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Kunst & Kultur

Bernd Aschenbrenner

Shakespeares Schriftraum

Zur textuellen Inszenierungsstrategie des Dramas Julius Caesar

ISBN: 978-3-8366-8722-5

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 02.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

William Shakespeares Drama 'Julius Caesar' gilt als eines der meistkommentierten und rhetorisch brillantesten des offiziellen Kanons. Dennoch findet es aus Gründen politischer wie textlicher Zusammenhänge immer weniger auf deutsche Bühnen. Dieses Buch versucht über eine dekonstruktivistische Lektüre, die sich auf die Selbstreflexivität und Räumlichkeit des Dramentextes in Verbindung mit Systemtheorie und Foucault’schen Diskurstechniken bezieht, den Text von zu engen Interpretationen zu befreien, indem es an genau jenen brüchigen Stellen angreift, die die Diskussion um Authentizität, Werktreue und Performativität verwischt hat. Diese so genannten Differenzdefekte als das ernst zu nehmen, was in der Lage ist, eine vielschichtige Lektüre erst aufbrechen zu lassen, ist das Ziel dieses Buches. Nicht zuletzt wird in einer an Roland Barthes angelehnten strukturalen Analyse der theatrale Raum hervorgehoben, den ein Dramentext in seiner schriftlichen Inszenierung aufzubauen in der Lage ist. Somit wird die Hypothese aufgestellt, dass eine zeitgenössische Theaterpraxis nur über eine multiperspektivische Lesart der Textinszenierung und ihren eingeschriebenen Raum selbst immer wieder neue und vor allem subjektive Wege, auch in der Postdramatik, für die reale Bühne finden darf und muss, eben genau dann, wenn sich das Theater noch als Medium öffentlicher Angelegenheit(en) verstehen will, das den Austausch mit dem Text respektiert und seine Stellung in einer modernen Gesellschaft sucht. Denn gerade für ein klassisches Drama wie Julius Caesar gilt das, was Jacques Derrida gefordert hat: Wir müssen also die Fähigkeit entwickeln, wieder zu lesen, was uns verstellt wurde.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2.1, Plutarchs Lives von Thomas North: Passagen und Daten aus den Doppelbiographien Plutarchs, in der damals sehr populären, englischen Übersetzung von Thomas North, werden in JC fast wörtlich übernommen. Dies mag unter Dramatikern wohl üblich gewesen sein, auch wenn es Stimmen zu Shakespeares Kopistentum gibt, die diesen Eklektizismus nicht positiv bewerten. Plutarchs Lives bieten jedenfalls ein großes Spektrum an Stoffen und Personen, mit denen Shakespeare kreativ umgegangen ist (daraus zu JC sehr passend: Antony and Cleopatra). Nicht zuletzt war Plutarchs historische Schreibweise im Modus der Erzählung angesiedelt, um wieder Danto zu zitieren: ‘There is an entire vocabulary, the language of narrative as we might call it’ Dieses Vokabular wird in JC der Narration von Plutarch entnommen, die selbst, da er oft ‘von den Historikern allzu großer Quellengläubigkeit bezichtigt wird’ wiederum in Kritik steht. Klar ist, dass JC Informationen aus den Biographien von Julius Caesar, Marcus Brutus und Marcus Antonius verwendet. Diese Tatsache macht den Text aber nicht ärmer, sondern siedelt ihn in einem weiteren Diskurs (der Übersetzung der Übersetzung von Plutarch auf North) an und verfremdet vieles (wie Caesars einseitige Taubheit), was später noch gezeigt wird. Das führt zu einer nicht mehr auf Wahrheit rückführbaren – dennoch positiven – Öffnung des Textcodes, wie Danto sein Hauptwerk resümiert: ‘The door of the future is closed, and knowledge of it is a dead option, and this is what makes narration possible and all that narration presupposes: the openness of the future, the inalterability of the past, the possibility of effective action’ 4.2.2 King-James-Bibel: Auch sehr wichtig für das damalige Verständnis sind die Bibelzitate aus der King-James-Bibel, die größtenteils bekannt gewesen sein dürften (wenn auch nicht gelesen, so doch gehört): ‘Appointed to be read in Churches’ (The English Bible vorangestellt). Dies stellt ein populäres Mittel dar, derer sich der Texthandwerker Shakespeare bedient hat. Indem er den Kontext der Religion einwebt (der freilich hier nur nebensächlich und vor allem in seiner Politik und Machtausübung behandelt wird), als auch Identifikations- wie vor allem moralisches Beweismaterial für das Publikum bereit stellt, wird das Zitieren aus der Bibel in den Kontext moralischer, wie politischer Fragen gestellt, die diskutiert werden können. Dass Shakespeare hier nicht wissenschaftlich/theologisch arbeitet, um zu beweisen, dass hier falsch und da richtig gehandelt wird, muss klar sein. Da der Text durch die Zitate nicht festgelegt werden kann, sondern dadurch zu einer weiteren Verschleierung und, um es besser zu benennen, einer weiteren Öffnung hin zur unendlichen Interpretierbarkeit der Bibel selbst kommt, ist ein Zitat über die Metapher der Bibel als Auslegungs- wie Streitschrift par exzellence. Wiederum Selbstreflexion. Außerdem tritt der Kontext zum Christentum mit päpstlicher Herrschaftsform in Kraft, die nach dem Untergang der römischen Caesaren-Republik beginnt und auch die Regierungsform der Briten bestimmt hat. Viele Stücke von Shakespeare zeugen von diesem Diskurs. Man darf auch reale Gebäudekonzeptionen zwischen sakraler und säkularer Welt nicht vergessen, wie die St.-Pauls-Kirche in London, die auf der anderen Seite der Themse, gegenüber des Globe steht, das wiederum neben dem ehemaligen Heizkraftwerk der Modern Tate durch eine Fußgängerbrücke für Touristen mit ihr verbunden wird. Ohne den Kontext des Christentums, Rom oder Caesar kein Shakespeare. Dies wird anhand von Derridas Theorie der Gespenster noch verdeutlicht. Wichtig für JC ist, dass die darin enthaltenen Strukturen für Diskurse offen sind, die man in der bekannten Geschichtsschreibung verorten kann.

Über den Autor

Bernd Schneid, geb. 1978, studierte Neuere deutsche Literatur, Theaterwissenschaft und Amerikanische Literaturgeschichte in München. Momentan promoviert er über die Fernsehserien The Sopranos und Lost in Verbindung mit dem Begriff des Epos, der Dekonstruktion, Systemtheorie und Psychoanalyse.

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