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Kunst & Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kommunikation ist die Basis, die unsere Gesellschaft zusammenhält und Medien bestimmen den Modus gesellschaftlicher Kommunikation weitgehend mit. Um eine erfolgreiche Kommunikation und somit den Zusammenhalt der Gesellschaft gewährleisten zu können, müssen Medien bestimmte Funktionen erfüllen. Hierzu zählt auch die politische Funktion, die neben u.a. der Kritik- und Kontrollaufgabe vor allem die wichtige Aufgabe der Herstellung von ,Öffentlichkeit‘ bedeutet. Demzufolge sollen Medien durch die ausgewogene und alle Interessen vertretende Darbietung von Information sowie die Gewährleistung von Orientierung Öffentlichkeit, also eine interaktive Plattform des Austauschs, gewährleisten und so der Gesellschaft die Partizipation an demokratischen Diskursen ermöglichen. Da Öffentlichkeit überdies stets an die Mittel ihrer Herstellung gebunden ist, findet durch die zunehmende Etablierung neuer Medientechnologien zurzeit nicht nur ein Wandel innerhalb der Medien-, sondern auch innerhalb der Öffentlichkeitsstrukturen statt, der die Bedingungen einer Partizipation maßgeblich verändert. So etablieren sich zunehmend neue mediale Formen, die im Sinne privater Vermittlungsinstanzen ein Pendant zu den bestehenden, vorwiegend hierarchisch geprägten Medienstrukturen begründen - wie beispielsweise das Internet. Der mit dieser Entwicklung einhergehende, zunehmende Wegfall von Produktions- und Distributionsbarrieren eröffnet somit vermehrt auch jenen die Möglichkeit der Produktion und Öffentlichmachung partikularer Interessen, denen dies bisher verwehrt blieb. Dies hat aber zur Folge, dass sich neue mediale Formen zunehmend von ,professionellen‘ Qualitätsansprüchen, wie beispielsweise der neutralen Beobachtung oder der kontextualisierten Aufarbeitung von Informationen, distanzieren und stattdessen die Vertretung subjektiver Interessen sowie explizit definierter Standpunkte in den Vordergrund rückt. Zunehmend werden soziale und politische Interessen anwaltschaftlich und im Sinne eines zunehmend auch aktivischen Verständnis von Teilhabe öffentlich vertreten. Der Aspekt, dass Bewegtbilder einen maßgeblich erweiterten Rezipientenkreis erreichen können, da sie keine Lese- und Schreibfähigkeit voraussetzen sowie das Attribut der Authentizität, machen den Dokumentarfilm vor dem Hintergrund dieser Überlegungen zu einer besonders wirkungsvollen Instanz der Interessensvertretung. Ziel dieser Arbeit ist es, auf Grundlage vielfältiger theoretischer Überlegungen sowie unter Rückbezug auf diverse Beispiele aus der Realität zu untersuchen, welchen Einfluss der Medien- und Strukturwandel auf den sozialpolitischen Dokumentarfilm hat und ob und inwiefern dieser zunehmend im Sinne eines Instruments (bzw. Instanz) der Konstitution von Öffentlichkeit zu begreifen ist, das nicht nur Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels ist, sondern ferner hierzu beitragen kann.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1.2., Medientechnologischer Wandel und seine Konsequenzen: Im Sinne einer begrifflichen Konkretisierung soll an dieser Stelle geklärt werden, dass wenn von neuen Medien die Rede ist, dies im Sinne technologischer Innovationen, also im Sinne neuer Medientechniken gemeint ist (vgl. Pürer 2003: 266). In den letzten Jahrzehnten hat es immense technologische Veränderungen im Bereich der Kommunikation gegeben. Vor allem im Bereich der Übermittlung von Frequenzen und des Internets haben technologische Innovationen und Veränderungen weitreichende Konsequenzen, zu denen McLuhan unter anderem Veränderungen in der ‘individuellen Wahrnehmungswelt’ und den Gesellschaftsstrukturen zählt (vgl. Boventer 1985: 163). Die Digitalisierung löst zunehmend die analoge Übertragung elektronischer Signale ab, was zur Folge hat, dass durch die binäre Verschlüsselung der Signale eine beträchtliche Datenkompression möglich wird. Der Kapazitäts- und Speicherbedarf elektromagnetischer Signale wird somit maßgeblich verringert, was einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung neuer Technologien bedeutet. Die einheitliche digitale Codierung hat aber auch Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten und die Kommunikation der Konsumenten. So bringen neue Technologien nicht nur in der Handhabung vereinfachte Geräte hervor, sondern bedingen zudem eine zunehmende - weil vereinfachte - Interaktion. Von großer Relevanz hinsichtlich medientechnologischer Entwicklungen ist auch das Internet. Durch die weltweite Standardisierung elektronischer