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Kunst & Kultur

Theresa Jung

Wie der Mythos Dracula entstand: Entzauberung einer literarischen Fiktion

ISBN: 978-3-95934-755-6

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Produktart: Buch
Verlag: Diplomica Verlag
Erscheinungsdatum: 08.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Abb.: 20
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Seit Jahrhunderten ist der Mensch fasziniert von jenen unheimlichen, unerklärlichen und märchenhaften Gestalten, die sich am Rande einer von Wissenschaft und Aufklärung durchfluteten Welt hartnäckig halten. Neben Trollen, Feen und Werwölfen ist gerade der Vampir in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit getreten. Neben unzähligen Serien, Romanen und Filmen hat dieses Interesse auch zur Spurensuche angespornt. Man fing an, nach tatsächlichen historischen Gegebenheiten zu suchen: Man versuchte den Mythos Vampir wissenschaftlich zu erklären. Im Zuge dieser Nachforschungen trat eine existierende Person ins Rampenlicht, die fortan als erster Vampir galt: Vlad Tepes – ein bisher eher vernachlässigter, relativ unbedeutender Fürst der spätmittelalterlichen Walachei. Inmitten von Gepfählten soll er gespeist haben und auch sonst grausamer gewesen sein als jeder Tyrann vor ihm. Wie passend, dass der historische Beiname des Woiwoden auch noch Draculea war. Wer sonst also könnte Porträt gestanden haben für den prominentesten aller Vampire – Stokers Dracula? Was aber ist wirklich haltbar an der geschlagenen Brücke zwischen Vlad Tepes und Stokers Blutsauger? Gibt es wirklich gravierende Gründe, warum Stoker seinen Protagonisten nach diesem Fürst der Walachei benannte oder handelt es sich nur um einen bloßen Namenszufall?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3.3 Vlad Tepes in der rumänischen und in der westlichen Historiographie: Abgesehen von der mündlichen Überlieferung einzelner Episoden um den Namen Vlad Tepes hauptsächlich in der Poenari Gegend, scheint das Interesse an dem Woiwoden generell und in der Historiographie Rumäniens des 16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts abgenommen zu haben. Erst 1811 taucht sein Name in der Chronik des rumänischen Geschichtswissenschaftlers Gheorghe Sincai (1754-1861) wieder auf. Betonte Sincai noch die Großartigkeit des Herrschers und zweifelte die ihm zugeschriebenen Grausamkeiten an, vergleichen ihn spätere Geschichtswissenschaftler wie Mihail Kogalniceanu oder Florian Aaron mit historischen Figuren wie Nero oder Tiberius. Diese zwei gegensätzlichen Positionen ziehen sich durch die gesamte rumänische Historiographie des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. Die sogenannte alte Schule entstand im Kontext der Romantik und dem sich in dieser Epoche entwickelndem Nationalbewusstsein der Rumänen. Mit der nationalen Freiheitsbewegung Rumäniens entstand gleichzeitig das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Nationsgeschichte. Die mittelalterlichen Woiwoden der Moldau und der Walachei, die sich je nach politischer Großwetterlage einmal der osmanischen Oberherrschaft und ein andermal der ungarischen Krone widersetzten, stellten das Ideal einer nationalen Vergangenheit dar. Michael der Tapfere (1558-1601) und Stefan der Große (1433-1504) wurden zu Nationalhelden hochstilisiert, aber auch Vald Tepes geriet als Kämpfer für die Unabhängigkeit Rumäniens in den Fokus der Darstellungen der alten Schule. Historiker wie A. D. Xenopol und G. Tocilescu stellen Vlad III. Draculea in einem durchgängig positiven Licht dar und verweisen zusätzlich, vergleichbar mit der russischen Überlieferungstradition, auf die Gerechtigkeit und Begründetheit seiner harten Maßnahmen. Vlad Tepes‘ Stellung unter den Nationalhelden wird auch von Mihai Eminescu, Rumäniens bekanntestem Dichter dieser Epoche, verdeutlicht. Als Vertreter des idealen Herrschers wird er in dem als Dritten Brief bezeichneten Gedicht angerufen, das unmoralische Verhalten der damaligen Politiker zu bestrafen: Warum kommst du nicht, Tepes-Fürst, und fasst sie an? Teile sie in zwei große Haufen hier die Schurken, dort die Narren! Sperr sie in zwei große Kerker: in ein Zucht- und Irrenhaus Lege Feuer dann an beide! Auch nicht einen lass heraus! Daneben entstand die gegenläufige junge Schule. Als Vertreter dieser vermittelte allen Historikern voran I. Bogdan das Bild eines nahezu geisteskranken Herrschers, der politisch inkonsequent und fahrlässig gehandelt habe und verurteilt die romantisch verklärte Darstellung des Herrschers als Unabhängigkeitskämpfer. Die Darstellung der alten Schule setzte sich jedoch letztendlich unter dem starken Einfluss der politischen Ereignisse des rumänischen Kampfes für Unabhängigkeit gegen die russische Suzeränität und das russische Protektorat durch. Zwar verneinen Historiker des 20. Jahrhunderts wie C.C. Giurescu den harten Herrschaftsstil Vlads nicht, ergänzen ihn aber, vergleichbar mit der russischen Überlieferung des Mittelalters, immer mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit und die hervorragende Wirkung der Maßnahmen des Woiwoden. Generell rückte nun zusätzlich zur Außenpolitik die Innenpolitik Vlads in den Mittelpunkt. Diese wurde durchgängig positiv beurteilt, da sie, analog zur Meinung früherer Historiker, wie beispielsweise Stefan Stefanescu, wichtige Schritte für die allmähliche Entwicklung einer Zentralgewalt darstelle. Mit der kommunistischen Machtübernahme 1947 veränderte sich das Wesen der Historiographie jedoch dramatisch. Mit der Anlehnung an die ideologischen Sichtweisen der Sowjetunion wurde die Idee des sozialistischen Internationalismus übernommen und jegliches Nationalbewusstsein unterdrückt. Die früheren Nationalhelden mussten uminterpretiert werden, sodass Vlad Tepes zugunsten anderer mit der Geschichte Russlands verbundener Figuren zunächst wieder weniger Aufmerksamkeit erfuhr. Lediglich im Kontext des Klassenkampfes wurde Vlad Tepes als Widersacher der Bojaren erwähnt und auch die Durchsetzung einer Zentralgewalt galt fortan als wichtigste Errungenschaft des Woiwoden. Mit dem Anfang der 60er Jahre schließlich lösten sich die rumänischen Kommunisten allmählich wieder von den ideologischen Vorstellungen der Sowjetunion und die Idee des sozialistischen Internationalismus wurde aufgegeben. Besonders unter Nicolae Ceausescu, der von 1965 bis 1989 an der Macht war, fanden nationale Ideen erneut lauten Anklang. Vlad Tepes galt fortan wieder als einer der glänzendsten Figuren der rumänischen Geschichte. Der Personenkult um Nicolae Stoicescu führte sogar zu dem zu dem Versuch, eine direkte Linie zwischen dem mittelalterlichen Woiwoden und dem damaligen Diktator heraufzubeschwören. So wurde, analog zu Stoicescus eigenen Bemühungen, das Ziel der Unabhängigkeit als das wichtigste politische Ziel Vlad Tepes dargestellt. Die Aufmerksamkeit, die auf Vlad Tepes gerichtet wurde, spiegelte sich auch in nach ihm benannten Straßen und in der Errichtung mehrerer Statuen und Büsten wider. Zusätzlich wurden insgesamt drei mit ihm verbundene historische Stätten ausgegraben, restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

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