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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Obwohl die Märchen der Gebrüder Grimm bereits Anfang des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden, ist die Faszination, die von ihnen ausgeht, scheinbar immer noch ungebrochen. Dieses Buch beschäftigt sich mit der Modernisierung von Märchen unter Betrachtung prototypischer Märchenfiguren und Schemata in der Serie ‚Once Upon A Time‘. Auch wenn die Veränderungen der literarischen Vorlage teilweise gravierend sind, bleibt diese trotzdem immer erkennbar. Um die Rahmenhandlung herum wird mit Hilfe komplexer Narration eine ganz neue Märchenwelt aufgebaut, wodurch sich ‚Once Upon A Time‘ als moderne Quality-TV-Serie zeigt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1.1, Prototypische Märchenfiguren: In den bisherigen Abhandlungen wurden bereits die ersten Prototypen, die in Märchen zur Anwendung kommen, zur Sprache gebracht. Viele Figuren können zu ‘Leitbildern und Orientierungshilfen in den verschiedenen Situationen unseres Lebens werden’ (Bittlinger 1994, S.11), weil sie keine Einzelschicksale darstellen (Vgl. Lüthi 1983) und sich die Menschen einfacher mit ihnen identifizieren können. Meist zeichnen den Helden positive Eigenschaften aus, wie zum Beispiel Frömmigkeit oder Mut, wohingegen mit dessen Gegenspieler/n hauptsächlich negative verbunden sind. So steht fast immer der Kampf Gut gegen Böse im Mittelpunkt eines Märchens, wobei die Figuren so konzipiert sind, dass eine genaue Zuordnung in die Extreme leicht möglich ist: ‘Gut und böse, gottgefällig und gottlos werden im Märchen säuberlich auf verschiedene Figuren verteilt’ (Lüthi 1983, S.63). Im Fokus steht immer das Bewältigen einer Krise (siehe hierzu das folgende Kapitel über Schemata), die die Existenz des Helden in gewissem Maße bedroht. Das Ziel des Helden kann erreicht werden, indem ‘die ‚negativen‘ Figuren […] in der Regel ausgeschaltet [werden], oder sie zerstören sich selbst.’ (Bittlinger 1994, S.318) So sieht Lüthi die vielen Aufgaben und Verbote als eine Möglichkeit für den Helden, sich zu beweisen. Dabei ist ihm selbst eine Übertretung der Grenzen möglich, die ihn letztlich, ‘durch Not und Leid hindurch, zu höheren Zielen führen’ kann (Lüthi 1983, S.49), ohne, dass er sich auf seinem Weg charakterlich weiterentwickelt. ‘Die Alten sind alt und die Jungen sind jung und bleiben es auch. Im Märchen gibt es keine Charakterveränderungen und kein Altern, sondern die Figuren sind eindeutig […]. Sie sind eindeutig im Gegensatz zur verwirrenden Alltagswirklichkeit. Im Märchen ist die Welt durchschaubar’ (Bittlinger 1994, S.12). Zwar wird der Held dargestellt ‘als einer, der über sich hinauszuwachsen vermag, der die Anlage zum Höchsten in sich trägt und dieses Höchste auch erreichen darf’ (Lüthi 1983, S.108), aber innerlich verändert er sich nicht. Auf dem Weg zum Ziel kann er lediglich eine äußerliche Veränderung erfahren, zum Beispiel durch die Weiterentwicklung vom Prinzen zum König (Vgl. Jacoby/Kast/Riedel 1994). Es ist nicht möglich, ‘daß [sic!] der Prinz einfach eine neue Prinzessin holt – und im übrigen [sic!] der Alte bliebe’ (Jacoby/Kast/Riedel 1994, S.27). Welche inneren Weiterentwicklungen er dabei erfährt, wird dem Leser nicht übermittelt, denn das Märchen ‘schildert nicht Gefühle und Stimmungen, nicht innere Konflikte und Denkabläufe, sondern strebt danach, alles in Handlung zu übersetzen’ (Lüthi 1983, S.93). Nun, es gibt natürlich auch Ausnahmen – ein Beispiel für eine mögliche charakterliche Änderung findet sich in Dornröschen: hier findet ein Wechsel der Rollen von Helfer zu Gegenspieler statt, als sich die dreizehnte Fee rächt, weil sie nicht zur Feier eingeladen wird. Die angesprochenen Helfer, die dem Helden beim Lösen seiner Aufgaben zur Seite stehen, sind ein weiteres typisches Merkmal der Märchen. In vielen Fällen sind diese Figuren übernatürlich, neben Feen und Hexen treffen wir zugleich auf Zwerge, Riesen oder redende Tiere. Auffällig ist, dass diese Figuren keine tiefere eigene Persönlichkeit zugeschrieben bekommen, was sich darin äußert, dass sie namenlos bleiben – die gute Fee heißt eben einfach die gute Fee. ‘Die helfenden Tiere und andere Jenseitswesen des Märchens aber sind gewöhnlich genauso isoliert wie der Märchenheld selber dieser nimmt ohne Erstaunen ihre Ratschläge und Zaubergaben in Empfang, verwendet sie im entscheidenden Augenblick und denkt nachher nicht mehr an sie’ (Lüthi 1983, S.109). Nebencharaktere, wie der Vater Schneewittchens, der das Handeln seiner neuen Gattin nicht verhindert, bleiben im Märchen ebenfalls namenlos. Sie greifen nicht aktiv in das Geschehen ein und sind deshalb für den Verlauf der Handlung nicht weiter von Interesse. Namenlos bleibt auch die Märchenfigur, die eigentlich Gegenstand ist, ‘so zum Beispiel das ‚Tischlein deck dich‘ und der ‚Knüppel aus dem Sack‘ in der Rolle des Helfers’ (Märchenatlas 2013a). An dieser Stelle sollen nun Prototypen zusammentragen, die sich vermehrt in Märchen – hier hauptsächlich in den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm – entdecken lassen. Einen der wohl bekanntesten Prototypen, die Prinzessin, kann man in drei Kategorien unterteilen: die passive Prinzessin (1), die aktive Prinzessin (2) und die böse Prinzessin (3). Erstere ist eine positive Heldin mit edler Abstimmung, die häufig die Hauptrolle einnimmt. Der Prinz, der in diesem Falle die Nebenrolle einnimmt, muss sie erretten. