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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 05.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Musiktherapie ist eine therapeutische Methode, die vom Spiel, der Begegnung und dem kreativen Umgang mit Situationen lebt. Ihr bevorzugtes Medium ist alles was klingt. Dadurch arbeitet sie in besonderer Weise mit der Schwingungsfähigkeit, die nicht nur Instrumenten, sondern auch Menschen zu eigen ist. Für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche kann sie zum Ausdrucksmittel oder gar zum Heilmittel werden. Folgerichtig ist sie in Einrichtungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie immer häufiger anzutreffen. Doch wie darf man sich das praktisch vorstellen - Musiktherapie in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie? Wer nimmt daran teil, mit welchen Methoden wird gearbeitet, und was kann diese Therapieform bewirken? Ulf Grebe beantwortet diese Fragen aus der Erfahrung eines eigenen klinischen Musiktherapie-Praktikums und liefert dabei lebendige Eindrücke, Betrachtungen und Hintergrundinformationen zu einer in der Öffentlichkeit noch wenig bekannten Art, mit Erkrankungen der Psyche umzugehen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Musiktherapie in der KJPP: Die Musiktherapie zählt zu den sogenannten Fachtherapien an der KJPP – Ergotherapie und Bewegungstherapie sind die anderen, noch ergänzt durch ein Angebot zum Training sozialer Kompetenzen, das ebenfalls von einer Ergotherapiestelle abgedeckt wird. Die Fachtherapien ergänzen das therapeutische Angebot der Klinik im Sinne der eingangs genannten multimodalen Behandlungsweise, die seelische Gesundheit oder Gesundung als ein von vielen Faktoren abhängiges und beeinflussbares Geschehen ansieht. Etwas irreführend ist jedoch der Begriff ‘Fach-Therapien’ im Vergleich etwa zur psychologischen Verhaltenstherapie. Während die Psychotherapie ausschließlich von PsychologInnen durchgeführt wird und als Behandlungsform in etwa der ärztlich-medikamentösen gleichgestellt ist, sind die Fachtherapien untergeordnete Maßnahmen, für deren Durchführung im klinischen Rahmen es keiner Approbation als Arzt oder Psychologe und auch keines Hochschulabschlusses bedarf. Der deutlichste Unterschied besteht darin, dass die Fachtherapien keine eigene Diagnosestellung betreiben und ihr Arbeitsauftrag im Hinblick auf bestehende Diagnosen wenig spezifisch ausfällt. So habe ich in meiner Praktikumszeit nie erlebt, dass eine eindeutige Indikation ‘für Ergotherapie’ oder ‘für Musiktherapie’ festgestellt worden wäre, sondern es wurde lediglich beschlossen, ob ein Patient oder eine Patientin auch ‘an den Fachtherapien’ teilnehmen sollte. An welcher, das wurde der internen Abstimmung im Klein-Team der FachtherapeutInnen überlassen. Dort kamen dann durchaus diagnosespezifische Kriterien zur Anwendung: zum Beispiel nahmen Patienten mit Psychose im Krankheitsbild eher an Einzelsitzungen als an Gruppen teil, während für (männliche) Suchtpatienten die Trommelgruppe eine gängige Maßnahme war. Für Patientinnen mit Essstörungen oder Selbstverletzendem Verhalten wurde üblicherweise zuerst eine reine Mädchengruppe in Betracht gezogen, die von der Musiktherapeutin zusammen mit einer Bewegungstherapeutin angeboten wurde. Im Gespräch mit der Musiktherapeutin über einzelne Patienten wurde deutlich, dass ihre persönliche Therapieplanung noch sehr viel stärker Bezug nahm auf die jeweilige Krankheitsproblematik. Dies schien jedoch im Kreise der FachtherapeutInnen wenig und im Gesamtteam so gut wie gar nicht reflektiert zu werden. Eher allgemeiner Natur waren auch die Rückmeldungen und Berichte, die von Seiten der Fachtherapeutinnen an die ärztlich-psychologischen KollegInnen ergingen. Normalerweise