Datenübertragungsprotokolle, wurde die Kommunikation von Rechner zu Rechner maßgeblich vereinfacht (vgl. Pürer 2003: 267), was vor allem Konsequenzen für die weltweite Vernetzung bedeutet. Anfang der 1990er Jahre kam es zu einem radikalen Anstieg der Internet - Nutzung, der nach wie vor eine kontinuierliche Steigerung aufweist. Im Juni 2010, gemäß ‘World Usage and Population Statistics’, nutzten bereits ca. 1,9 Milliarden Menschen weltweit das Internet (vgl. Internetworldstats 2010: o.S.). In den Jahren 2000 bis 2010 ist der Zuwachs von Internet - Nutzern weltweit um 444,8 % gestiegen (vgl. Internetworldstats 2010: o.S.), wobei anzumerken sei, dass die Internetnutzung weltweit stark differiert und keinesfalls von einer homogenen Entwicklung die Rede sein kann. So ist die Internetnutzung beispielsweise in Asien, Europa und den USA immens, das Internet somit eine vor allem ‘(...) von westlichen Usern dominierte Kommunikationsplattform, deren Nutzerzahl rapide zunimmt’ (Pürer 2003: 268). Bezugnehmend darauf sei auf die ungleiche Verteilung der Internetzugänge und kontextuell bedingte Nutzungsbedingungen verwiesen, deren Ausprägungen und Ausmaße in der ‘Knowlegegap’ - Forschung wissenschaftliche Auseinandersetzung erfahren. Und im Rahmen dieser Arbeit leider keine ausreichende Auseinandersetzung erfahren können. Die Theorie des Knowledgegap geht von Verteilungsdifferenzen aus, die eine ‘digitale Spaltung der Welt’ implizieren. Während insgesamt zwar bereits etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung Zugang zum Internet haben, sind westliche Industriestaaten in der Verteilung überproportional vertreten (vgl. Cizek 2006: 219). Der unterschiedliche Zugang zum Internet, aber auch das divergierende Wissen um die Nutzung dessen sind zum einen zurückzuführen auf den jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und sozialen Kontext. Jäckel verweist in diesem Zusammenhang auf sozial und kontextuell bedingt divergierende communication skills, Wissensniveaus, soziale Beziehungen, eine selektive Mediennutzung sowie auf das Trägermedium der Information (vgl. Jäckel 2005: 274). Ein ‘erschwerte[r] Zugang zu modernen Kommunikationsmöglichkeiten [...], die eine bessere Partizipation am öffentlichen Diskurs ermöglichen könnten, wie dies das Internet zumindest als Option eröffnet’ (Stang 2008: 585), ist aber nicht überall das Problem. Auch soziale Differenzen sind durchaus als problematisch zu betrachten (vgl. Stang 2008: 584). Defizitäre Zugangsmöglichkeiten können eine maßgebliche Beeinträchtigung hinsichtlich der aktiven Beteiligung an der Produktion und Rezeption von Information - und somit der Partizipation an Öffentlichkeit - bedeuten (vgl. Jäckel 2005: 272). So sei an dieser Stelle ein Gedanke daran verwendet, dass die öffentliche Meinung nach wie vor maßgeblich geprägt sein könnte von jenen, die Zugang haben - vielleicht nun nicht mehr ausschließlich zu Bildungsinstitutionen (vgl. Diemand 2009: 12), wohl aber zu den notwendigen Kommunikationstechnologien. Aber das Internet bietet auch die Option der möglichen Demokratisierung medialer Strukturen, da es vielfältige Nutzungsmöglichkeiten bietet und eine Basis für mannigfache Anwendungen gewährleistet (vgl. Pürer 2003: 267). Diemand schreibt, dass das Internet insofern eine demokratisierende Funktion erfüllt, als dass es jenen eine Plattform bietet, denen sonst der Zugang zu Öffentlichkeit verwehrt bliebe (vgl. Diemand 2009: 10). Auch Jäckel erkennt in dem Medium Internet neue Möglichkeiten der Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen, indem ‘[d]ie Konstitution von Öffentlichkeit [...] nicht an die Anwesenheit der Beteiligten gebunden [ist], sondern an die prinzipielle Offenheit des Übertragungs- bzw. Vermittlungsmediums.’ (Jäckel 2005: 246). Dieses ist in starkem Kontrast zu bisherigen medialen Strukturen zu betrachten, die sich vor allem durch ihre (wie oben bereits erwähnt) einseitige Kommunikation und hegemonialen Strukturen auszeichnen. Die Entwicklung alternativer Möglichkeiten der Öffentlichkeitskonstitution, wie es das Internet zu sein scheint, führt Capurro darauf zurück, dass selbst etablierte Medien nur scheinbar kritische Öffentlichkeiten konstituieren, da sie zweifellos hierarchische Organisationsstrukturen aufweisen und somit dem Ideal einer demokratischen, herrschaftsfreien Kommunikation widersprechen (vgl. Capurro 2005: o.S.). Eine wichtige Überlegung ist folglich, ob ein Medium wie das Internet diese herkömmlichen hierarchischen Strukturen der Massenmedien und die von ihnen hergestellte Öffentlichkeit tatsächlich grundlegend verändern kann. Ein