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Dornröschen, die lange Jahre darauf wartet, wachgeküsst zu werden. Die Prinzessin, die ihr Schicksal selbst bestimmt (2), nimmt häufig ebenfalls eine Hauptrolle ein. Im Märchen Der Froschkönig wirft die Prinzessin ‘den ungeliebten Frosch, der in ihr Bettlein steigen will, in wahrscheinlich mörderischer Absicht an die Wand und erlöst hierdurch den verzauberten Prinzen’ (Wittmann 2008, S. 42) – sie nimmt ihr Leben selbst in die Hand und beendet durch ihre Entscheidung den Fluch. Übernehmen die aktiven Prinzessinnen allerdings eine Nebenrolle, finden sie sich häufig als Rätselprinzessinnen wieder (Kategorie 3), ‘die nur den Freier akzeptieren, der sich ihnen als überlegen erweist’ (ebd.). Ein Freier kann die Prüfung nur lebendig überstehen, wenn er das ihm gestellte Rätsel lösen kann oder – in einer abweichenden Variante – die Prinzessin das ihr gestellte Rätsel nicht lösen kann. ‘Im Volksmärchen bleibt die rätselstellende Prinzessin reine Figur – man kann sie als Menschen nehmen oder als Bild für die Welt, die uns ihre schweren Rätsel aufgibt und mit Vernichtung bedroht, wenn wir sie falsch lösen’ (Lüthi 1983, S.95). Ganz anders als die Prinzessin wird der Prototyp des einfachen Mädchens dargestellt. Zu finden ist dieser zum Beispiel in Aschenputtel sowie in Das Mädchen ohne Hände. Sie verrichten ihre Arbeit ohne sich zu beschweren oder fügen sich gar vollends in ihr Schicksal, indem sie sich sogar vom eigenen Vater die Hände abschlagen lassen, weil dieser sich vor dem Teufel fürchtet. Doch das Glück belohnt ihr Verhalten und schenkt ihnen einen Prinzen (Vgl. Märchenatlas 2013a). Ein Prototyp, der nicht allzu häufig auftritt, ist der König. Zwar beginnt das Märchen häufig mit einer Mangelsituation in seinem Leben , verläuft dann jedoch ohne ihn, weil er vom jungen und aktiven Königssohn abgelöst und bei den Abenteuern vertreten wird. Aber auch sein Nachfolger kann in einen aktiven und einen passiven Prototypen eingeteilt werden. So greift er nicht wesentlich in die Handlung ein, wenn er die Prinzessin einfach nur wachküssen muss – immerhin kann er nach einhundert Jahren gefahrlos durch die Hecke treten, er ist einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort (hier in Dornröschen). Der aktive Prinz ist meist derjenige, der sich auf die Suche nach etwas macht und dabei Abenteuer erlebt und Aufgaben löst. Die Hexe wird in vielen Märchen als negativer Gegenpol eingesetzt, der dafür sorgt, dass der Held vor einem Konflikt steht, den er bewältigen oder vor dem er fliehen muss. Sie ist eine ‘elementare Bedrohung, die es zu überstehen gilt.’ (Jacoby/Kast/Riedel 1994, S.41) In Aschenputtel, Hänsel und Gretel und anderen Märchen findet sich mit der Stiefmutter eine weitere böse Gegenspielerin, mit dem sich die Hauptfiguren auseinander setzen müssen. Eine Kombination aus beidem – böser Stiefmutter und Hexe – findet sich in Schneewittchen. Dort besitzt die Stiefmutter zugleich Zauberkräfte besitzt, mit denen sie Äpfel vergiftet. Bei den Helfern und Nebenfiguren lassen sich in gleicher Weise bestimmte Prototypen ausmachen. Die sieben Zwerge in Schneewittchen sind von hilfreicher Natur, während Rumpelstilzchen, den man ebenfalls als Zwerg ansehen kann, die böse Seite übernimmt. Elfen sind überwiegend freundlich gesinnt, können andererseits aber auch Bestrafungen aussprechen, wenn sie jemanden nicht mögen. In Das tapfere Schneiderlein begegnet uns der prototypische Riese: er ist böse, leicht tollpatschig, aber trotzdem brutal. Oft besitzt er zusätzlich zu seiner Kraft übernatürliche Fähigkeiten, die er aber aufgrund seiner begrenzten Intelligenz nur selten einzusetzen weiß. Aus dieser Auflistung von Figuren geht hervor, dass bestimmt Eigenschaften im Märchen immer wieder vorkommen – sodass der Leser mit ihnen vertraut ist. Die ‘starren Wiederholungen ganzer Sätze, ja langer Abschnitte’ (Lüthi 1983, S. 37) im Märchen sind ein beliebtes Stilmittel. Doch nicht nur Figuren können prototypische angelegt sein – auch Situationen, die im Folgenden als Schemata bezeichnet werden sollen, kehren immer wieder zurück.

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