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Kunst & Kultur

Nils Wiegand

Romane und Reportagen Joachim Lottmanns: Autofiktion und inszenierte Autorschaft

ISBN: 978-3-95934-761-7

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die literarischen und journalistischen Arbeiten des Autors Joachim Lottmann sind seitens der Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Journalistik bislang keiner genaueren bzw. umfangreichen Untersuchung unterzogen worden. Auf den ersten Blick mag das nicht verwundern. Seine Romane scheinen typische, kaum nennenswert überformte Texte der deutschen Popliteratur mit Prägung der 1990er Jahre zu sein, d. h. es herrscht ein einfacher Schreibstil vor, mehr oder minder relevante Alltagsbefindlichkeiten und -beobachtungen stellen sein Sujet seine Reportagen bspw. für den Spiegel oder die Zeit hingegen erweisen sich als schlecht recherchiert, teilweise tendenziös in ihren Aussagen, strotzen genau wie die Romane vor frauenverachtender Altmännererotik. Mit anderen Worten: die Texte erweisen sich an den Kriterien des professionellen und konventionellen Journalismus gemessen als inadäquat. Die Reaktionen bspw. in Form von Leserbriefen bzw. Kommentaren auf die Online-Versionen der Reportagen münden häufig in Beschimpfungen und Zweifeln an seiner journalistischen Kompetenz und müssen regelmäßig von den jeweiligen Redaktionen zensiert werden. Ziel dieser Untersuchung ist es, eine eigene Poetik für die Werke Lottmanns herauszuarbeiten, die sich im Wesentlichen aus der Poetik des New Journalism speist. Die dafür relevante Autofiktionsdebatte konzentriert sich dabei insbesondere auf die Gegenwartsliteratur. Diese versucht, Autobiographisches und Fiktionales zu verbinden. Dies erfordert zudem eine Diskussion um Fiktionalität und Faktualität, die spezifische Autofiktionalität Lottmanns wird hierbei als projektives Kalkül fokussiert, das Lottmann in oszillierenden Texturen implementiert, mit denen er ganz explizit Gesellschaftskritik sowie Kritik an den Mechanismen des zeitgenössischen Literaturbetriebs übt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.7, Die kommunikative Spielregel: Diese Feststellung betrifft auf der Ebene literarischer Kommunikation insbesondere bei Joachim Lottmann die künstlerisch-kommunikativen Rahmenbedingungen: es ist dem Adressaten vorbehalten, eine als Kunst markierte Textur auch tatsächlich als solche zu aktivieren dabei gilt es Knapes Postulat zu beachten, dass sich die Künste unter rhetorischer Perspektive als kommunikatives Faktum analysieren lassen müssen. Zum anderen wird noch zu zeigen sein, dass dies ebenso die intradiegetische Ebene seiner Romane und Reportagen betrifft, denn tatsächlich kommt es in der literaturkritischen Debatte häufig zu einer Gleichsetzung zwischen dem Autor und seinen Erzählern – im krassen Gegensatz zu der obig ausgeführten literaturwissenschaftlichen Tradition der Trennung zwischen Erzähler und Autor. Dies ist umso mehr zu problematisieren, insofern der Autor eine Borderline-Strategie verfolgt, die sowohl in den fiktionalen, als auch in den faktualen Texten zum Tragen kommt, wobei der Text damit aus Sicht des realen Autors zur Bühne wird, auf der er sich inszenieren kann. Im kommunikativen Geschehen müssen künstlerische Texturen darüber hinaus für den Adressaten noch vor einer potenziellen Dechiffrierung zunächst im kommunikativen Setting als Kunst perzipierbar sein, da der Künstler als Kommunikator gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterliegt, ‘die für jede Art Kunstproduktion Kontexte definieren.’ Kunstsoziologisch betrachtet kann dabei für den Adressaten ein bestimmter frame-effect eintreten, der innerhalb des künstlerischen Diskurses spätestens von Marcel Duchamp durch die Ausstellung seines Urinals selbstreflexiv thematisiert wurde (1917). Im kommunikationstheoretischen Kontext muss daher die Beeinflussungsstrategie untersucht werden, durch die ein Kommunikator die ‘Einstimmung aller Beteiligten auf einen Akt ästhetischer Sonderkommunikation’ steuert. Als frame-effect kann der ästhetisch-künstlerische Status eines multi- oder unikodalen Textes jedoch auch eine gewisse kommunikative Eigenmächtigkeit entwickeln, insofern man ein im abstrakten Sinne verstandenes ‘Ausstellungssystem’ als ‘entscheidende Schnittstelle von Diskursen, Praktiken und Orten, die die Institutionen der Kunst innerhalb einer spezifischen gesellschaftlichen Formation definieren’, begreift. Die von Knape erwähnte, kontextuell-pragmatische Markierung von künstlerischen Texturen kann als Label verstanden werden, das sich ebenso über die medialen Distributionsprozesse mit kommuniziert, insofern bestimmte Settings als intertextuelle, interdiskursive Netzwerke verstanden werden können, die die Kunstwerke als Texte produzieren. Übertragen auf den literarischen Diskurs ist dabei nicht nur eine Gattungsbezeichnung wie Roman mitsamt der daran geknüpften Erwartungshaltung relevant, die der Kommunikator in seinem projektiven Kalkül zu bedenken hat zudem kann der Verlag sowie die Aufnahme in eine bestimmte Reihe bzw. in ein bestimmtes Programm seitens des Verlages von kommunikativer Bedeutung sein, insbesondere wenn durch diese Reihenbildung zudem eine ganz bestimmte Kanonbildung vorgenommen wird, sei diese lediglich nach stilistisch-thematischen Kriterien wie bspw. Klassiker der Jugendliteratur orientiert, oder sogar nach qualitativen Kriterien, wie die von Marcel Reich-Ranicki herausgegebene Reihe Der Kanon. Mit anderen Worten kann der strategisch operierende Kommunikator mit einer präzisen Platzierung, eingedenk strategisch ausgewählter Prätexte und Epitexturen, das kommunikative Angebot zunächst in den erwünschten kommunikativen Diskursframe setzen. In Bezug auf die Vergabe des Labels Roman wird damit vom Kommunikator eine kommunikative Spielregel aufgestellt, diese beruht auf der Akzeptanz des ‚Als-ob-Postulats‘, das alle Kommunikationsteilnehmer zunächst einmal als Festlegung auf die Interpretationsvorzeichen einer rein spielerisch-simulativen Handlung, z.B. in Form eines stillschweigenden Fiktionalitätskontrakts, akzeptieren müssen. Insofern fungieren die Gattungsbegriffe als ‘Leseinstruktionen’ und können gleichsam als Fiktionssignale kommunikativ instrumentalisiert werden. Bei Lottmann muss dieses Geschehen jedoch immer auf der Basis einer gezielten Rahmenbrechnung betrachtet werden, vor allem wenn man seine autofiktionalen Schreibweisen fokussiert. Die bislang noch nicht erläuterten Konzepte Autofiktion und Borderline-Strategie sollen nun ausführlich diskutiert werden.

Über den Autor

Nils Wiegand wurde 1981 in Hagen geboren. Sein Studium der Allgemeinen Rhetorik, Neuen Deutschen Literatur sowie Kunstgeschichte schloss er 2014 mit dem akademischen Grad Magister Artium ab. Bereits während seines Studiums arbeitete er als Regieassistent am Landestheater Tübingen. Hier inszenierte er 2011 Ewald Palmetshofers Hertwurst. Immer Alles eine Tochter. Im Anschluss arbeitete er in der Brotfabrik Berlin und am Staatstheater Darmstadt.

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