Faches sind sie alle. Wie bei Cardillac ist auch hier das Morden eine Kunstform, unsichtbar und äußerst effektiv. Die wichtigste Gegenfigur aber ist, wie bereits angesprochen, das Fräulein von Scuderi selbst. Als personifizierte Tugend ist sie Gegenfigur Cardillacs und (zusammen etwa mit dem letztlich Olivier gegenüber gnädigen König) eine der positiv besetzten Figuren der Erzählung, während Paris von Mordserien und willkürlichen Verhaftungen einer als grausam charakterisierten Polizei erschüttert wird. Ebenso verkörpert sie aber auch einen anderen Künstlertypus als Cardillac, den ich als Hybriden - aus romantischem Künstler und altem Kunsthandwerker - bezeichnet habe. Die Scuderi ist Dichterin, verfasst Verse zum Vortrag am Hofe, geht nach Mustern und Reglementierungen vor. Dabei ist sie aber durchaus erfolgreich, so schlagen ihre prägnanten Zeilen Un amant qui craint les voleurs / n’est point digne d’amour nach Wertung des Königs das ganze vorher gelesene Gedicht der angeblichen Juwelenbande. Natürlich wird letztlich der Sieg, die Lösung des letzten Rätsels, und damit die Rettung Oliviers, durch ihren poetischen Vortrag am Königshof erreicht. In einer geschickten Aufmachung und in Begleitung von Cardillacs attraktiver Tochter Madelon, die den König mit ihrem schönen Lilienbusen gnädig stimmen soll, angeführt durch ihre mitreißende Erzählung, erringt sie den Sieg durch die Poesie. Ihren Vortrag kann man gar als die erste Detektivgeschichte bezeichnen, wie in der Forschung etwa durch Landfester zusammengefasst. Zurückgehend auf Ginzburgs konjekturales Paradigma sind demnach Mordfälle nichts als Intertext und bereits erzählt, erkennbar dadurch, dass der Ermittler so lange Informationen sammelt, bis diese zu einer wieder erkennbaren Struktur geordnet und der Name des Mörders gelesen werden kann. Nach Kittler, so rekurriert Landfester, ist nun der König, dem die Scuderi ihre Erzählung entgegenbringt, Konsument der ersten Detektivgeschichte überhaupt. Dadurch geschieht auffälligerweise die Rettung durch eine in anderen Texten Hoffmanns verpönten Form des Künstlertums. Die Scuderi steht nämlich in der Tradition der höfischen, barocken Kunst. Auch in diesem Punkt stellt die Erzählung eine Abweichung zu Hoffmanns sonstigen Topoi dar. Vielleicht ist auch hier die Frage nach dem Ursprung des Schöpfertums beinhaltet, in jedem Fall werden aber wieder verschiedene Künstlerbilder besprochen, Rückgriff auf ältere Texte und Quellen intertextuell vollzogen und auch das Verhältnis von Kunst und Leben diskutiert.

Über den Autor

Sarah Baldin, 1982 in Köln geboren, beendete ihr Germanistikstudium 2009 erfolgreich mit dem akademischen Titel Magistra Artium. Bereits früh in ihrem Studium wählte sie einen literaturwissenschaftlichen Schwerpunkt, wobei sie sich besonders intensiv dem in der Germanistik nicht unumstrittenen Detektivroman widmete. Ihre Magisterarbeit verfasste sie beim Kölner Professor Dr. Volker Neuhaus, der als einer der wenigen deutschen Literaturwissenschaftler zum Thema forscht. Seit ihrem Abschluss arbeitet Sarah Baldin in einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek und erweitert ihre fachliche Qualifikation derzeit mit einem berufsbegleitenden Masterstudiengang der Bibliothekswissenschaft.

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