wurde im klinikeigenen Dokumentationsprogramm nur in etwa Folgendes festgehalten: ‘6. Oktober 2011: 45 min musiktherapeutische Gruppensitzung, drei Teilnehmer, eine Therapeutin’. Selten wurden Inhalte einer Therapiestunde, Beobachtungen oder Erkenntnisse mitgeteilt. Dies geschah nur jeweils am Ende einer Behandlung, wenn eine schriftliche Mitteilung der FachtherapeutInnen auszugweise in den Behandlungsbericht der Klinik aufgenommen wurde. Für die praktische Ausübung der Musiktherapie sind an der KJPP eher günstige Bedingungen gegeben. Während es an vielen ähnlichen Einrichtungen gar keine oder nur teilzeitbeschäftigte Musiktherapeuten gibt, stellt die Vollzeitstelle, auf der Teresa Schlummer in (…) arbeitet, fast schon einen kleinen Luxus dar. Auch die räumlichen Bedingungen sind vorteilhaft: Es gibt einen eigenen, ca. 35 qm großen Musiktherapieraum, dessen Fenster alle ins Grüne hinausgehen und der sehr behaglich eingerichtet und komfortabel ausgestattet ist: Neben Großinstrumenten wie einem Schlagzeug und einem Klavier gibt es ein Regal mit Handtrommeln unterschiedlicher Größe, diverse Saiteninstrumente (Gitarren, E-Bass, Monochord, Laute, afrikanische Kürbislaute), Orffsche Perkussionsinstrumente verschiedenster Art (u. a. eine gewaltige Bass-Schlitztrommel) sowie Zupf-, Klapper- und Klingpercussion aus vielen Kulturkreisen. Viele der Instrumente sind aus dem Privatbesitz von Frau Schlummer, die sich hier ein Musiktherapie-Paradies ganz nach ihrem Geschmack eingerichtet hat. Doch wurden ihr auch einige größere Anschaffungen ermöglicht, so dass in diesem Raum an Explorations- und Erfahrungsmöglichkeiten für Patienten kaum etwas fehlt. Musiktherapie findet also im Prinzip während der ganzen Woche statt, verteilt in Einzel- und Gruppenstunden zwischen 20 und 45 Minuten über den ganzen Tag. In der Regel kommen die PatientInnen selbständig zum Musiktherapieraum, oder sie werden von einer Stationsmitarbeiterin gebracht. Bei Intensivpatienten geht Frau Schlummer manchmal auch selbst auf die Station, solch eine Stunde habe ich jedoch nie erlebt. Wöchentlich gibt es einige feste, wiederkehrende Angebote wie: Trommelgruppe, Entspannungsgruppe und Soziales Kompetenztraining mit Musik und Bewegung (SMB) und Instrumentenbau (fand zu meiner Zeit nicht statt). Das Selbstverständnis der Musiktherapie, wie sie an der KJPP von Teresa Schlummer vertreten wird, begnügt sich nicht mit dem oben geschilderten Bild einer reinen ‘Fach-Therapie’. In einer konzeptionellen Schrift des Fachtherapeuten-Teams zu ihren Angeboten an der KJPP nennt sie als Zweck der Musiktherapie die ‘Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit’ durch den gezielten Einsatz von Musik. Weiter heißt es dort: ‘Ziele in der Musiktherapie sind abhängig von den Krankheitsbildern und der Persönlichkeit der Patienten. Übergreifend können (…) genannt werden: Bewusstwerdung eigener Gefühle, Verbesserung des emotionalen Ausdrucks und des Umgangs mit Gefühlen Förderung der Kontakt- und Interaktionsfähigkeit auf nonverbaler Ebene Förderung der Aufmerksamkeit und des Zuhörens Stärkung des Selbstwertgefühles und Selbstvertrauens Training sozialer Kompetenzen’. In der Folge werden auch Indikationen für Musiktherapie spezifiziert, wobei dem jeweiligen Krankheitsbild die verschiedenen geeigneten Funktionen und Wirkungen von Musik zugeordnet werden, z. B. die Struktur und Halt gebende Funktion der Musik und ihre Wirkung als emotionaler Resonanzgeber bei depressiven Erkrankungen, oder elementare Musik, musikalische Rollenspiele und rhythmische Spiele bei Verhaltensstörungen. So verstanden ist Musiktherapie eine spezifische Therapiemethode, die nicht nur allgemein der Hebung des Wohlbefindens von Patienten dient, sondern geeignet ist, vor dem Hintergrund bestimmter