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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 07.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die vorliegende Studie rekonstruiert das Weltmodell der Deutschen Mystik auf der Grundlage der Lotmanschen Raumsemantik. Der Mensch steht im Spannungsfeld verschiedener semantischer Räume, die sich anhand spezifischer Merkmale voneinander abgrenzen. Ausgehend vom Faktum, dass dieser sich in scheinbarer Selbstverständlichkeit an den Raum des Irdischen gebunden fühlt, richten die Autoren der Mystik ihre Aufmerksamkeit auf die Frage ob und in welcher Weise der Mensch in der Lage ist seine Raumbindung zu relativieren oder gar zu lösen, um die Grenze hin zum Raum des Göttlichen zu überschreiten. Diese raumsemantische Analyse ausgewählter Predigten Meister Eckharts und Johannes Taulers untersucht demnach, welche Ordnungen in den Texten existieren und zeigt auf, wie Konflikte zwischen den Ordnungen sprachlich dargestellt und letztlich überwunden werden können. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei die Darstellung des Undarstellbaren als Grenzüberschreitung.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.1, Die Transformation des Menschen: Modelliert man das Überschreiten der Grenze zwischen den semantischen Räumen des Irdischen und des Göttlichen als Bewegung von Gott her, der dem Menschen in seiner Gnade entgegenkommt, so hat dieser die Aufgabe alles Kreatürliche von sich abzustreifen, sich dessen zu entkleiden, um für Gott offen zu werden. Die kreatürliche Verfassung des Menschen stellt demnach ein Hindernis für jegliche direkte Gotteserfahrung dar, das es zu überwinden gilt. Deshalb hat der Mensch alle Bindungen an das Kreatürliche zu lösen, ansonsten bleibt ihm jegliche direkte Erfahrung mit Gott verwehrt. Dies ist jedoch nicht mit der völligen Vernichtung des menschlichen Erfahrungssubjekts gleichzusetzen. Vielmehr handelt es sich hier um die angesprochene Rückverwandlung, um die Wiederherstellung seiner ursprünglichen Verfassung und seines authentischen Menschseins, das durch seine kreatürlichen Existenzbedingungen und durch die Sünde verfälscht und sich selbst entfremdet ist . Diese Sichtweise beinhaltet, dass sich der Mensch in seinem Wesen wandeln muss, indem er die Beeinträchtigung der ursprünglichen Qualität seines Menschseins vernichtet. Bei einem weiteren Konzept der Transformation steht der Unterschied zwischen nach außen und dem nach innen orientierten Menschen im Mittelpunkt. Zentral für dieses Konzept der menschlichen Veränderung ist die Hinwendung von außen nach innen. Im Verlauf dieses Prozesses erhält der Mensch eine neue Konstitution, indem er sich von seiner kreatürlichen Verfassung trennt, welche ihn wie eine Hülle umgibt. Die Reduktion auf das Eigentliche im Menschen führt hierbei nicht zu einem Defizit. Gerade weil der Mensch seine kreatürliche Verfassung aufgibt, resultiert dies für ihn in einem Gewinn an Sein. Durchläuft der Mensch diesen Prozess bis zum Ende, gelingt es ihm die Differenz in Identität zu überführen und zum Bereich des Seins Gottes, zur göttlichen Ordnung vorzustoßen. Dieser Ort wird durch die immerwährende Gottesgeburt repräsentiert, hier befindet sich Gott als same oder bilde. Solange die kreatürlichen Vorstellungsbilder die göttliche Gegenwart verdecken, unterbleibt die Manifestation Gottes in der Seele. Der Raum Gottes wird für den Mensch erst dann zugänglich, wenn alles Kreatürliche entfernt ist. Klärungsbedürftig bleibt das Verhältnis von Natur und Gnade: Verändert sich der Mensch weil