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  • Sprachskepsis und Sprachkrise: Fritz Mauthners Sprachphilosophie im Kontext der Moderne

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Alle Philosophie ist Sprachkritik (Allerdings nicht im Sinne Mauthners.) , heißt es in der 1919 erschienenen Logisch-Philosophischen-Abhandlung Ludwig Wittgensteins, der damit der Philosophie des böhmischen Schriftstellers, Journalisten und Philosophen Fritz Mauthner ein trauriges Denkmal setzte. Mit seiner kompakten Studie zum sprachkritischen Denken Fritz Mauthners legt der Grazer Germanist Christopher Ebner eine facettenreiche Darstellung des sprachkritischen Werks des Philosophen vor. Die Studie stellt die Sprachskepsis Mauthners – jene erste umfassende Artikulation des Umstandes, dass die Sprache die Welt nicht mehr angemessen erfasst – in einen historischen Kontext, zunächst in einen weiteren geistesgeschichtlichen und dann in den konkreten der zentraleuropäischen Region um die Jahrhundertwende. Dabei folgt die Untersuchung der These, die intensive Auseinandersetzung der österreichischen Intellektuellen, Schriftsteller und Philosophen mit der Sprache stehe auch mit der Vielsprachigkeit und der kulturellen Pluralität und Heterogenität des zentraleuropäischen Raumes in Zusammenhang.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Sprachkritik vom Standpunkt der ‘Philologie’ – Das Karl-Kraus-Syndrom: In der Sprachbesessenheit Karl Kraus’ verliert nun die Sprachkritik ihren Charakter als Mittel zum Zweck und wird zum Selbstzweck. In dem Satz: ‘Warum schreibt mancher? Weil er nicht genug Charakter hat, nicht zu schreiben.’ ist zum einen jene Ursache der Sprachkrise angegeben, die die Konservativen für ausschlaggebend erachten, zum andern zeigt sich Kraus’ gnadenloser Blick auf die Sprechenden und Schreibenden der eigenen Zeit: Sie sind oftmals charakterlos. In der letzten Strophe seiner Ode an seinen Deutsch- und Lateinlehrer, die mit ‘An einen alten Lehrer’ überschrieben ist, heißt es: Wohin verlor sich, sag mir, dein Altersblick, Mir unverloren? Lehrest du immer noch Verlorner Gegenwart die Sprache? Folg mir und lasse die Klasse fallen! Die Sprachkritik ist für Kraus Selbstzweck, sie ist weit weniger Mittel zum Zweck, als sie es in den zuvor diskutierten Texten ist Kraus’ Sprachkritik ist Philologie, Liebe zur Sprache und zum Wort, im eigentlich Sinne des Wortes. Allein in der guten Sprache liegt das gute Leben. Der Kampf, den Kraus 40 Jahre lang führte, galt zuvorderst der Sprachverwendung der Medien. Polemik und Satire waren seine schärfsten Waffen gegen die korrumpierte, zur Phrase erstarrte Sprache des Feuilleton und des Journalismus. Um dieser verderbten Sprache der Medien etwas entgegenzusetzen, gründete er 1899, im Alter von 25 Jahren, die Anti-Zeitung ‘Die Fackel’, deren erste Ausgabe Anfang April 1899 erschien. Schon auf der ersten Seite der ersten Ausgabe legt Kraus sein Programm dar: ‘[K]ein tönendes ‚Was wir bringen’, aber ein ehrliches ‚Was wir umbringen’ hat sie sich als Leitwort gewählt. Was hier geplant wird, ist nichts als eine Trockenlegung des weiten Phrasensumpfes[...].’ Und Kraus weiter über den Phrasensumpf: Diese Erscheinung schmerzlichsten Contrastes, die sich durch unser öffentliches Leben zieht, wird hier den Gesichtspunkt für die Beurteilung aller politischen Ereignisse bestimmen, und es mag zuweilen glücken, dem dumpfen Ernst des Phrasenthums, wo immer er sein Zerstörungswerk verübe, durch die ihm so unbequeme Heiterkeit rechtzeitig den Credit zu schmälern. Kraus empfindet, wie Heidegger 27 Jahre später, die Presse als Phrasensumpf, der alles zerstörend die Meinung aller bestimmt. Mit klarem, von keiner Parteibrille getrübtem Blick schreibt er gegen den Journalismus und dessen verderbtes Sprechen an. Zugleich ist aber auch sein eigenes Leben vom Kampf um eine angemessene Sprache bestimmt, es ist verbürgt, dass er stundenlang über der Setzung eines einzigen Kommas brüten konnte. Auch und vor allem in seinem lyrischen Werk zeigt sich sein persönliches Verhältnis zur Sprache. In dem Gedicht Abenteuer der Arbeit heißt es: ‘Was leicht mir in den Schoß fiel, /wie schwer muß ich’s erwerben, /bang vor des Worts Verderben. /O daß mir dieses Los fiel!’ Wenngleich ihm nichts leichter fällt als Schreiben, so muss er doch, ob seiner Liebe zum Wort, jeden Satz, jedes Wort, jeden Beistrich genau abwägen, um das Wort nicht zu verderben. ‘Das Wort hier ist ein Zunder /für das an jener Stelle. /Gleich brennt die ganze Hölle. /Das Wort ist mir ein Wunder.’ Das Wort ist ihm Sprengstoff und Wunder gleichermaßen. ‘In sprachzerfallnen Zeiten /Im sichern Satzbau wohnen: /dies letzte Glück bestreiten /noch Interpunktionen.’ Die Gegenwart empfindet er als ‘sprachzerfallen’, er möchte Zuflucht finden im sicheren Satzbau, in der Sprache als dem Haus des Seins, als Hort des guten Lebens, doch er findet die richtigen Satzzeichen nicht und das Werk ist nie ganz abgeschlossen: ‘Wie ich es nimmer wage, /und wie ich’s immer wende, /ein Werk ist nie zu Ende – /am Ausgang steht die Frage.’ Dann setzt er doch noch einen Punkt, einen Beistrich oder ein Fragezeichen, nur um dann erneut zu zweifeln. ‘Mit angstverbrannter Miene /stock’ ich vor jeder Wendung, /entreiß’ mich der Vollendung /durch eine Druckmaschine.’ Im weiteren Verlauf des Gedichtes kommt die Verzweiflung an der Sprache immer deutlicher zum Ausdruck, es ist von ‘weltverhurter Sprache’ die Rede, von Glücklichen, die von Dingen sprechen können, ihn selbst bringen sie aber immer nur zur Sprache. Die letzen Strophen erinnern an Mallarmés Referenzauflösung, das lyrische Ich, das durchaus mit Kraus selbst gleichgesetzt werden kann, kann zu den Dingen nicht mehr durchdringen, das Gedicht endet, wie es begonnen hat: Durch jedes Tonfalls Fessel gehemmt aus freien Stücken, erlebt sich das Entrücken auf einem Schreibtischsessel. Was leicht mir in den Schoß fiel, wie schwer muß ich’s erwerben, bang vor des Worts Verderben. O daß mir dieses Los fiel! Abenteuer der Arbeit erzählt die Geschichte einer Hass-Liebe, die Geschichte eines Menschen, der die Sprache liebt, zu sehr liebt und es sich selbst und der Sprache nie ganz und gar recht machen kann. ‘In Engelszungen können wir nicht reden’ hat Mauthner, den religiösen Kern der Sprachkrise erfassend, gesagt, doch Kraus wünscht sich nichts sehnlicher, als einer göttlichen Sprache möglichst nahe zu kommen.

Über den Autor

Christopher Ebner, Mag. Dr. phil. studierte in Graz Germanistik, Geschichte und Philosophie. Zur Zeit arbeitet er als Universitätslektor an den Universitäten Graz, Shkodra (Albanien) und Olmütz (Tschechien). In seiner wissenschaftlichen Arbeit setzt sich Ebner mit den Problemen der Sprache, der Bedeutung und der Ästhetik sowie mit Aspekten der Erforschung und Vermittlung wissenschaftlicher Textkompetenz auseinander.

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