Störungen auch bestimmte und gezielte Wirkungen zu erzielen. Dieses Selbstverständnis einer Musiktherapeutin erscheint der eingangs des Kapitels beschriebenen Fremdwahrnehmung der Fachtherapien zu widersprechen. In der Tat empfindet Frau Schlummer das Ansehen ihres Fachbereiches bei den ärztlichen und psychologischen KollegInnen als noch verbesserungswürdig. Sie erklärte mir, dass ihre Arbeit von den Kollegen und der Klinikleitung durchaus wertgeschätzt werde, ohne aber den therapeutischen Möglichkeiten der Musiktherapie gerecht zu werden. Aus diesem Grunde habe sie gemeinsam mit ihren FachtherapiekollegInnen schon manche Anstrengung unternommen, die Arbeitsweisen innerhalb des Fachbereichs bei den Kollegen bekannter zu machen. Zu diesem Zwecke führten sie in gewissen Abständen interne Fortbildungen durch, in denen ärztliches und psychologisches Personal Kenntnisse und Erfahrungen zu einzelnen Fachtherapien, z. B. Musiktherapie, machen könne. Dass es von ärztlich-psychologischer Seite ein Wissensdefizit bezüglich der Musiktherapie gebe, bestätigte mir auch eine Stationspsychologin. Dies liege aber nicht an mangelndem Interesse, sondern am engen Terminplan in der Klinik, der es nur selten erlaube, einmal in die anderen Zuständigkeitsbereiche hineinzuschnuppern. Man könnte geneigt sein, die untergeordnete Rolle der Musiktherapie als ‘Fachtherapie’ im Klinikalltag kritisch zu sehen. Immerhin beanspruchen die meisten MusiktherapeutInnen für sich, Ausübende einer eigenständigen und vollwertigen Methode unter den Psychotherapien zu sein. Und auch die Ergotherapie deckt, wenn sie in freier Praxis ausgeübt wird, mehr vom eigentlich ‘therapeutisch’ zu Nennenden ab, indem sie z. B. Trainingsprogramme bei Aufmerksamkeitsstörungen oder gestörtem Sozialverhalten anbietet. Dieses Selbstverständnis wurde im Prinzip auch von der Musiktherapeutin Teresa Schlummer vertreten. Von ärztlich-psychologischer Seite jedoch war die Einschätzung offensichtlich eine andere. Während der Kreis der leitenden Personen die Möglichkeiten und Bedeutung von Musiktherapie durchaus unterschiedlich zu beurteilen schien, gab es doch einen offiziellen Konsens, wonach Musiktherapie der Ergotherapie de facto in allem gleichgestellt sei. Dies fand seinen Ausdruck nicht nur in der Rollenverteilung im Team, sondern auch bei einer Stellenausschreibung und im Gehalt, wo das Hochschulstudium der Musiktherapeutin und ihre von der Universität Siegen zertifizierte musiktherapeutische Zusatzausbildung keinen Unterschied zu den niedrigeren Abschlüssen für Ergotherapie bewirkte. Ich fand jedoch keine Hinweise, dass die Arbeit der FachtherapeutInnen gering geschätzt worden wäre. In den Teambesprechungen wurden ihre Beiträge mit Interesse gehört und mitunter auch gezielt abgefragt. Die Zusammenarbeit mit Ärzten und Psychologinnen schien mir relativ unproblematisch, kollegial und, bei einzelnen Patienten, auch gut miteinander abgestimmt zu erfolgen. Ich würde sogar sagen, dass ihre geringere Einbindung in Diagnosestellung und Therapiepläne den FachtherapeutInnen Freiheiten einbrachte, die sie selbst zu schätzen wussten. Anders als die behandelnden Ärzte und PsychologInnen konnten sie nämlich ihre Therapien weitgehend frei planen, mit Ausnahme des Stundenumfanges. Sie mussten ihre Arbeit nur selten rechtfertigen und waren von der zeitaufwändigen Dokumentationspflicht in viel geringerem Maße betroffen als Ärzte und Psychologen. Für die Musiktherapie im Speziellen bin ich geneigt zu sagen, dass sich so auch therapeutische Freiräume ergaben, die bei einer strikteren Einbindung vermutlich nicht gegeben wären. Auch für die Patienten schien diese Arbeitsteilung durchaus von Vorteil. Sie konnten sicher sein, in den Räumen der Fachtherapien von allzu genauer Be- und