wesentliches demokratisches Potential sieht Camurro in den potentiellen Partizipationschancen gesellschaftlicher Teilsysteme, die sich darin äußern, dass durch das Internet jeder die Möglichkeit hat, Kommunikationsinhalte nicht nur zu empfangen, sondern auch zu senden. Camurro schließt jedoch technische und ökonomische Hürden aus (vgl. Camurro 2001: o.S.), was in der Praxis, wie die Knowledgegap - Forschung bewiesen hat, nicht möglich ist. Zutreffend ist aber, dass das Internet die Möglichkeit eröffnet, Einfluss auch auf das politische Geschehen zu nehmen, indem vormals ‘Konsumenten’ der Medien nun die Möglichkeit gegeben ist, ‘am politischen Leben teilzuhaben, indem sie über das hinausgehen, was wir repräsentative Demokratie nennen.’ (Diemand 2009: 11). Diemand spricht auch von einer ‘Parlamentisierung’ gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse, die durch das Internet nicht mehr an staatliche institutionelle Gefüge gebunden sei (vgl. Diemand 2009: 11). In diesem Sinne wird von den Medien häufig auch als der vierten Säule in der staatlichen Gewaltenteilung gesprochen, da ‘die [Massen]medien gegenüber dem Gesetzgeber (Legislative), der Regierung und den ausführenden Organen (Exekutive) sowie den Instanzen der Rechtsprechung (Judikative) wichtige Kontrollaufgaben erfüllen’ (Pürer 2003: 423). Die politische Funktion der Medien zeichnet sich also vor allem darin aus, Öffentlichkeit und Transparenz zu gewährleisten und gesellschaftlicher Kritik Raum zu geben. Insbesondere die neuen Medien gehen mit diesen Ansprüchen scheinbar konform, vor allem, da sie zumindest die Partizipationsmöglichkeiten des Einzelnen wesentlich steigern: ‘Wenn auch ein Eintrag den Tatsachen nicht immer hundertprozentig entsprechen mag, so funktioniert die Website doch nach dem demokratischen Prinzip, dass Fehler längerfristig von anderen Nutzern behoben werden. Es regt zur kritischen Lektüre und zum Mitmachen an: Was du liest, gefällt es dir nicht? Dann ändere es. Partizipation dieser Art signalisiert einen optimistischen Glauben an die Demokratie, der in der Politik von heute schwerlich zu finden ist.’ (Cizek 2006: 225). Die Ermöglichung von Anschlusskommunikation ist grundlegend für die demokratische Komponente der Medien und nicht nur abhängig von den Zugangsmöglichkeiten, sondern ebenfalls von der Relevanz der dargebotenen Themen (vgl. Jäckel 2005: 247). Vor allem das Internet ermöglicht es, an politischen Diskursen nicht nur teilzuhaben, sondern zudem in ihrer konkreten Umsetzung zu fördern, indem diese gemeinschaftliche Einforderung erfahren können (vgl. Diemand 2009: 11). So werden, indem eine Umverteilung auch der Medienproduzenten stattfindet, hierarchische Strukturen innerhalb der medialen gebrochen. Während bisher die öffentliche Meinung vor allem ‘Ausdruck einer gebildeten Elite, einer bestimmten Schicht, die Zugang hatte zu den Bildungsinstitutionen der jeweiligen Gesellschaft’ (Diemand 2009: 12) war, ist nun die Bestimmung der so genannten Gatekeeper, welche, anhand in der Kommunikationswissenschaft definierter Nachrichtenfaktoren über den Wert einer Nachricht für das öffentliche Interesse entschieden haben, komplex. Während bisher, ungeachtet politischer Ausrichtung und Absichten, zumindest ein gewisses Maß an Professionalität Voraussetzung für den medialen Zugang zu öffentlichen Prozessen war, ist es heute jedem Laien möglich, via diverser Netzwerke vielfältige Meinungen und Ansichten zu verbreiten […].

Über den Autor

Laura-Johanne Zimmermann, B.A., wurde 1986 in Niedersachsen geboren und schloss 2011 erfolgreich ihr Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften mit den Studienschwerpunkten Internationale Entwicklung, Theater-, Film- und Medienwissenschaften sowie Romanistik an der Universität Wien ab. Während des Studiums nahm ihr Interesse an dem sozialpolitischen Dokumentarfilm und seinem Potenzial zur Unterstützung demokratisierender Prozesse, vor dem Hintergrund technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen unserer Zeit, stetig zu. Diverse Hospitanzen, u.a. in den Dokumentarfilmredaktionen von ARTE und 3sat sowie bei der österreichischen Produktionsfirma für Dokumentarfilme, Mischief Films, bestärkten sie in ihrer Intention, sich langfristig diesem Themengebiet zuzuwenden. Seit Oktober 2011 studiert die Autorin den Internationalen Master ,Film and audiovisual Media‘ mit individuellem Forschungsschwerpunkt auf dem sozialpolitischen Dokumentarfilm an der Goethe Universität Frankfurt, der Université de Liège sowie der Universiteit van Amsterdam.

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