Gott ihm schon immer entgegengekommen ist oder kommt Gott dem Menschen entgegen, weil er sich verändert hat? Die Unauflösbarkeit dieses Verhältnisses zeigt sich vor allem daran, dass die untersuchten Autoren in immer wieder neuen Entwürfen die Veränderung des Menschen als Zusammenspiel von Gott und Mensch darstellen und dadurch zusammenbringen, was nicht in ein System zu bringen ist. Im Mittelpunkt steht eben kein Geschehen, das in verschiedenen, in linearer Abfolge auftretenden und auf einander bezogenen Handlungsphasen realisiert wird. Vielmehr handelt es sich um einen - durch die Verwendung von verschiedenen Metaphern und anderen Sprachfiguren - in verschiedene Aspekte ausdifferenzierten Vollzug. Dieser stellt als solcher einen Bruch mit der bisherigen Verfassung des Menschen dar, die sich jedoch hin zu einer neuen transformiert. 4.2, Die Transposition des Menschen: Neben dem im vorhergehenden Kapitel vorgestellten Konzept der Transformation des Menschen, gibt es in den untersuchten Texten ein zweites Konzept, das die Beziehung Mensch-Gott im Rahmen von räumlichen Vorstellungen beschreibt: Um sich Gott anzunähern, muss sich der Mensch vom irdischen Bereich in einer als Ortsveränderung vorgestellten geistigen Bewegung entfernen, die vom Bereich Gottes her ihre Richtung und ihr Ziel erhält. In Anbetracht der Tatsache, dass Gott nicht eindeutig lokalisierbar ist, stellt sich zuerst einmal die Frage, wie eine solche Annäherung erfolgen kann. Entscheidend hierfür ist die Beschaffenheit der Grenze. Falls diese absolut gesetzt ist, kann der Mensch sie nicht überschreiten - die Einheit mit Gott erscheint als Aporie der Immanenz. Ist diese jedoch relativ gesetzt, d.h. permeabel, besteht die Gefahr einer Nivellierung. Die Grenze droht ihren Status als solche zu verlieren. In diesem Fall stellt sich der Wechsel vom irdischen zum göttlichen Bereich als ein vom Menschen gemachter Weg dar, der die Zuwendung Gottes in Gnade überflüssig werden läßt. Bei einer Analyse muss folglich stets hinterfragt werden, welche Funktion den über räumliche Vorgänge metaphorisch veranschaulichten geistigen Bewegung des Menschen im Rahmen des Prozesses von der Differenz zur Identität zukommt und in welcher Beziehung die göttliche Aktivität hierzu steht. Insgesamt lassen sich bei der Transposition des Menschen drei unterschiedliche Bewegungsrichtungen unterscheiden: Die Aufstiegsbewegung des Menschen, das ihr Pendant in der Abstiegsbewegung findet, sowie eine Bewegung in der Horizontalen. Bei der Aufstiegsbewegung wird die Annäherungsbeziehung des Menschen an den semantischen Raum des Göttlichen auf der Grundlage des räumlichen Schemas von unten vs. oben entworfen. Bei der Abstiegsbewegung geschieht die Annäherung hingegen auf der Basis der topographischen Opposition oben vs. unten. Beim horizontalen Modell lässt sich zum einen die Wendung ins Innere konstatieren. Hier liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Transzendenz Gottes im Inneren des Menschen lokalisiert wird und folglich durch eine Bewegung des Menschen in sein Inneres zu erreichen ist. In diesem Zusammenhang verwenden die Autoren häufig die Verbmetaphern ingan, infliessen, inziehen. Zum anderen lassen sich aber auch Geschehen beobachten, die weitgehend indifferent verlaufen. In diesem Fall handelt es sich um ein Geschehen, bei dem es - bedingt durch die Orientierung auf die unio - in der horizontalen Dimension um den Wechsel vom Bereich der Geschiedenheit in den der Ungeschiedenheit der göttlichen Wirklichkeit geht.

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