Hinterfragung, strenger Reglementierung und medizinischer Fachsprache weitgehend verschont zu bleiben. Sie konnten sich unbefangen bewegen und in entspannter, wertschätzender und spielerischer Atmosphäre neue Erfahrungen machen, die weder ihr Alltag noch das ärztlich-psychologische Programm für sie bereithielten. Die Gleichstellung von Musiktherapie und Ergotherapie an der KJPP kommt nicht von ungefähr, sondern dürfte weitgehend typisch sein für die Rahmenbedingungen kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken in ganz Deutschland. Ergotherapie ist, im Gegensatz zur Musiktherapie, ein erstattungsfähiges Heilmittel bzw. eine therapeutische Anwendung. Die Frage, warum dies für die Musiktherapie nicht gelten soll, wird auf einer Internetseite der AOK kurz und schmerzlos so beantwortet: Eine Kostenübernahme durch die AOK ist für Musiktherapie nicht möglich, da es sich dabei um ein vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen abgelehntes Heilmittel (Heilmittel-Richtlinien, Anlage 2 Nr. 4) handelt. Wer sich besagte Anlage der ‘Heilmittel-Richtlinien’ anschaut, findet dort die Aussage: Ausgeschlossen von der Verordnung sind die im Folgenden genannten Maßnahmen, weil sie keine Heilmittel sind, dem Wirtschaftlichkeitsgebot im SGB V widersprechen, ihr therapeutischer Nutzen nicht gesichert ist und/oder sie dem Bereich der persönlichen Lebensführung und der Gesunderhaltung zuzuordnen sind: (…). Es folgt eine längere Aufzählung von Anwendungen wie ‘Massage des ganzen Körpers, (…), Hippotherapie, (…), Höhlentherapie, (…) Sauna’, in der irgendwo im Mittelfeld, kurz nach ‘Bodybuilding’ und direkt nach ‘Maßnahmen, die ausschließlich der Anreizung, Verstärkung und Befriedigung des Sexualtriebes dienen sollen’, der Punkt ‘11. Musik- und Tanztherapie’ zu finden ist. Wie es eine therapeutische Methode, die in mitgliederstarken Berufsverbänden etabliert ist, an Hochschulen gelehrt und zur Linderung und Heilung schwerster psychischer Störungen eingesetzt wird, in diese illustre Gesellschaft auf einer Ausschlussliste geschafft hat, noch dazu als scheinbares ‘Anhängsel’ in einem Methodenzwitter, den es so gar nicht gibt, ist nicht mehr kurz zu beantworten und vermutlich schon gar nicht schmerzlos. Aus den zitierten Passagen spricht aber eine rechts-wirksame Realität, die nicht nur das oben geschilderte Rollenbild der Musiktherapie in dieser KJPP erklären kann, sondern ähnliche Bedingungen in ganz Deutschland. Die Auswirkungen sind derart, dass Musiktherapie als solche nicht von den Krankenkassen erstattet wird, sondern allenfalls als freiwillige Leistung privater Kassen oder ‘unter dem Deckmantel’ von Ergotherapie – und dann zu entsprechend niedrigen Sätzen. Zum anderen dürfen Musiktherapeuten im Allgemeinen nicht darauf hoffen, dass in Anstellungsverhältnissen ihre möglicherweise vorhandene höhere Qualifikation honoriert wird. Diese prinzipielle Gleichstellung mit Ergotherapeuten muss auf viele Musiktherapeuten als inakzeptable Degradierung wirken. Nicht nur, weil sie keinen angemessenen Ausdruck der oft langjährigen und hochwertigen Ausbildung beinhaltet, sondern weil dadurch auch Existenzen in Gefahr geraten können, wie im folgenden Beispiel: Auf meine früher schon erwähnte E-Mail-Umfrage unter den bundesweit knapp 150 Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie meldete sich auch die Musiktherapeutin einer Klinik im Ruhrgebiet. Sie erzählte, dass ihr dort seit ihrer Anstellung jahrelang ein Gehalt gezahlt worden sein, das in Anlehnung an den Bundesangestelltentarif der Gehaltsstufe BAT III entsprochen habe. Jedoch, nachdem die Klinik 2009 vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe übernommen worden war, war ihr alter Arbeitsvertrag durch einen neuen ersetzt worden, in dem sie fortan als ‘Beschäftigungstherapeutin’ geführt wurde. In den seit einigen Jahren geltenden neuen ‘Entgeltgruppen’ nach TVöD machte das eine Rückstufung von 11 nach 9 aus. (Nach aktueller Entgelttabelle und abhängig von der Dauer der Anstellung läge der Gehaltsunterschied zwischen ca. 300,- und 700,- Euro monatlich bei Vollzeitanstellung.) Die Kollegin hatte nach eigenen Angaben nicht nur zwei Hochschulstudien abgeschlossen, sondern auch eine fünfjährige Ausbildung zur Musiktherapeutin (FPI) absolviert, welche musiktherapeutische Selbsterfahrung und Lehrmusiktherapie in einem hohem Umfang erfordert. Dem entsprachen ihre Aufgaben in der Klinik, die sie ursprünglich als ‘Psychotherapeutin’ angestellt und eingestuft hatte: eigene musiktherapeutische Diagnosestellung und eigenständige Therapieplanung und –durchführung, Falldokumentation, Teilnahme an Balintgruppe, Fallbesprechungen, Supervision und ähnliches. Die Rückstufung blieb bestehen, auch nachdem die Kollegin sich mit ihrem Widerspruch zunächst an den Arbeitgeber und schließlich sogar an den Petitionsausschuss des Landtages NRW gewandt hatte. An der Einstufung und Besoldung analog zur Beschäftigungstherapeutin gebe es rechtlich nichts auszusetzen, wurde ihr ein ums andere Mal beschieden. Diese Rechtslage wird auch in einem Schriftstück der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft bekräftigt, die zwar einen Unterschied zwischen ‘Kreativtherapeuten ohne Fachhochschulabschluss’ (Diplom-FH oder Bachelor) und solchen ‘mit Fachhochschulabschluss’ macht, dann jedoch erklärt: Durch die Veränderungen in der Besoldung im öffentlichen Dienst kommt analog jetzt die Entgeltgruppe 9+ des TVöD bei Kreativtherapeuten zum Ansatz. Bei Kreativtherapeuten ohne Fachhochschulabschluss (i. d. R. Tanz- und Kunsttherapeuten – hier Absolventen von privaten Ausbildungen ohne staatliche Anerkennung) kommt analog höchstens die Entgeltgruppe 8 des TVöD zum Ansatz. Ausgenommen ist bei beiden Regelungen der sogenannte Bestandsschutz. Das Beispiel legt nahe, dass die Anstellungssituation der Musiktherapeutin an dieser KJPP geltender Praxis entspricht. Dies schließt eine bessere Vergütung in Einzelfällen nicht aus. Doch realistischerweise sollte man davon ausgehen, dass einer Besserstellung von Musiktherapie und Musiktherapeuten im klinischen Berufsfeld keine kleinen Hürden im Wege stehen. Die Refinanzierung musiktherapeutischer Maßnahmen durch die Klinik ist allgemein schwierig, da Musiktherapie nicht als Heilmittel abgerechnet werden kann. Außer der üblichen Variante (via Ergotherapie-Entsprechung) gäbe es also lediglich die Möglichkeit, Musiktherapie nur von approbierten Ärzten oder Psychotherapeuten durchführen zu lassen und aus den für Psychotherapie bereitstehenden Mitteln zu bezahlen. Damit ist allerdings nur sehr wenigen Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten geholfen. Alle anderen müssen diese Rahmenbedingungen bei der Planung ihrer Existenz berücksichtigen – so auch die Absolventinnen und Absolventen des Weiterbildungsstudiums in Klein Jasedow.

Über den Autor

Ulf Grebe studierte Pädagogik, Völkerkunde und Soziologie und arbeitete als Musiker und Musikpädagoge (Schwerpunkte Rhythmus und Perkussion), bevor er sich in Köln als Lerntherapeut und Fachmann für Rechenschwäche (Dyskalkulie) selbstständig machte. Mit der Musiktherapie verbindet ihn eine langjährige Geschichte, die über die musische Arbeit mit unterschiedlichsten Gruppen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie ein Weiterbildungsstudium Musiktherapie bis zu der Form von Lerntherapie mit musiktherapeutischen Anklängen führte, die er heute praktiziert. Außerdem schreibt er Gereimtes und Ungereimtes – Lieder, Gedichte und Sachtexte.

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